Kann ich mir eine Frühpensionierung leisten?

Vorzeitig in Rente gehen: Das steht bei vielen Leuten ganz oben auf der Wunschliste. Doch wie realistisch ist dies heute überhaupt noch? Wir haben die finanziellen Konsequenzen an einem konkreten Fall durchgerechnet.

Jeder zweite Arbeitnehmer äussert in Umfragen den Wunsch, vor dem offiziellen Rentenalter den Ruhestand anzutreten. Der zunehmende Druck auf die Vorsorgewerke macht eine vorzeitige Pensionierung allerdings immer schwieriger.

Ich habe an einem Musterbeispiel die finanziellen Folgen einer Pensionierung mit 62 statt mit 65 Jahren berechnet. Das Resultat: Die monatliche Rente der Pensionskasse sinkt von 2830 auf 2220 Franken – eine Einbusse von 22 Prozent. Die Kalkulation bezieht sich auf eine Person, welche im Alter von 25 Jahren 3800 Franken pro Monat verdiente und den Lohn bis zur Pensionierung auf monatlich 10‘000 Franken steigern konnte.

Aus der Grafik können Sie entnehmen, dass zwei Faktoren für die tiefere Rente verantwortlich sind: Erstens fehlen drei Jahre, um das Vorsorgekapital bis 65 weiter zu erhöhen. Damit sinkt das Guthaben im Beispiel von 500‘000 auf 430‘000 Franken.

Wie die Darstellung schön zeigt, steigt das Kapital in den letzten Jahren vor der Pensionierung am steilsten an.

Das liegt daran, dass der Sparbeitrag in der zweiten Säule mit dem Alter immer mehr zunimmt. Bei einem 25-Jährigen fliessen erst 7 Prozent des versicherten Lohns in die berufliche Vorsorge. Ab 55 Jahren sind es dagegen 18 Prozent. Zudem steigt mit dem Alter meistens auch das Lohnniveau.

Eine Pensionierung mit 62 reduziert die Rente um 22 Prozent
Durch die Pensionierung mit 62 sinkt das Alterskapital im Beispiel von 500‘000 auf 430‘000 Franken. Weil ausserdem die Bezugsdauer der Rente um drei Jahre zunimmt, reduziert sich der monatlich ausbezahlte Betrag von 2830 auf 2220 Franken (minus 22 Prozent).

Der zweite Grund für den Rückgang der Rente bei einer Frühpensionierung ist die höhere Bezugsdauer. Weil ja das Vorsorgekapital drei Jahre länger reichen muss, senkt die Pensionskasse den so genannten Umwandlungssatz (UWS). Beim Rentenalter 65 beträgt der UWS 6,8 Prozent, was bei einem Guthaben von 500‘000 Franken zu einer Monatsrente von 2830 Franken führt (Berechnung: 6,8 Prozent von 500‘000, was eine Jahresrente von 34‘000 Franken ergibt). Bei der Pensionierung mit 62 kommt dagegen ein tieferer UWS von 6,2 Prozent zur Anwendung. Bei einem angesparten Kapital von 430‘000 Franken resultiert daraus eine monatliche Rente von 2220 Franken (respektive 26‘660 Franken pro Jahr).

Je nach Pensionskasse weicht die Kalkulation etwas vom Beispiel ab. Als Faustregel gilt jedoch: Pro Vorbezugsjahr sinkt die Rente zwischen 5 und 8 Prozent.

Aufgrund dieser massiven Einbusse muss eine Frühpensionierung in jedem Fall sehr sorgfältig geplant sein.

Was dabei zu beachten ist, lesen Sie in unserem Dossier «Fünf hilfreiche Tipps zur (Früh-)Pensionierung». Dort erfahren Sie auch, weshalb eine schrittweise Pensionierung in unserem Vorsorgesystem oftmals die bessere Lösung darstellt.

Falls Ihr Budget eine vorzeitige Pensionierung nicht zulässt, bleibt immerhin ein Trost für Sie: Die Lebenserwartung der heutigen Rentner ist so hoch wie nie zuvor. Seit Einführung der beruflichen Vorsorge 1985 hat sie um vier Jahre zugenommen: auf 88 Jahre für Frauen respektive auf 85 Jahre für Männer. So oder so geniessen wir damit einen längeren Ruhestand als die Generationen vor uns.

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4 Kommentare über “Kann ich mir eine Frühpensionierung leisten?”

  1. Sehr geehrter Herr Steck

    Zunächst einmal: Ich habe viel Freude an Ihren Kommentaren als Migros Bank-Ratgeber.

    Dennoch bin ich mit ihrem Artikel zur Frühpensionierung nicht ganz zufrieden. Ein obligatorisches Kapital von 500’000 Franken ist (aktuell) nicht realistisch, Das maximale Altersguthaben im obligatorischen Teil beträgt laut BSV im Jahr 2016 für Männer 320’820 Franken und 331’587 Franken für Frauen.

    Womit wir älteren Arbeitnehmer uns eher herumschlagen sind die umhüllenden Kassen, die auf das gesamte Kapital inkl. Überobligatorium einen deutlich tieferen Umwandlungssatz als 6.8% (oder den entsprechenden Wert bei vorzeitiger Pensionierung) anwenden. Insofern fehlt mir hier der Hinweis, dass allenfalls die Möglichkeit eines Kapitalbezugs für das gesamte Überobligatorium besteht, um sich einen höheren Umwandlungssatz für dasverbleibende Obligatorium zu sichern.

    Mit freundlichen Grüssen
    U. Ewert

    1. Sehr geehrter Herr Ewert
      Ich gebe Ihnen völlig Recht, dass ich in diesem Beispiel mit einem Kapital von 500’000 Franken einen hohen Betrag gewählt habe. Würde man mit denjenigen Beträgen rechnen, welche für die Mehrheit der Leute gelten, kommt man auf tiefere Summen. Dies habe ich zum Beispiel hier aufgezeigt: https://blog.migrosbank.ch/de/welche-rente-kann-ich-erwarten/. Doch mit einem Kapital von etwa 300’000 Franken, gerechnet für einen Singlehaushalt, rückt eine Frühpensionierung noch weiter in die Ferne. Deshalb musste ich hier ein relativ grosses Vermögen annehmen, damit ein solches Szenario einer Pensionierung mit 62 überhaupt realistisch ist.
      Freundliche Grüsse, Albert Steck

  2. Sehr geehrter Herr Steck
    Grundsätzlich stimmt Ihre Rechnung. Leider ist es im Moment aber doch so dass die Pensionskassen den Umwandlungssatz sowieso senken: in meinem Beispiel stufenweise von aktuell 5,41% auf 4,8% im Jahr 2021. Zusätzlich werden auch noch die Zinssätze auf dem angesparten Kapital gesenkt.
    In meinem Fall beträgt die Kürzung bei Pensionierung mit 62 13%, mit 63 4%.
    Da die meisten Pensionskassen in einer ähnlichen Lage sind, ist Ihre Rechnung meiner Meinung nach sehr ungenau.
    Könnte sich unter Umständen eine frühzeitige Pensionierung sogar lohnen, weil man dann von höheren Umwandlungssätzen profitiert?

    1. Sehr geehrter Herr Vogelsang
      Es ist im Einzelfall abzuklären, ob sich bei einer Pensionskasse, welche den Umwandlungssatz senkt, eine vorzeitige Pensionierung lohnt, um noch in den Genuss des höheren Umwandlungssatzes zu gelangen. Zum Teil gibt es Übergangsregelungen für Jahrgänge nahe der Pensionierung. Dagegen sind für Personen im Alter 50 oder 55 die im Beitrag beschriebenen Überlegungen viel wichtiger: dass man nämlich in den verbleibenden Jahren bis zur Pensionierung dank höherer Sparbeiträge den Kapitalstock noch entscheidend ausbauen kann.
      Freundliche Grüsse, Urs Aeberli

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