Erneuerungsfonds im Stockwerkeigentum: Die Werterhaltung sichern

Weil der Zahn der Zeit an allen Wohnhäusern nagt, sollten Stockwerkeigentümergemeinschaften finanzielle Reserven für später bilden. Wer früh genug damit anfängt, beugt späteren Konflikten vor. Sonst müssten im ungünstigsten Fall die einen Stockwerkeigentümer Kostenbeiträge für die anderen übernehmen, die gerade nicht liquid sind.

Rund um den Erneuerungsfonds im Stockwerkeigentum tauchen Begriffe wie «Notgroschen» oder «Zwangssparen» auf. Viele Stockwerkeigentümer und solche, die es werden wollen, halten einen Erneuerungsfonds gar für eine gesetzliche Pflicht. Doch diese Vermutung ist falsch. Das Gesetz regelt zwar verschiedene wesentliche Fragen rund ums Stockwerkeigentum, etwa die Abstimmungsmodalitäten für Renovationen und bauliche Massnahmen. Das Gesetz kennt aber keine Pflicht für einen Erneuerungsfonds.

Definition Erneuerungsfonds

Was ist überhaupt damit gemeint? Der Erneuerungsfonds ist grundsätzlich eine Form des Sparens. Er ist ganz klar zweckgebunden. Hier legen die Stockwerkeigentümer gemeinsam Geld beiseite, um es später für grössere Erneuerungen zu nutzen. Denn früher oder später kommen mit der Renovation des Dachs und der Fassade oder mit einem Ersatz der Heizung grössere Investitionen auf die Eigentümer zu. Der laufende Unterhalt und Reparaturen sind dagegen über die jährlichen Betriebs- und Unterhaltskosten zu finanzieren (und werden vom Verwalter budgetiert). Im Allgemeinen richtet sich die Höhe der Einzahlung nach den Wertquoten der einzelnen Wohnungen. Die Wertquote legt fest, welcher Anteil der Liegenschaft dem jeweiligen Stockwerkeigentümer zusteht – ausgedrückt wird sie in Tausendstel (z.B. 155 Tausendstel).

Erneuerungsfonds: Klare Information

«Die Käuferinnen und Käufer von Stockwerkeigentum machen wir schon in den ersten Gesprächen mit ihren Rechten und Pflichten vertraut», betont Giuliana De Rinaldis. Sie ist Mitglied der Geschäftsleitung und Bereichsleiterin Vermarktung bei der CSL Immobilien AG, einer Partnerin der Migros Bank. Und zu diesen grundlegenden Fragen gehöre ganz klar auch der Erneuerungsfonds im Stockwerkeigentum. «Als professionell agierendes Unternehmen geben wir den Käuferinnen und Käufern wesentliche Informationen mit auf den Weg», ergänzt Giuliana De Rinaldis. Obwohl es keine gesetzliche Pflicht dafür gebe, achte man schon bei der Begründung und dem Reglement für die Stockwerkeigentümergemeinschaft darauf, dass von Anfang an ein Erneuerungsfonds geäufnet werde.

Alle späteren Entscheide dazu würden aber in die Kompetenz der Stockwerkeigentümer fallen: Sie beschliessen darüber, ob ein Fonds weitergeführt wird, in welchem Umfang sie Einzahlungen leisten wollen und wofür die Gelder konkret verwendet werden. Jede Entnahme aus dem Erneuerungsfonds erfordert einen Mehrheitsbeschluss der Gemeinschaftsversammlung. Die operative Durchführung und auch die Bewirtschaftung des Fonds gehören normalerweise ins Pflichtenheft des Verwalters. Der Erneuerungsfonds kann ganz einfach als Kontoguthaben bei einer Bank oder auch in Form von längerfristigen Wertschriftenanlagen geführt werden.

Wie hoch sollen Rücklagen sein?

Eine Studie der Hochschule Luzern kam zum Schluss, dass rund vier Fünftel der Stockwerkeigentümergemeinschaften in der Agglomeration Luzern einen solchen Fonds eingerichtet haben. Der Befund gilt auch für die übrige Schweiz: «Aus unserer Praxis sind uns praktisch keine Fälle von Stockwerkeigentümergemeinschaften ohne Erneuerungsfonds bekannt», betont Giuliana De Rinaldis. Öfters komme es hingegen vor, dass die Mittel eher knapp bemessen seien. Denn die längerfristige Werterhaltung und die in grösseren Zyklen fälligen Investitionen werden in ihren Dimensionen oft unterschätzt. So gibt es Fälle, in denen eines Tages unplanmässig Wasserleitungen oder gar die ganze Haustechnik saniert werden musste. In aller Regel planbar und auch absehbar sind periodische Erneuerungen der Wärmedämmung, des Dachs (je nach Konstruktionsart und Material), von Fenstern, Fassade und Heizung. Natürlich lassen sich einzelne Massnahmen etappieren, aber in der Summe erweisen sich die Erneuerungen oft als kostspielig. Gut möglich, dass dann innerhalb kurzer Zeit ein Betrag von 5 bis 20 Prozent des Gebäudeversicherungswerts fällig ist. Das Musterreglement des Schweizer Stockwerkeigentümerverbands sieht eine jährliche Einlage von mindestens 0,4 Prozent des Gebäudeversicherungswertes vor – und zwar solange, bis eine Summe von mindestens 6 Prozent dieses Gebäudewerts gespart ist. Der Verband legt zugleich Wert auf die Feststellung, dass es sich dabei nur um eine allgemeine Richtgrösse handelt. Die tatsächliche Höhe, die eine Stockwerkeigentümergemeinschaft vorsieht, ist in jedem Fall auf das Alter und den konkreten Zustand des Gebäudes abzustimmen.

Drei wichtige Argumente

Es gibt einige triftige Gründe, mit den Rücklagen im Erneuerungsfonds möglichst früh anzufangen und eine angemessene Höhe festzulegen:

  • Wer die jährliche Einlage zu tief ansetzt oder zu spät mit dem Äufnen anfängt, spart im Grunde genommen nichts. Denn früher oder später müssen die Investitionen ohnehin getätigt werden. Wenn der periodische Unterhalt oder eben auch die in grösseren Zyklen fälligen Erneuerungen unterlassen werden, gefährdet dies die Werterhaltung und damit das Vermögen der Stockwerkeigentümer.
  • Wenn der Erneuerungsfonds ausreichend dotiert ist, erleichtert dies die Planung, die Finanzierung und Umsetzung von zwingenden Erneuerungen erheblich. Denn solange später die nötigen finanziellen Mittel fehlen, kann auch nicht saniert werden. Wenn (Mit-)Eigentümer zu Nachzahlungen verpflichtet werden müssen, erhöht dies die Hürden beträchtlich. Vielleicht kann der eine Stockwerkeigentümer die Hypothek aufstocken oder hat die geforderten Mittel liquide. Andere wiederum sind möglicherweise finanziell weniger komfortabel ausgestattet und möchten dann die Renovation lieber noch etwas hinausschieben.
  • Unangenehm wird es, wenn die Gemeinschaft bei Einzelnen fehlende Kostenbeteiligungen eintreiben muss. Unter Umständen gefährdet dies Projekte, die aufgrund des Zustands des Gebäudes dringend notwendig wären. Nebenbei ist auch darauf hinzuweisen, dass die gemeinschaftliche Liegenschaft nicht mit Hypotheken belehnt werden kann. Zulässig und üblich ist die Belehnung der einzelnen Stockwerkeinheiten.

Erneuerungsfonds: Planung ist das A und O

Am besten fahren diejenigen Stockwerkeigentümergemeinschaften, die das Thema systematisch angehen. In einem ersten Schritt sollte die Initiative dazu von der Verwaltung ausgehen. Zumindest eine grobe Planung, was in 5, 10 oder 15 Jahren fällig sein könnte, macht vieles einfacher. Aus der Investitions- und Erneuerungsplanung wird vielleicht ersichtlich, dass die Einlagen erhöht werden müssten, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Die Erhöhung der jährlichen Einlagen wiederum setzt einen Mehrheitsbeschluss der Stockwerkeigentümergemeinschaft voraus.

Dabei machen immer wieder Erzählungen die Runde, dass es in Stockwerkeigentümergemeinschaften zu Konflikten und Blockaden kommt. Das erweckt fast den Anschein, als ob die Werterhaltung und damit auch die Interessen der einzelnen Eigentümer gefährdet sein könnten. Denn schliesslich stellt die eigene Wohnung für die privaten Eigentümer oft einen wesentlichen Teil ihres Vermögens dar. «Der Schutz der Interessen der einzelnen Eigentümer ist aber nach meiner Erfahrung durchaus gewährleistet», erläutert Giuliana De Rinaldis von CSL Immobilien. Denn auch wenn einmal einzelne Miteigentümer gegen Renovationen stimmen, ist es letztlich doch die Mehrheit, die darüber entscheidet. Jeder Stockwerkeigentümer ist berechtigt, Anträge dazu an die jährliche Versammlung zu stellen und Vorschläge zu unterbreiten. Oft kommt es auch vor, dass sich überdurchschnittlich engagierte Stockwerkeigentümer, die auch noch bestimmte Fachkenntnisse einbringen, für einen Ausschuss melden. Dieser wird zum Beispiel die Tätigkeit der Verwaltung unterstützen und ergänzen (etwa für eine Investitionsplanung, bauliche Abklärungen, Einholen von Offerten, Schätzen des Budgets usw.).

Erneuerungsfonds: Steuerliche Regelung

Rechtlich gesehen stellen die Mittel im Erneuerungsfonds gemeinsames Vermögen der Stockwerkeigentümergemeinschaft dar; alle leisten zwar ihre jährlichen Beiträge, haben aber bei einem allfälligen Verkauf ihrer Wohnung kein Recht auf Rückerstattung der jeweiligen Anteile. Diese anteilmässigen Mittel im Erneuerungsfonds sind an die einzelne Wohnung gebunden.

Dies ist gerade beim Kauf von Eigentumswohnungen in älteren Gebäuden ein wesentlicher Punkt. Jeder Käufer sollte sich darüber informieren, ob und in welchem Umfang der Erneuerungsfonds dotiert ist. Sind die Mittel eher knapp bemessen, müsste sich dies auch im Kaufpreis niederschlagen. Es ist Sache von Käufer und Verkäufer darüber zu verhandeln, wie die Rücklagen im Erneuerungsfonds bewertet werden sollen. Wichtig ist auch zu wissen, dass die jährlichen Einlagen in der Regel vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden dürfen. Der jeweilige Anteil ist als Vermögen und ein allfälliger Ertrag als Einkommen in der Steuererklärung zu deklarieren. Wie immer bei Steuern gilt allerdings, dass im konkreten Einzelfall die Bestimmungen und Gesetze im jeweiligen Kanton gelten.

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4 Kommentare über “Erneuerungsfonds im Stockwerkeigentum: Die Werterhaltung sichern”

  1. Danke für den Artikel, sehr informativ. Was ich vermisse (auch in anderen Abhandlungen über das Thema) ist die Haftung einzelner Miteigentümer gegenüber der Gemeinschaft. Wenn ein Miteigentümer der Gemeinschaft (fahrlässig) einen Schaden zufügt, sollte der Verursacher dafür haften. Zum Beispiel bei einem Brand, der bei sachgemässer Handhabung hätte vermieden werden können. Müssen dabei in der Folge Reparaturen an gemeinschaftlichen Teilen (z.Bsp. Dach) vorgenommen werden, so sollten diese Kosten nicht einfach dem Erneuerungsfonds belastet werden können. Bei allfälligen Abstimmungen über eine solche Verwendung des Erneuerungsfonds sollte auch ein qualifiziertes Mehr (gegenüber einem einfachen Mehr) der Wertquoten zur Anwendung kommen – allenfalls sogar Einstimmigkeit. Wobei die schadensverursachende Partei dabei kein Stimmrecht haben darf.
    Vielleicht gibt es sogar Literatur dazu, die ich leider nicht gefunden habe.
    Danke!

  2. Es ist verständlich, dass der Anteil eines Erneuerungsfonds von der Eigentümer-Gemeinschaft nicht ausbezahlt werden kann. Nach meiner Ansicht müsste jedoch der Verkäufer bei einer Handänderung der auf seinen Namen lautenden Betrag vom neuen Eigentümer abgegolten werden, vorzugsweise getrennt vom Verkaufspreis, da dieser in einer Steuererklärung auch einzeln aufgeführt ist.
    In unserer Eigentümer-Gemeinschaft von 12 Einheiten haben wir die ausdrückliche Betreuung und Verwaltung des Erneuerungsfonds an drei Miteigentümer übertragen. Das festigt das «Zusammengehörigkeitsgefühl»! Das Jahresergebnis kommt danach im Jahresbericht der Liegenschaftsverwaltung zum Vorschein.

    1. Meine Anwort: 25.08.2020 / K. Leu
      Betreff Erneuerungsfond Ich bin da völlig anderer Meinung! Meistens sind die *Fonds* sowieso zu tief ausgestattet, auch weil die künftigen Unterhalts- und Erneuerungskosten meistens massiv unterschätzt werden! Zudem fallen ja gerade grössere Unterhaltskosten in der Regel in gewissen Zeitinterwallen an und sind nicht immer im Voraus genau Planbar! Der *Fond* sollte immer der Eigentümer-Gemeinschaft gehören und zur deren Verfügung stehen! Ist der Fond schön angewachsen, bedeutet das auch meist, dass schon länger keine grösseren Unterhalts/Erneuerungskosten mehr getätigt wurden! Gleichzeitig war man aber an der Abnützung mitbeteiligt! Also ähnlich wie bei einem Autoabschreiber nach gewisser Nutzungszeit! Ein allfällig neuer Eigentümer zahlt ja dann auch wieder für seine Nutzungszeit den *FondBeitrag* und soll nicht für vorgängige Abnützungen nachzahlen! Somit gibt es hier bei einer Handänderung meiner Meinung nach keine Abgeltungszahlung vorzunehmen!
      Bei einem allfälligen Verkauf zahlt sich ein positiv entwickelter Fond sowieso zum Verkaufsvorteil aus, im Gegenzug kann ein stark *Unterdotierter* sehr zum grossen Nachteil verhelfen! (Preisnachlass am Objekt!) Zur Verwaltung des Fonds, möchte ich nicht, dass einzelne Miteigentümer dazu bemächtigt würden! Das soll die Aufgabe einer seriösen Verwaltung sein und der *Fondinhalt* darf niemals als *Spielgeld irgend welcher Art* benutzt werden! Wichtig ist, dass der Fond immer auf einem selbständigen *Fondkonto* abgerechnet und natürlich ausgewiesen wird!

  3. Herzliche Gratulation zu diesem sachlichen und informativen Artikel. Für viele STWE-Gemeinschaften sicherlich ein Vorteil, wenn alle Mitglieder sich darüber informieren. Problematisch wird es ja, wenn eine Einheit verkauft wird und zuwenig oder gar kein Fondsvermögen vorhanden ist. In den mir bekannten Vergleichsbewertungstools (vulgo hedonische Bewertungen) fehlt in der Abfrage der Erneuerungsfonds. Somit werden unterschiedliche Angebote (mit, ohne oder mit teilweise vorhandenem Erneuerungsfonds) zusammengeworfen und verglichen, was nicht ganz der ursprünglich versprochenen Methodologie (vergleichbare Objekte) entspricht.

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