Chinesisches Geschirr

Was die Schwäche in China für den Westen bedeutet

Auslöser des weltweiten Einbruchs an den Börsen ist die Abwertung der chinesischen Währung Yuan von Mitte August. Seither sind die Schweizer Aktienkurse rund 10 Prozent gesunken. Wir fragen, woher die plötzliche Sorge an den Finanzmärkten kommt.

Ist die heftige Reaktion an der Börse auf die relativ geringfügige Abwertung der chinesischen Währung nicht übertrieben?

Diesen Eindruck könnte man auf den ersten Blick durchaus bekommen. Denn die Abwertung des Yuan gegenüber dem Dollar beträgt weniger als 4 Prozent. Allerdings ist dieser Schritt das Symptom für ein Problem, welches tiefer geht.

Was nun droht, ist die Verschärfung des weltweiten Abwertungswettlaufs bei den Währungen.

Am Anfang dieser Entwicklung standen die Japaner: In den letzten drei Jahren haben sie den Yen gegenüber dem Dollar um rund einen Drittel abgewertet, um ihre Exportwirtschaft zu stützen. Seit diesem Jahr hat auch die Europäische Zentralbank begonnen, den Euro gezielt zu schwächen. (Was unter anderem dazu geführt hat, dass die Schweizerische Nationalbank den Euro-Mindestkurs aufgeben musste.) Bereits im Februar hatten wir hier auf dem Blog darauf hingewiesen, dass damit der Druck auf China stark zunimmt (vgl. Der tiefe Fall des Euro):

«Überdies könnte der Abwertungswettlauf ausser Kontrolle geraten. Ungewiss ist zum Beispiel die Reaktion von China: Lässt das Land den Yuan ebenfalls fallen, wenn sich dort das Wachstum zu rasch abkühlt? Dadurch würde Europa mit noch günstigeren Waren aus China überschwemmt. Und die deflationäre Tendenz, welche die EZB bekämpfen wollte, nähme sogar noch zu.»

Leider hat sich dieses Szenario bewahrheitet. Durch die Abwertung des Yen und des Euro haben sich die Exporte Chinas spürbar abgeschwächt. Es zeigt sich, dass die chinesische Wirtschaft weniger robust ist, als von der Mehrheit der Ökonomen bisher angenommen wurde. Es besteht deshalb die Gefahr, dass die Abwertung des Yuan weiter andauern könnte. Denn wie die damals publizierte Grafik zeigt, müsste der Yuan noch deutlich schwächer werden, um auf das Niveau von Yen und Euro zu kommen.

Grafik "Was die Schwäche in China für den Westen bedeutet"

Wie wichtig ist die Konjunktur in China für die Weltwirtschaft?

Ohne China wäre die weltweite Finanzkrise noch gravierender ausgefallen. Der Beitrag des Landes an das Wachstum der gesamten Weltwirtschaft erreichte in den letzten Jahren rund ein Drittel, zeitweise sogar die Hälfte. China hatte somit die USA als globale Wachstumslokomotive abgelöst. Auch heute noch ist das Wachstumstempo in den USA und Europa zu gering, als dass ein Einbruch in China mühelos zu verkraften wäre.

Werden die westlichen Notenbanken nun Gegensteuer geben, um eine Abschwächung der Konjunktur zu verhindern?

Das Problem ist, dass die Notenbanken ihr vorhandenes Pulver beinahe verschossen haben. Zwar kann die amerikanische Notenbank eine Erhöhung des Leitzinses weiter hinauszögern. Doch in Europa ist die Politik bereits so expansiv, dass die Geldschleusen kaum noch mehr geöffnet werden können. Somit macht die chinesische Abwertung die Stimulierungsmassnahmen der Zentralbanken in Japan und Europa zum Teil wieder zunichte. Das ist das Beunruhigende an der aktuellen Situation:

Die Notenbanken sind mit ihrer Politik offensichtlich an eine Grenze gestossen.

Wenn alle Länder das Heil in einer schwachen Währung suchen, dann beisst sich die Katze in den eigenen Schwanz.

Was bedeutet die Entwicklung für die Schweiz?

Bis der Einbruch an den Finanzmärkten auf die breite Wirtschaft übergreift, braucht es deutlich länger. Was wir jetzt erleben, ist somit nur ein erstes Warnsignal. Ich gehe davon aus, dass die Behörden in Peking mit dezidierten Eingriffen die Lage unter Kontrolle behalten können. Dies hatten sie bereits während der Finanzkrise 2008 erfolgreich getan. Doch mittelfristig steht das Land vor enormen Herausforderungen: Die staatlichen Investitionen haben zu Überkapazitäten namentlich in der Stahlindustrie oder im Schiffsbau geführt. Auch im Immobiliensektor und bei der Infrastruktur, zum Beispiel beim Bau von Flughäfen, besteht die Gefahr einer Blase. Dass die Börsenkurse in den letzten Tagen so stark ausgeschlagen haben, ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Obwohl ich eine Normalisierung in den nächsten Wochen als wahrscheinliches Szenario einstufe:

Die gegenwärtigen Turbulenzen zeigen, dass das chinesische Wirtschaftswunder der letzten Jahrzehnte definitiv zu Ende geht.

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Ein Kommentar über “Was die Schwäche in China für den Westen bedeutet”

  1. Schon der Verbund mehrerer Länder in eine Währung wie der Euro bringt unlösbare Probleme. Die regionalen Gegebenheiten sind unterschiedlich. Könnte Süd-Italien abwerten könnten sich lokale Schwächen glätten. Einfach durch Kursanpassungen regionaler Märkte.
    Die grossen Länder erdrücken die kleinen.
    Ich bin ein Laie. Aber auch die Fachleute haben keine Lösung. Mit dem Computer währen lokale Währungen einfach zu verwalten.

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