Am Lagerplatz 24 in Winterthur erhebt sich der Rote Würfel – ein ikonisches Gebäude, das u.a. dank Unterstützung vom Migros-Pionierfonds Nachhaltigkeit und modernes Arbeiten vereint. Die ungewöhnliche Bauweise setzt auf recycelte Materialien und ist ein Beispiel für Kreislaufwirtschaft im Bausektor. Sascha Völki, Grafikdesigner und Co-Working-Mieter der ersten Stunde, erzählt, wie es sich anfühlt, in einem solch besonderen Upcycling-Gebäude zu arbeiten und warum es für ihn ein inspirierender Ort ist.
Darum geht es
– Der Rote Würfel gilt als nachhaltiges Upcycling-Gebäude
– 70 Prozent der Bauteile bestehen aus wiederverwendetem Material
– Kreatives und familiäres Arbeitsumfeld mit Co-Working-Space
– Unterstützt durch den Migros-Pionierfonds und die Migros Bank
Kreislaufwirtschaft als Grundlage für kreatives Arbeiten
Der Rote Würfel, auch bekannt als Gebäude K.118, ist ein nachhaltiges Modellprojekt am Lagerplatz 24 in Winterthur. Über 70 Prozent der verbauten Materialien stammen aus abgerissenen Gebäuden: Die Fenster, die nun in den Büros die Aussicht auf den Lagerplatz einrahmen, gehörten einst zu einem Sulzer-Gebäude, und die Aussentreppe diente zuvor als Fluchttreppe eines Zürcher Bürokomplexes. Der Ansatz der Architekten: Wiederverwenden statt wegwerfen. Das heisst: Mit Unterstützung des Förderprojekts Zirkular des Migros-Pionierfonds – und damit auch der Migros Bank – soll die Wiederverwendung von Bauteilen in der Schweizer Bauwirtschaft zum Standard werden. Das spart aber nicht nur Ressourcen und CO₂-Emissionen. Upcycling-Gebäude erhalten so auch einen unverwechselbaren Charakter – ein Aspekt, der die Mieterinnen und Mieter im K.118 täglich inspiriert.
Ein inspirierender Lieblingsplatz
Sascha Völki schätzt besonders die einzigartige Atmosphäre, die das Gebäude vermittelt, und die urbane Aussicht über das einstige Sulzer-Werkgelände. «Unser Büro liegt im 4. OG. Da nutze ich die Aussentreppe gleich gern für ein bisschen Morgensport.» Sein Lieblingsplatz? «Ganz klar, das holzumfasste Fenster hinter meinem Schreibtisch. Auf dem breiten Fensterbrett mache ich es mir oft gemütlich und lasse meinen Blick über den Lagerplatz schweifen – in der Hoffnung, dass frische Ideen zurückkommen.»
Tatsächlich ist Holz hier allgegenwärtig und für Völki klar massgebend für das angenehme Raumklima. «Es ist nicht nur die absorbierende Wirkung von Holz, sondern auch die Optik – Holz beruhigt rein visuell. Dazu kommt noch der feine Duft. Auch nach vier Jahren riecht es hier noch wie in einem Chalet.»
Ein Ort mit Charakter
Die sichtbaren Gebrauchsspuren an den wiederverwendeten Materialien verleihen dem Raum einen lebendigen Charme und sorgen für eine entspannte, kreative Atmosphäre. «Bei uns, in unserer Bürogemeinschaft, ist alles etwas ‹rougher›. Der Boden ist nicht neu, sondern schon gebraucht. Auch die Wände, Decken, Fenster und Türen erzählen alle eine Geschichte. So entsteht ‹Charakter› und das Büro wird eher zum Wohlfühlort», erklärt Völki. Besonders inspirieren ihn die kleinen Details am Gebäude, wie zum Beispiel die alte Linie an der Decke: «Keine Ahnung, wofür die einst ein Zimmermann gezogen hat. Aber ich schau sie gern an und lass meine Gedanken fliessen.»
Synergien durch Zusammenarbeit und Austausch
Der Rote Würfel bietet nicht nur viel Raum für individuelle Entfaltung, sondern auch für gemeinschaftliche Projekte und den Austausch unter Kreativen. Die Arbeitsgemeinschaft am Lagerplatz umfasst verschiedene Disziplinen – von Text, Video und Grafikdesign bis hin zu Licht- und Farbgestaltung.
Nicht nur im 4. OG wird der interdisziplinäre Austausch gepflegt. Das ganze Gebäude lädt dazu ein. «Irgendwann hatte ich dann die Idee, Spoken-Word-Veranstaltungen zu organisieren und Kunden, Freunde, Bekannte und neue Gesichter dazu einzuladen», so Völki. «Entstanden ist mit lagerplatz24.ch eine lose Veranstaltungsreihe mit Ticketing und Barbetrieb. Ein schönes Projekt, das uns als Bürogemeinschaft noch näher zusammengeschweisst hat.» Die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit ist fliessend. «Wir sind mehr als eine Zweckgemeinschaft. Meine Büro-Gspänli sind mittlerweile auch Freunde.»
Nachhaltigkeit als Lebenseinstellung
Das zirkuläre Konzept des Roten Würfels beeinflusst nicht nur die Architektur, sondern auch die Einstellung der Mieterinnen und Mieter zur Nachhaltigkeit. Für Sascha Völki hat das Arbeiten in einem Upcycling-Gebäude seine Denkweise verändert: «Bevor ich zu Hause etwas wegwerfe, überlege ich jetzt, ob ich das nicht doch wiederverwenden oder recyceln kann.»
Der Rote Würfel ist damit nicht nur ein Arbeitsplatz, sondern auch ein Ort, der zu nachhaltigem Handeln anregt und das Bewusstsein für die Schonung der Ressourcen stärkt. «Ich werkle beispielsweise gern rum, hübsche alte Dinge auf und gestalte daraus etwas Neues. So habe ich beispielsweise Stunden damit verbracht, stark verwitterte Sitzbänke abzuschleifen und neu zu lasieren – perfekt für unseren Rooftop.»
Ein Modell für die Zukunft
Fakt ist: Baumaterialien sind für rund 10 Prozent der hiesigen CO₂-Emissionen verantwortlich – insbesondere die Herstellung von Stahl und Beton bedarf gigantischer Mengen Energie. Dennoch werden in der Schweiz jährlich 3000 bis 4000 Häuser abgerissen, wodurch jede Sekunde 500 Kilogramm Bauabfall voller grauer Energie entsteht. Nur ein Bruchteil davon wird weiterverwendet. Höchste Zeit, dass sich dies ändert.
Sascha Völki spinnt den Gedanken für sich noch weiter. «Wie schön wäre es, wenn ich als Privatperson für die Renovation meines Badezimmers anstatt zum Baumarkt einfach zum Baumaterial-Lager gehen könnte, um ein Lavabo zu holen? Als kreativer Mensch würde ich die Herausforderung lieben und aus etwas vermeintlich Hässlichem, durch den neuen Kontext etwas Schönes, Sinnvolles erschaffen.»
Projektinfos
- Architektur: baubüro in situ, Zürich
- Projektbeteiligte: Oberli Ingenieurbau (Bauingenieur); Josef Kolb, Stefan Signer (Holzbauingenieur); Russo Haustechnik-Planung (HLKS Planung); Zehnder Holz und Bau (Holzbau); Wetter, Marc Kreissig (Stahlbau)
- Bauherr/in: Stiftung Abendrot, Basel
- Standort: Lagerplatz 24, 8400 Winterthur, Schweiz
- Fertigstellung: 2021
Migros Pionierfonds – Starthilfe für Pionierinnen und Pioniere
Der Migros-Pionierfonds sucht und unterstützt seit dem Jahr 2012 Start-ups, die nachhaltige Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen entwickeln. Der Fonds unterstützt mutige Ideen, die einen systemischen Wandel in Richtung einer zukunftsfähigen Gesellschaft anstreben. Aktuell unterstützt der Fonds rund 50 Start-ups, insgesamt haben seit seiner Gründung bereits über 130 Projekte profitiert. Der Migros-Pionierfonds verfügt jährlich über rund 18 Millionen Franken und wird von Unternehmen der Migros-Gruppe wie Denner, Migros Bank, Migrol, Migrolino und Exlibris getragen.