Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie werden im Schweizer Baugewerbe auch 2021 spürbar sein. Mittelfristig sind die Perspektiven aber robust. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts BAK Economics im Auftrag der Migros Bank.
Dies ist ein Gastbeitrag von Michael Grass und Marco Vincenzi
Das Baugewerbe ist eine bedeutende Branche der Schweizer Wirtschaft. Im Jahr 2019 erwirtschaftete die Baubranche mit rund 34 Mrd. CHF gut 5 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung und stellte rund 8 Prozent aller Arbeitsplätze (330’000 Vollzeitäquivalente).
Von besonderer Bedeutung ist das hohe Investitionsvolumen: Rund 70 Mrd. CHF fliessen jährlich in Bauprojekte. BAK Economics differenziert dabei vier Sparten, auf welche sich dieses Investitionsvolumen aufteilt.
Die mit Abstand wichtigste Sparte ist der Wohnbau mit dem Neu- und Umbau von Ein- und Mehrfamilienhäusern. Im Jahr 2019 floss gut die Hälfte der gesamten Bauinvestitionen in den Wohnbau. Der Infrastrukturbau (Spitäler, Bildungsbauten) und der Betriebsbau (Bürogebäude, Geschäftsflächen, Fabriken) werden mit dem Wohnbau gemeinhin als Hochbau zusammengefasst und sind von ihrem Investitionsvolumen her vergleichbar (Anteil von je rund 15 Prozent). Die vierte Sparte ist der Tiefbau (Strassen, Schienen) mit rund 20 Prozent des Investitionsvolumen.
Der Infrastruktur- und der Tiefbau werden überwiegend durch öffentliche Institutionen finanziert. Dagegen wird der Wohnbau zu über 90 Prozent von privaten Investoren getragen. Ähnlich hoch fällt die Bedeutung von privaten Investoren im Betriebsbau aus. Dies hat Konsequenzen für die konjunkturelle Entwicklung der Bausparten. Während öffentliche Sparprogramme bzw. Konjunkturpakete tendenziell stärker den Tief- und Infrastrukturbau betreffen, wirken sich marktwirtschaftliche Schwankungen stärker auf den Betriebs- und Wohnbau aus.
Wachstum reale Bruttowertschöpfung
Der Wohn- und Infrastrukturbau dominierten die Investitionsentwicklung
Der Infrastrukturbau verzeichnete in den letzten zehn Jahren ein starkes annualisiertes Wachstum von 3,9 Prozent. Diese Entwicklung wurde zu einem grossen Teil durch den Sozialbau (bspw. Spitäler) und Bildungsbau getragen. Aufgrund von nahezu stagnierenden Infrastrukturbauaufwendungen in den 2000er und einer gleichzeitig kräftig wachsenden Bevölkerung hatte sich ein deutlicher Nachholbedarf angestaut, der in den letzten zehn Jahren abgebaut wurde.
Im Wohnbau löste zunächst die rege Zuwanderung eine hohe Nachfrage nach Wohnfläche aus und sorgte zwischen 2009 und 2017 für einen jährlichen Zuwachs der Bauausgaben von durchschnittlich rund drei Prozent. Zusätzlich führte das tiefe Zinsniveau zu einem «Anlagenotstand». Insbesondere institutionelle Anleger haben daher in zunehmendem Masse in den Schweizer Immobilienmarkt investiert, was vor allem den Bau von Mietwohnungen angekurbelt hat.
In den anderen Sparten war der «Bauboom» der letzten Dekade weniger ausgeprägt als im Infrastruktur- bzw. Wohnbau. Im Betriebsbau wie auch im Tiefbau wurde nur ein Wachstum von 1,2 Prozent erreicht.
Zyklische Abkühlung der Baukonjunktur
Gemäss BAK-Schätzungen gingen die realen Bauinvestitionen im vergangenen Jahr um -1,5 Prozent zurück. Während sich der Tiefbau mit einem Plus von 3,0 Prozent zu einer Stütze entwickelte, kam es im Hochbau zu einer Kontraktion von -2,7 Prozent. Diese Entwicklung muss differenziert betrachtet werden: Die getroffenen Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie schränkten die Effizienz des Baustellenbetriebes zwar schweizweit ein. 2020 prägte jedoch überwiegend der Rückgang im Wohnbau die Hochbauentwicklung. Steigende Leerstände führen bereits seit 2018 zu einer Abnahme bei den Baugesuchen von neuen Wohnbauprojekten. Das Minus der Hochbauinvestitionen stellt somit teilweise einen zyklischen Rückgang dar, der nicht der Covid-19 Pandemie zuzuschreiben ist.
Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie werden im Baugewerbe auch 2021 noch zu spüren sein. Dies gilt in besonderem Masse für den Betriebsbau, da einige Branchen erheblich unter den Folgen der Pandemie leiden. Zusätzlich belastet die Covid-19-bedingte tiefere Zuwanderung die Nachfrage im Wohnbau.
Der Infrastrukturbau hat aufgrund des «Baubooms» der letzten Jahre bereits ein hohes jährliches Bauvolumen erreicht. Aktuell fehlt es an zusätzlichen Impulsen, da neue Grossprojekte überwiegend die wegfallenden Investitionen von fertiggestellten Bauprojekten kompensieren. Dadurch verzeichnet auch der Infrastrukturbau im aktuellen Jahr ein Minus. Die Finanzierung im Tiefbau gilt aufgrund der bestehenden Fonds dagegen als überwiegend gesichert.
Für das Jahr 2021 resultiert insgesamt eine Verlangsamung des Rückganges der Investitionstätigkeit auf -0,5 Prozent. Der Rückgang der Bauaktivität wird sich im aktuellen Jahr auf dem Arbeitsmarkt in Form eines Beschäftigungsrückgangs von 1,0 Prozent bemerkbar machen. Gleichzeitig rechnen wir beim Wachstum der Wertschöpfung mit einem leichten Plus (0,7 Prozent), was jedoch nur eine Kompensation der Kurzarbeitseffekte in der Wertschöpfung des Vorjahres darstellt.
Corona beschleunigt strukturelle Trends
Im Detailhandel haben die Digitalisierung und der E-Commerce durch die Pandemie einen deutlichen Sprung erlebt. Für die Bauwirtschaft bedeutet dies höhere Investitionen in Lagerhallen sowie eine stärkere Konzentration auf Umbauten, da Kaufhäuser und Detailhandelsflächen an neue Nutzungskonzepte angepasst werden müssen.
Die Erfahrungen mit dem Home Office werden die Arbeitsmodelle langfristig prägen, wodurch auch in einer Post-Corona-Schweiz mit höheren Home-Office-Pensen zu rechnen ist.
Wachstum Beschäftigung (FTE)
Diese Entwicklung wird die Nachfrage nach Büroflächen beeinträchtigen. Wie stark, ist momentan jedoch nur schwer einzuschätzen. Klar ist, dass in diesen finanziell herausfordernden Zeiten Unternehmen die Büroflächennutzung aus Kostengründen überdenken werden. Andererseits werden sich aber auch die Anforderungen an Büroflächen verändern (bspw. Konferenzräume, Mitarbeiterräume, usw.). Zudem steigt die Beschäftigung in bürointensiven Berufen mittelfristig weiter an. In der Summe rechnen wir mittelfristig trotz mehr Home-Office mit steigenden Investitionen im Bürobau.
Nachfrage verschiebt sich
Vermehrtes Home-Office hat auch direkte Auswirkungen auf den Wohn-Immobilienmarkt. Verschiedene Umfragen zeigen, dass sich durch das Home-Office die Ansprüche an die eigene Wohnsituation, sowohl bezüglich der Wohnfläche als auch der Wohnumgebung, erhöht haben. Weiter werden durch Home Office auch höhere Pendlerzeiten in Kauf genommen, was die Nachfrage nach Wohnobjekten von Grosszentren hin zu peripheren Lagen verschieben wird.
Nicht von der Corona-Pandemie betroffen ist hingegen der Trend zu mehr CO2-Einsparungen im Gebäudebereich. Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden werden auch mittelfristig steigen und die Baubranche mit einer zunehmenden Nachfrage nach Umbau- und Sanierungsarbeiten versorgen.
Wachstum Bauinvestitionen
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die mittelfristigen Perspektiven für den Bau (2022 bis 2026) als robust eingeschätzt werden. Neben den beschriebenen Trends wirkt auch das Wirtschaftswachstum stützend, das wieder das langfristige Wachstumspotenzial (1,8% p.a.) erreichen wird. Weiterer Rückenwind kommt von den Zinsen, die aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie länger auf tiefem Niveau bleiben werden.