Greenwashing im Schweizer Finanzsektor?

Nachhaltige Finanzanlagen boomen. Im Zuge internationaler Initiativen zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Förderung nachhaltiger Entwicklung rücken nachhaltige Anlageformen immer stärker in den Fokus der Finanzwirtschaft und der Investorinnen und Investoren. Dies birgt jedoch auch die Gefahr, dass nicht überall, wo grün draufsteht, auch grün drin ist.

Grün sein ist im Trend – auch in der Finanzwirtschaft. Der Markt für nachhaltige Finanzanlagen, auch Sustainable Finance genannt, hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Laut dem Global Sustainable Investment Review 2022 sind Investitionen in nachhaltige Anlageformen wie grüne Anleihen, Impact Investments, nachhaltige Fonds und ESG-Investments weltweit auf 30,3 Billionen Dollar angewachsen. Zum Vergleich: Das jährliche Bruttoinlandsprodukt der Vereinigten Staaten im gleichen Jahr belief sich auf rund 25,5 Billionen Dollar. Dies verdeutlicht die immense Bedeutung und das Wachstumspotenzial nachhaltiger Investitionen im globalen Finanzmarkt.

Allerdings wird die zunehmende Popularität von grünen Lösungen oft auch missbraucht, um wirtschaftliche Vorteile zu erzielen und das Vertrauen von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu gewinnen, die Wert auf Nachhaltigkeit legen – Stichwort Greenwashing.

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Doch woher kommt der Begriff überhaupt?

Der Begriff «Greenwashing» wurde bereits in den 80er Jahren geprägt. Jay Westerveld, ein amerikanischer Umweltschützer, verwendete den Begriff 1986 in einem Aufsatz, den er nach einer Forschungsreise schrieb. Dabei bemerkte er in einem Resort auf den Fidschi-Inseln ein Schild, das die Gäste aufforderte, ihre Handtücher wiederzuverwenden. Westerveld sah darin eine Ironie, da das Hotel zur gleichen Zeit expandierte und wenig Rücksicht auf die Natur nahm. Seitdem wird der Begriff verwendet, um unehrliche Praktiken zu beschreiben, mit denen Unternehmen sich einen grüneren Anstrich geben wollen.

Beispiele für Greenwashing finden sich seit den 80er Jahren viele. So machte Volkswagen 2015 Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass Emissionstests manipuliert wurden, um Fahrzeuge umweltfreundlicher erscheinen zu lassen. Ein weiteres Beispiel war BP, das trotz seiner Werbung als Umweltvorreiter weiterhin massiv in fossile Brennstoffe investierte. Auch McDonald’s geriet in die Kritik, als es 2019 seine Plastikstrohhalme durch Papierstrohhalme ersetzte – die jedoch auch nicht recycelt werden konnten.

Bei Finanzprodukten liegen die Risiken von Greenwashing in der Kommunikation der Nachhaltigkeitseigenschaften der Anlageprodukte, wie beispielsweise die Ausschlusskriterien. Wird Anlegerinnen und Anlegern zu viel versprochen und am Ende nicht eingehalten, entsteht Greenwashing.

Risiken des Greenwashing laut Bundesrat

Greenwashing kann ebenso schädlich für einen Finanzplatz sein. So benennt der Bundesrat die Risiken von Greenwashing in einer Medienmitteilung vom 16. Dezember 2022 klar:

  • Täuschung von Kunden und Investoren: Finanzprodukte und -dienstleistungen werden als nachhaltiger dargestellt, als sie tatsächlich sind.
  • Rechtliche und reputationsbedingte Risiken: Finanzinstitute können rechtliche Strafen und erheblichen Reputationsverlust erleiden.
  • Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte: Das Vertrauen in nachhaltige Finanzprodukte wird untergraben, was die Funktionsfähigkeit der Märkte beeinträchtigt.
  • Kapitalströme könnten in nicht nachhaltige Tätigkeiten fliessen: Dies erschwert die Erreichung internationaler Nachhaltigkeitsziele.

Bemühungen gegen Greenwashing im Schweizer Finanzsektor

Um die Risiken für den Schweizer Finanzplatz zu minimieren, beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD). Dieses sollte in Zusammenarbeit mit verschiedenen Bundesämtern, der FINMA, der Finanzbranche und Nichtregierungsorganisationen Massnahmen zur Prävention von Greenwashing prüfen. Im Oktober 2023 kündigte das EFD an, eine Vorlage zur Umsetzung des Bundesratsstandpunkts zu erarbeiten.

Nach der Auswertung der Beiträge von verschiedenen Interessengruppen und Experten beschloss das EFD, eine staatliche Regulierung auf Verordnungsstufe zu erarbeiten. Diese Massnahmen sollen auf Prinzipien beruhen und die Konsumentinnen und Konsumenten vor Greenwashing schützen. Sollte die Finanzbranche jedoch eine effektive Selbstregulierung vorlegen, die den Standpunkt des Bundesrates umsetzt, wird das EFD von weiteren staatlichen Massnahmen absehen.

Fortschritte und Herausforderungen

Am 19. Juni 2024 entschied der Bundesrat, vorerst auf eine staatliche Regulierung zu verzichten. Gemäss der Medienmitteilung, in welcher er die Fortschritte bei der Bekämpfung von Greenwashing anerkennt, wurde die Entscheidung von den dynamischen Entwicklungen in der internationalen Regulierung und der bedeutenden Rolle des europäischen Marktes für den Schweizer Finanzplatz beeinflusst. Gleichzeitig erkannte der Bundesrat die weiterentwickelten Selbstregulierungen der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg), der Asset Management Association Switzerland (AMAS) und des Schweizerischen Versicherungsverbands (SVV) an, die darauf abzielen, Greenwashing zu verhindern. Diese Massnahmen werden mit einer Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2027 umgesetzt.

Die neuen Selbstregulierungsmassnahmen würden wichtige Anforderungen umsetzen. Dazu gehören die Definition von nachhaltigen Anlagezielen, die Beschreibung der angewendeten Nachhaltigkeitsansätze, die Rechenschaftspflicht darüber und die Prüfung der Umsetzung durch einen unabhängigen Dritten, so der Bundesrat in der Medienmitteilung. Der Bundesrat beauftragte jedoch das EFD, den Handlungsbedarf hinsichtlich einer umfassenden Umsetzung seiner Position neu zu bewerten, sobald die EU Änderungen ihrer Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFDR) veröffentlicht hat.

Transparenz ist der Schlüssel zur Bekämpfung von Greenwashing

Mit den weiterentwickelten Selbstregulierungen wird Transparenz grossgeschrieben. Die Banken müssen, die im Anlageprozess angewandten Nachhaltigkeitskriterien veröffentlichen und mindestens jährlich darüber Bericht erstatten. Anlegerinnen und Anleger können bei Zweifel drei konkrete Schritte unternehmen:

  • Als Erstes können die veröffentlichen Nachhaltigkeitskriterien geprüft werden. Gleichzeitig können Anlegerinnen und Anleger sicherstellen, dass diese auch verstanden wurden. Unabhängig von Greenwashing können sie sich fragen, ob die Kriterien ihrer Vorstellung von Nachhaltigkeit entsprechen. Bei der Migros Bank sind die Nachhaltigkeitskriterien im übersichtlichen Merkblatt zu Nachhaltigkeit im Anlagegeschäft aufgeführt.
  • In einem zweiten Schritt kann der Nachhaltigkeitsbericht verlangt und studiert werden. Sind die relevanten Nachhaltigkeitskriterien aufgeführt und stimmt dies mit den kommunizierten Kriterien überein? Bei der Migros Bank führen wir neben den Nachhaltigkeitskriterien für den Anlageprozess noch weitere wichtige Umweltkennzahlen wie beispielsweise die Treibhausgasintensität auf. Wir orientieren uns hierbei an den Empfehlungen des Bundesrats zu den Swiss Climate Scores.
  • Zu guter Letzt können die grössten Positionen in den Produkten geprüft werden. Fallen hier besonders kontroverse Unternehmen auf, sollte mit der Kundenberaterin bzw. dem Kundenberater geklärt werden, warum diese Firmen den Nachhaltigkeitskriterien der Bank entsprechen.

Mit diesen einfachen Schritten können Anlegerinnen und Anleger sicherstellen, dass die gewählte Anlagelösung auch den eigenen Anspruch an Nachhaltigkeit erfüllt.

Quellen:

Global Sustainable Investment Review 2022

US-Bruttoinlandprodukt

Die Geschichte und Definition von Greenwashing

Greenwashing Skandale

Regulation von Greenwashing im Schweizer Finanzsektor

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