Finanzwort des Jahres Jury

«Nullzinspolitik» ist das Finanz-Wort des Jahres

Eine Jury aus Finanzexperten hat «Nullzinspolitik» zum Schweizer Finanz-Wort des Jahres gekürt. Die Wahl aus 250 Einsendungen erfolgte unter Federführung des Finanzportals finews.ch und der Migros Bank.

Ursprünglich war die Nullzinspolitik der Notenbanken als kurzfristige Feuerwehrübung auf dem Höhepunkt der Finanzkrise gedacht. Deutlicher denn je zeigt sich nun aber: Die Nullzinspolitik wird unsere Wirtschaft noch auf Jahre hinaus dominieren.

Deshalb hat eine Jury aus fünf Schweizer Finanzexperten den Begriff «Nullzinspolitik» zum Finanz-Wort des Jahres 2014 gekürt.

Jurymitglied Oswald Grübel (Bildmitte) begründet die Wahl wie folgt: «Die Nullzinspolitik bedeutet eine tiefgreifende Veränderung für uns alle. Dieses Bewusstsein muss sich in der breiten Öffentlichkeit erst noch entwickeln.» Als wichtigste Folge bezeichnet der ehemalige CEO von UBS und Credit Suisse die riesige Umverteilung: «Wer Schulden macht, profitiert. Ganze Staaten geraten so in Versuchung, sich praktisch zum Nulltarif weiter zu verschulden. Das kann nicht die Lösung sein.» Als warnendes Beispiel nennt Grübel Japan, das den Leitzins bereits vor 15 Jahren ein erstes Mal auf null gesenkt hatte. Dort erreicht die Staatsverschuldung mittlerweile 250 Prozent des Bruttoinlandprodukts.

Finanzprofessorin Sita Mazumder (Zweite von rechts) betont den negativen Effekt für Sparer und Rentenempfänger: «Die Nullzinspolitik führt über kurz oder lang zu einer Geldentwertung.» Die Ökonomin gibt ausserdem zu Bedenken, dass eine ultralockere Geldpolitik die wirtschaftlichen Probleme nicht lösen könne: «Damit wird die Wirtschaft in ein künstliches Koma versetzt. Und durch den verzögerten Strukturwandel riskieren wir, dass sich die Ungleichgewichte noch weiter verstärken.»

Zu hohe Ansprüche an die Geldpolitik

Der Schriftsteller und Ökonom Michael Theurillat (Erster von links) vergleicht die Nullzinspolitik mit einem Schmerzmittel: «Es lindert die Symptome. Deshalb könnten wir leicht der Illusion verfallen, dass der Patient davon auch gesund wird.» Ein Trugschluss. Theurillat erinnert daran, dass es seit dem Jahr 1800 rund 250 Staatsbankrotte gab. Die Nullzinspolitik werde solche Pleiten sicherlich nicht verhindern können.

Für Claude Baumann (Zweiter von links), Chefredaktor der Online-Plattform finews.ch, ist die Nullzinspolitik eine Absage an die Tugend, Geld auf die Seite zu legen. «Was uns seit der Kindheit eingeschärft wurde, nämlich ‹Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not›, soll nun plötzlich nicht mehr gelten.»

«Die Notenbanken selber haben dazu beigetragen, dass die Erwartungen in ihre Politik immer höher geschraubt wurden», erklärt Albert Steck, der bei der Migros Bank für die Markt- und Produktanalyse zuständig ist. «Doch sind diese Ansprüche an die Geldpolitik inzwischen dermassen hoch, dass Enttäuschungen programmiert sind.» Das beste Zeichen für die Überwindung der Krise wäre es daher, wenn die Geldpolitik ihren übermächtigen Status wieder verlieren würde. So verschwände sie auch aus den Schlagzeilen. Noch aber läuft der Trend in die umgekehrte Richtung.

Das Finanz-Wort 2014 in der Presse:

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  1. Unserer im weltweiten Vergleich sehr tiefen Staatsverschuldung steht die höchste Pro-Kopf-Verschuldung der Privathaushalte gegenüber, v.a. durch Hypotheken. J.P. Roth sagte schon 2002 als Präsident der SNB: „Für die Geldgeber bedeutet dies (die exzessive private Verschuldung) ein nicht zu unterschätzendes Klumpenrisiko. Daraus lässt sich erahnen, wie wichtig das vergleichsweise tiefe Zinsniveau für die Schweiz ist.“ Das heisst im Klartext: Weil das Kartenhaus sonst zusammenbricht, unterstützt die SNB mit Billiggeld das Schuldenbabylon. Das treibt die Inflation massiv an. Diese ist nicht tot, sie tobt sich heute aber statt bei den Konsumgütern bei den Vermögensgütern (Aktien, Immobilien…) aus. Diese Inflation wird nicht im Inflationsindex eingerechnet. Warum? Man könnte plötzlich nicht mehr den Teufel Deflation als Vorwand für das Billiggeld an die Wand malen. Billiggeld führt über die inflationäre Aufwertung der Immobilien um fast 50% in 10 Jahren zu einer gigantischen Umverteilung in Milliardenhöhe. Diese Umverteilung geht von unten nach oben, weil die Reichen die grossen Schulden machen. Im Kanton St. Gallen machen die reichsten 10% zusammen 50% der Schulden. Je mehr Eigenkapital jemand hat, desto mehr Kredit bekommt er, desto höher kann er sich verschulden und durch Inflationierung gewinnen. Natürlich hätte man die Immobilienblase trotz Eurokursproblem schon vor Jahren gezielt und wirksam bekämpfen können, mit einfachen und wohlbekannten Regeln bezüglich Eigenkapital, Amortisation und Schuldzinsabzug. Die SNB runzelt zwar ab und zu die Stirn, etwas Ernsthaftes hat sie aber nicht im Sinn. Beleg: Seit dem 30. September 2013 müssen Banken ihren Hypothekenbestand mit 1% mehr Eigenkapital zu unterlegen. Dadurch steigt der Hypothekarzins um 0.04%. Das entspricht bei einer Immobilie von Fr. 500000 und einer Hypothek von Fr. 400000 dem Wert von 1 Zigarette pro Tag. 1 Zigarette gegen die Immobilienblase – das kann nicht ernst gemeint sein. Auch wenn es seit Juni 2014 sogar 2 Zigaretten sind. So einfach ist die Geldpolitik der SNB zu verstehen: Sie stützt mit Billiggeld das Schulden-Kartenhaus und betreibt knallharte Umverteilungspolitik mit falsch gemessener Inflation und Deflationsgejammer, gedrängt von den Banken und ihrer reichen Lobby. Das weiss sie, schweigt es aber tot.

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