Deutschland hat den Schnupfen

Die deutsche Wirtschaft steckt in einer veritablen Krise. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig und verschwinden nicht so bald. Das belastet die Konjunktur der Eurozone.

Ist Deutschland erkältet, hustet die Eurozone. Etwa so lässt sich die volkswirtschaftliche Bedeutung unseres nördlichen Nachbars für die Währungsunion zusammenfassen. Denn die Bundesrepublik ist unangefochtenes Schwergewicht in Europa. Ihr Anteil am aggregierten Bruttoinlandprodukt (BIP) der Eurozone beträgt rund 30 Prozent. Das ist deutlich mehr als der Beitrag Frankreichs (20 Prozent), der zweitgrössten Euro-Volkswirtschaft, und mehr als doppelt so viel wie jener Italiens.

Dank dieses Gewichts konnte Deutschland in der Vergangenheit wiederholt Wachstumsschwächen der Währungsunion kaschieren. Doch aktuell sind die Vorzeichen umgekehrt. Denn die deutsche Wirtschaft kriselt ungewohnt heftig. Und zwar auf breiter Front. So wird die Konjunktur sowohl von Seite der Unternehmen als auch durch die Konsumnachfrage belastet.

Der Gegenwind weht aus vielen Richtungen

Die Firmen kriegen einerseits immer stärker die schnelle und umfangreiche Zinserhöhung zu spüren und leiden andererseits unter ausbleibenden globalwirtschaftlichen Impulsen. Namentlich die Wachstumsschwäche in China, verbunden mit einer zugenommenen Reserviertheit gegenüber dem Reich der Mitte machen den Unternehmen zu schaffen. So gingen im Vormonatsvergleich die deutschen Ausfuhren nach China im Juni um rund 5,9 Prozent zurück. Gegenüber dem Vorjahr betrugen die Einbussen sogar mehr als 12 Prozent.

Gleichzeitig wird die deutsche Konjunktur immer stärker durch eine zunehmende Konsumzurückhaltung ausgebremst. Diese zeigt sich etwa in den Daten zum Detailhandel, die entgegen den Erwartungen zuletzt einen Rückgang signalisierten. So ging das reale Einzelhandelsvolumen im Juni um 0,8 Prozent gegenüber dem Vormonat zurück. Dies bestätigt den deutlich abwärts gerichteten Trend, der den deutschen Einzelhandel seit letztem Sommer erfasst hat (siehe Grafik).

Die Zurückhaltung der deutschen Konsumentinnen und Konsumenten ist in erster Linie der weiterhin galoppierenden Inflation geschuldet, die sich nur schleppend von ihren Höchstständen zu lösen vermag. Während in der Eurozone die Jahresinflation auf – immer noch deutlich überschiessende – 5,5 Prozent abschwächte, notierte die Teuerungsrate in Deutschland im Juli bei 6,5 Prozent. Bei den Nahrungsmitteln verharrt der jährliche Preisauftrieb mit 11 Prozent sogar weiter im zweistelligen Bereich. Dies markiert zwar eine Halbierung der Inflationsdynamik gegenüber dem Höchststand vom März dieses Jahres. Dennoch wird das Budget der Haushalte immer schmerzhafte belastet. Allein seit letztem Sommer beläuft sich die Nahrungsmittelpreissteigerung auf rund 14 Prozent. Seit Beginn des Inflationsschubs im Januar 2021 sind es mehr als 32 Prozent.

Die KMUs geraten immer stärker unter Druck

Es ist somit nicht verwunderlich, dass in Deutschland die private Konsumnachfrage unter den hohen Preisen leidet. Ebenso wenig überrascht es, dass diese Konsumzurückhaltung vor allem auch im mittelständischen Unternehmenssegment empfindlich zu spüren ist. So verschlechterte sich das Geschäftsklima bei den deutschen Klein- und Mittelunternehmen (KMUs) im Juli zum dritten Mal in Folge und liegt mittlerweile 16,1 Punkte unter der Null-Marke, welche den langfristigen Durchschnitt signalisiert. Die Indexstände bei besonders exponierten Sektoren wie dem Bauhauptgewerbe oder dem Grosshandel notieren sogar bei -21,1, bzw. -29.7 Saldopunkten. Damit rücken die Tiefststände während der Corona-Pandemie wieder in bedrohliche Nähe (siehe Grafik).

Eine deutlich verschärfte Zinssituation, eine nicht annähernd ausreichend gebändigte Inflation und ausbleibende weltwirtschaftliche Impulse: Bei keinem dieser drei Belastungsfaktoren für die deutsche Wirtschaft zeichnet sich eine baldige Entspannung ab. Im Gegenteil – die EZB hat den Zinsgipfel noch nicht erreicht, und die globale Konjunkturlage dürfte sich weiter eintrüben. Das verheisst kurzfristig wenig Hoffnung für die deutsche Wirtschaftsentwicklung. Das BIP, das im zweiten Jahresviertel um 0,6 Prozent gegenüber dem Vorquartal zurückging, wird nur mühselig wieder auf einen soliden Wachstumskurs zurückfinden. Deutschland bleibt vorerst erkältet. Und die Eurozone wird weiter husten.

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