2017 – das Jahr der politischen Märkte

Das Anlagejahr 2017 zeigt uns die schillernde Vielfalt der Börsenwelt und das Spektrum der unterschiedlichen Anlegerreaktionen erneut eindrücklich. Am Ende wissen wir, was wir schon zuvor wussten: Niemand weiss, wohin die Reise kurzfristig geht.

«Oktober. Dies ist einer der besonders gefährlichen Monate, um am Aktienmarkt zu spekulieren», schrieb Mark Twain schon vor mehr als 120 Jahren. In seinem Roman «Pudd’nhead Wilson» liess der amerikanische Schriftsteller den Protagonisten David Wilson gleich nachdoppeln: «Die anderen sind Juli, Januar, September, April, November, Mai, März, Juni, Dezember, August, und Februar.»

Nein, wir wollen uns an dieser Stelle nicht in Schwarzmalerei üben und einen Crash prophezeien, obgleich der Monat Oktober historisch gesehen jeweils einer der schlechtesten Börsenmonate ist. Aber Oktober ist auch der Monat der jährlichen Ausschreibung des «Finanzworts des Jahres»: Die Migros Bank und das Finanzportal finews.ch suchen Ihr Bonmot, Ihren Finanzbegriff, der stellvertretend für das bisherige Finanz- und Börsenjahr 2017 steht.

Politische Börsen haben kurze Beine

Lassen wir 2017 doch kurz Revue passieren. Was zog sich wie ein roter Faden durchs Jahr? Richtig: politische Risiken. Zu Jahresbeginn waren es die vom US-Präsidenten Donald Trump angedrohten Handelskriege, im Frühjahr die Wahlen in den Niederlanden und kurz darauf die Präsidentschaftswahlen in Frankreich, vor denen uns Analysten, Ökonomen und Finanzmedien unermüdlich warnten und sich teilweise in Schreckensszenarien nur so übertrafen.

Besonnene Köpfe beruhigten uns dagegen mit der Durchhalteparole: «Politische Börsen haben kurze Beine.» Weder Niederländer noch Franzosen rückten letztlich nach rechts, sondern erteilten den Börsen-Schreckgespenstern Geert Wilders und Marine Le Pen eine Abfuhr. Statt wie im Vorfeld der Wahlen prophezeit auf Crashkurs, setzten die europäischen Aktienmärkte zu einer Erleichterungsrally an.

Weltaktienmärkte im Zeichen der Politik
Indexiert: 1.1.2017=100; in Schweizer Franken. Quelle: Bloomberg

In der Vergangenheit erwiesen sich Nordkorea-Rücksetzer stets als Kaufchance, auch an der südkoreanischen Börse in Seoul.

Im Spätsommer tauchten die politischen Risiken erneut auf. Wenn Nordkorea seine Drohungen fortsetze, werde diesen mit «Feuer, Wut und Macht begegnet, wie die Welt es so noch nicht gesehen hat», warnte Trump den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un. Der verbale Schlagabtausch schickte die Börsen weltweit auf Talfahrt – allerdings nur kurzzeitig, denn schon im September markierte die Wall Street ein Allzeithoch.

Trotz oder gerade wegen des Säbelrasselns hatte offenbar so mancher Anleger eine weitere Börsenweisheit beherzigt: «Kaufe, wenn die Kanonen donnern». Natürlich wollen wir das Risiko einer militärischen Auseinandersetzung zwischen «The Donald und Super-Kim» nicht verharmlosen, ein Krieg wäre verheerend und würde unsägliches Leid bedeuten. In der Vergangenheit aber erwiesen sich Nordkorea-Rücksetzer stets als Kaufchance, auch am südkoreanischen Aktienmarkt in Seoul. Gerne zitieren wir in diesem Zusammenhang nochmals Mark Twain: «Geschichte wiederholt sich nicht, aber manchmal reimt sie sich.»

Und dazu fällt uns umgehend die «unendliche Geschichte» ein. Nein, nicht der gleichnamige Roman von Michael Ende, sondern Mario Draghis Suche nach dem richtigen Zeitpunkt für den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB).

Ob Befürworter oder Kritiker der unkonventionellen Geldpolitik – in einem Punkt sind sich nämlich alle seit langem einig: Die geldpolitischen Massnahmen der EZB lassen sich nicht ewig fortsetzen. Die Frage nach dem Zeitpunkt des Ausstiegs durch die Reduktion der Anleihenkäufe (Tapering) oder durch erste Erhöhungen der Leitzinsen rückt zusehends in den Fokus, auch vor dem Hintergrund, dass in den USA die Zentralbank einige Schritte voraus ist.

Womöglich kündigt Draghi das Tapering an der EZB-Sitzung vom 26. Oktober an. Mit einer Reduktion der Anleihenkäufe ist aber wohl frühestens ab Anfang 2018 zu rechnen.

„Schneeballsystem, Betrug, Monsterblase“ heisst es zu Bitcoin auf der einen Seite, „grösste Revolution im Weltwährungssystem, angehende Weltleitwährung“ auf der anderen.

Apropos Notenbankpolitik und Geldschwemme – «Ich bin ein grosser Fan von Bitcoin… Die Regulierung der Geldmenge muss entpolitisiert werden», soll der ehemalige amerikanische Vizepräsident und Friedensnobelpreis-Gewinner Al Gore einst gesagt haben. Kaum ein Finanzwort schrieb im bisherigen Jahresverlauf so viele Schlagzeilen wie die virtuelle Währung Bitcoin und deren spektakulären Kursgewinne.

Bitcoin in US-Dollar
Quelle: Bloomberg

Gleichzeitig scheiden sich aber die Geister an der Kryptowährung. «Schneeballsystem, Betrug, Monsterblase» heisst es auf der einen Seite, «grösste Revolution im Weltwährungssystem, angehende Weltleitwährung» auf der anderen. Wie meistens wenn die Meinungen zu einem Thema derart divergieren, liegt die Wahrheit vermutlich irgendwo in der Mitte.

Ebenfalls das Finanzsystem umkrempeln will derweil in der Schweiz die Vollgeld-Initiative, während auf internationaler Ebene die Debatte um die Abschaffung von Bargeld Fahrt aufgenommen hat. Politik wird somit auch über 2017 hinaus ein Thema an den Finanzmärkten bleiben.

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