Im aktuell unsicheren Umfeld sind traditionelle «Safe Haven»-Währungen bei den Anlegern gefragt. Dennoch werden diese Bewegungen nicht nur durch die geopolitischen Spannungen getrieben.
In Krisenzeiten folgen Anlegerinnen und Anleger einem einfachen Muster: raus aus dem Risiko und rein in sichere Häfen. Im Zuge der Ukraine-Krise zeigt sich dieses Muster aber nur bedingt. Zwar ist insbesondere der US-Dollar gefragt. Der ebenfalls als Fluchtwährung geltende japanische Yen steht hingegen unter erheblichem Druck. Dieses uneinheitliche Bild ist den unterschiedlichen Triebfedern des Devisenmarktes geschuldet, die sich teilweise unabhängig von der Ukraine-Krise entwickeln.
Fed-Kurs verleiht dem Dollar Unterstützung
Die Bewegung im US-Dollar verhält sich, wie es bei geopolitischen Krisen zu erwarten ist: Der Greenback profitiert nicht nur von seiner Rolle als weltweit wichtigste Transaktionswährung, sondern auch vom forschen Zinsnormalisierungstempo, das die Fed immer deutlicher skizziert. Die US-Notenbank ist gewillt, der galoppierenden Inflation mit allem Nachdruck den Kampf anzusagen. Fed-Chef Jerome Powell machte zuletzt unmissverständlich klar, notfalls auch mit der Zinserhöhung fortzufahren, wenn dies einen dämpfenden Effekt auf das Wirtschaftswachstum haben sollte. Damit bleibt der Dollar alleine aufgrund der sich weiter öffnenden Zinsdifferenz zu anderen Industriestaaten attraktiv. Weil aber die Zinserhöhungen bereits zu einem grossen Teil eingepreist sind, dürfte sich der zusätzliche Terraingewinn des Dollars im weiteren Jahresverlauf verlangsamen.
Japanischer Yen: Ausnahmsweise keine Fluchtwährung
Krisenunabhängige Faktoren überwiegen auch bei der Entwicklung des japanischen Yen. In Japan ist die Inflation im Vergleich zu anderen Industriestaaten weiterhin sehr tief. Im März lag sie bei gerademal 1,3 Prozent. Zwar bedeutet eine nachhaltig niedrige Inflationsrate, dass die Kaufkraft einer Währung stabil bleibt und kein teuerungsinduzierter Abwertungsdruck zu erwarten ist. Dies sollte dem Yen eigentlich Aufwind verleihen. Die Kehrseite der Medaille wiegt aber offenbar schwerer: Angesichts der tiefen Inflation in Kombination mit der nur schleppend verlaufenden Konjunkturerholung liegt eine Zinserhöhung in sehr weiter Ferne. Entsprechend unter Druck befindet sich Japans Währung, was sich auch für den Fall einer geopolitischen Entspannung nur geringfügig ändern dürfte.
Frankenstärke zum einen, Euro-Schwäche zum anderen
Anders sieht die Situation beim Schweizer Franken aus. Der Franken befindet sich gegenüber dem Euro im Höhenflug. Das hat einerseits mit seiner Rolle als Fluchtwährung zu tun. Andererseits wird die Gemeinschaftswährung durch die hohe europäische Abhängigkeit von russischen Rohstoffen belastet. Dies führt dazu, dass der EUR/CHF-Wechselkurs auf dem tiefsten Niveau seit sieben Jahren notiert und zwischenzeitlich sogar an der Parität kratzte. Auch wenn die EZB in der zweiten Jahreshälfte eine Zinsstraffung ins Auge fasst, dürften die anhaltenden konjunkturellen Sorgen in der Eurozone ein starkes Nachlassen des Abwertungsdrucks auf den Euro verhindern. Eine nachhaltige Erholung des EUR/CHF-Wechselkurses über 1,05 zeichnet sich somit für dieses Jahr nicht ab. Auch weil die Sichteinlagen bei der SNB darauf schliessen lassen, dass die Nationalbank die Frankenaufwertung nicht annähernd mit solch umfangreichen Devisenmarktinterventionen bekämpft, wie sie dies beispielsweise während der ersten Corona-Welle tat (siehe Grafik).