Vererben 2.0: Ihr digitaler Nachlass

Online-Banking, Social Media, iTunes – heute spielt sich ein grosser Teil unserer täglichen Aktivitäten im Internet ab. Was passiert mit all den Daten nach unserem Tod? Unser digitaler Nachlass ist umfangreich und gleichzeitig komplex.

(aktualisiert am 19.04.2024)

Bei Ihrem Ableben vermachen Sie Ihren Erben nicht nur Geld- und Sachwerte. Sie hinterlassen auch jede Menge Bits und Bytes, denn ein immer grösserer Teil unseres Lebens findet online statt. Pascal beispielsweise besteigt in der einen Hälfte seiner Freizeit begeistert Berggipfel, in der andern berichtet er via Facebook ausführlich über seine Touren. Dann plötzlich verunfallt er tödlich. Einen Monat später erhalten die Facebook-Follower eine Erinnerung an seinen Geburtstag. Wer von seinem Tod nichts mitbekommen hat, gratuliert ihm – mit den besten Wünschen für weitere abenteuerliche Touren.

Eine solche Situation ist aufwühlend für die Hinterbliebenen. Nicht nur mit Blick auf die Angehörigen sollten Sie sich bereits zu Lebzeiten um Ihren digitalen Nachlass kümmern. Ein weiterer Grund ist, dass Sie mit frühzeitigen Massnahmen selbstbestimmt entscheiden können, was dereinst mit Ihren Inhalten auf den sozialen Medien geschehen soll. Die rechtliche Lage nach Ihrem Tod ist nämlich vertrackt.

Was umfasst Ihr digitaler Nachlass?

Sind digitale Daten auf einem physischen Datenträger wie z.B. auf einem Computer oder auf einem USB-Stick gespeichert, fallen sie zusammen mit dem Datenträger und allen anderen vererblichen Gegenstanden und Vermögenswerten in den Nachlass. Ebenfalls Teil des Nachlasses sind digitale Daten, die zwar nicht auf physischen Datenträgern gespeichert sind, sondern im Internet bzw. in einer Cloud, die aber Vermögenswerte darstellen – z. B. Paypal-Kontoguthaben und Kryptowährungs-Wallets.

Nicht Teil des Nachlasses sind dagegen digitale Daten, die weder auf physischen Datenträgern gespeichert sind noch Vermögenswerte verkörpern – z. B. die Inhalte auf den sozialen Medien oder die Fotos in einem Cloud-Dienst wie Dropbox. Es handelt sich in aller Regel um persönlichkeitsbezogene Belange, die nicht vererbbar sind und auf die die Hinterbliebenen folglich keinen Anspruch anmelden können.

Ernennen Sie einen «digitalen Willensvollstrecker»

Weil die Persönlichkeit mit dem Tod endet, haben auch Sie als Erblasser keinen Anspruch auf Persönlichkeitsschutz über Ihren Tod hinaus. Wenn Sie diesen wollen, müssen Sie dafür bereits zu Lebzeiten vorsorgen. So ist in Ihrem Testament (oder in Ihrem Erbvertrag) eine Person zu bestimmen, die sich um die Handhabung Ihrer digitalen Daten kümmert. Umgangssprachlich wird diese Person oft als «digitaler Willensvollstrecker» bezeichnet. Das ist allerdings kein juristischer Begriff, und er sollte daher im Testament (bzw. im Erbvertrag) vermieden werden.

Legen Sie stattdessen Wert darauf, die Aufgaben möglichst genau zu umschreiben. Beispielsweise: «Ich beauftrage meine Tochter Petra, meine Social-Media-Profile auf Facebook und Twitter zu löschen. Zudem soll sie meine E-Mails auf den Accounts von Bluewin und GMX sichten und alle sich daraus ergebenden nötigen Schritte vornehmen. Sie darf keine E-Mails oder deren Inhalt an andere Personen weitergeben, und die Mail-Accounts sind danach zu löschen.»

Übrigens: Analoge Anordnungen können Sie im Rahmen eines Vorsorgeauftrags für den Fall Ihrer Urteilsunfähigkeit treffen. Idealerweise wählen Sie dort dieselbe Vertrauensperson, die auch Ihr digitaler Nachlass vorsieht. Und noch ein zweiter Punkt zu dieser Vertrauensperson: Die Aufgaben für den «digitalen Willensvollstrecker» umfassen nicht den Zugriff auf Ihr Online-Banking. Banken erlauben nur gegen einen Erbschein Zugriff auf die Konten eines verstorbenen Kunden. (Eine Ausnahme besteht bei einem sogenannten Gemeinsamkonto, mehr dazu in diesem Blog-Beitrag.) Dieselbe Praxis gilt beispielsweise für Paypal: Der Zahlungsdienstleister überweist den Kontostand nur gegen Vorweisen eines Erbscheins.

Stellen Sie alle Ihre Login-Daten zusammen

Damit Ihr digitaler Nachlass umfassend abgedeckt wird und nichts vergessen geht, erstellen Sie eine Liste all Ihrer Benutzerkonten samt Zugangsdaten (Passwort, Benutzername, allfällige Zusatzfragen für Identifikation):

  • Endgeräte: Notieren Sie unbedingt das Passwort Ihres Computers – sonst kann im schlimmsten Fall nicht einmal mehr Ihr Gerät gestartet werden. Vergessen Sie auch nicht, den PIN-Code Ihres Handys aufzuschreiben, denn bei verschiedenen Diensten wird ein Bestätigungscode via Handy verschickt.
  • Mail-Accounts: Der Zugang zum E-Mail ist ein wichtiger Schlüssel zu Ihrem digitalen Nachlass, denn die Anmeldung bei Online-Diensten erfordert oft eine E-Mail-Adresse.
  • Online-Dienste: Login-Daten für soziale Medien, Cloud-Dienste, Dating-Plattformen usw.
  • Vermögenswerte: Login-Daten für Online-Banking, Mail-Account für Paypal-Konto, Private-Key für Kryptowährungen, Login-Daten für Crowd-Finanzierungsplattformen usw. Beachten Sie, dass der Zugriff auf die Vermögenswerte nicht dem «digitalen Willensvollstrecker» zusteht, sondern den Erben.

Wichtig: Passen Sie die Liste regelmässig an – etwa, wenn Sie neue Dienste nutzen oder wenn sich Ihre Lebenssituation verändert. Bewahren Sie die Liste sicher vor unbefugtem Zugriff auf und informieren Sie Angehörige oder andere Vertrauenspersonen über den Aufbewahrungsort. Beispielsweise:

  • Auf einem Speicherstick oder in Papierform bei sich zu Hause, z.B. in einem Safe.
  • Digital in einem Passwort-Manager, auf den Sie Angehörigen oder anderen Vertrauenspersonen z.B. über die Eröffnung eines «Familienkontos» Zugriff gewähren.
  • Digital bei einem spezialisierten Aufbewahrungs- und Vererbungsservice, der Ihnen beim Abspeichern Ihrer Daten Anweisungen erlaubt, was mit den Daten im Falle Ihres Todes geschehen soll bzw. unter welchen Umständen die Daten an welche Personen herausgeben werden sollen.

Digitaler Nachlass: Was kann der Erblasser tun?

Diverse soziale Medien ermöglichen Ihnen schon zu Lebzeiten Anordnungen, was später mit Ihren Daten geschehen soll. Beispielsweise bei Facebook und Instagram können Sie unter «Kontoeinstellungen», im Menü «Persönliche Informationen», regeln, was mit dem Konto im Todesfall passiert. Soll es deaktiviert bzw. gelöscht werden? Oder soll es, wie bei Facebook als Alternative, in den sogenannten Gedenkzustand versetzt werden (mit der Möglichkeit, dass der zum Voraus bestimmte Nachlassverwalter Profil und Titelbild aktualisieren kann)?

Auch bei Apple bzw. in der iCloud können Sie unter «Anmelden und Sicherheit» einen Nachlasskontakt hinterlegen.

Bei Google andererseits können Sie über den «Kontoinaktivitäts-Manager» bestimmen, was passiert, wenn das Konto über eine von Ihnen bestimmte Zeitspanne nicht mehr verwendet wird. Dabei lassen sich Daten definieren, die automatisch gelöscht werden sollen. Oder Sie können eine oder mehrere Vertrauenspersonen bestimmen, die bei Inaktivität kontaktiert wird und sich um Ihre Daten kümmert.

Was geschieht, wenn der Erblasser keine Vorkehrungen getroffen hat?

Wenn der Erblasser zu Lebzeiten keine Vorkehrungen getroffen hat, können die Angehörige nachträglich gegen Einreichung der erforderlichen amtlichen Dokumente bei sozialen Medien die Löschung der Daten verlangen; ebenso können sie bei Mail-Diensten Einsicht in den Mail-Verkehr verlangen. Doch je nachdem sind diese Prozesse zeitlich und administrativ sehr aufwändig. Gewisse Online-Dienste werden bei längerer Inaktivität einfach auch gelöscht, wie z.B. das Mail-Account von GMX. Auch bei WhatsApp wird der Account nach 120 Tagen Inaktivität automatisch gelöscht.

Weitere spezielle Regeln gelten für iTunes und E-Reader-Daten. Sind diese auf einem physischen Datenträger gespeichert, gehen sie mit diesem in den Besitz der Erben über. Sind sie dagegen in einer Cloud gespeichert, erwirbt der Käufer nur ein Nutzungsrecht, das mit seinem Tod erlischt.

Weitere Informationen zum digitalen Erbe finden sich auf der Homepage des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB).

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2 Kommentare über “Vererben 2.0: Ihr digitaler Nachlass”

  1. Immer mehr verbessert sich die Biometrische Technik und immer mehr wird Gesichtserkennung und Fingerprint als Zugang zum Internet verbreitet.
    In absehbarer Zeit brauchen wir keine Passwörter mehr.
    Wie soll der Zugang zu meinen Daten mit Gesichtserkennung und Fingerprint funktionieren, wenn ich tot bin?

    1. Sehr geehrter Herr Manhart
      Dafür gibt es zwei Lösungsansätze. Entweder Sie verwenden Internet- und Social-Media-Dienste, die den Zugang auch via Passwörter ermöglichen. Oder Sie richten wie im Beitrag beschrieben schon zu Lebzeiten einen Drittzugriff via Stellvertretungs- und Nachlassmöglichkeiten ein.
      Freundliche Grüsse, Urs Aeberli

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