Die Klimakrise macht sich immer stärker bemerkbar – mit Hitze, Stürmen und Überschwemmungen. Um die Erderwärmung zu stoppen, müssen wir die CO2-Emissionen drastisch senken. Doch wie schaffen wir das? Innovative Ideen sind gefragt. Einen Lösungsansatz hat das Schweizer Jungunternehmen Recoal: Es bindet CO2 aus Abfallbiomasse in Kohle. Damit der Start gelingt, erhält Recoal eine Anschubfinanzierung vom Migros-Pionierfonds – mitgetragen von der Migros Bank.
CO2 aus der Luft zu entfernen ist aus technologischer Sicht viel anspruchsvoller als die Reduktion.
Pirmin Aregger, Recoal
Es ist nicht mehr zu verdrängen: Die Welt wird heisser, die Jahreszeiten stürmischer, die Naturgefahren unberechenbarer. Die Klimakrise ist längst Realität. Wie gross das Problem ist, zeigen jährlich die düsteren Zahlen des Weltklimarates: Die Erde erwärmt sich. Und die CO2-Emissionen steigen weiter an. Was können wir dagegen tun?
Der Fahrplan des Bundes ist klar: Bis ins Jahr 2050 müssen wir das Ziel «Netto Null» erreichen. «Viel Zeit bleibt uns nicht mehr», sagt Pirmin Aregger. Er ist Co-Gründer des Schweizer Jungunternehmens Recoal, das vom Migros-Pionierfonds unterstützt wird. Aregger plädiert dafür, nicht nur darüber zu diskutieren, wie wir unseren CO2-Ausstoss senken. Politik und Wirtschaft müssten gleichzeitig in Technologien investieren, mit denen wir künftig CO2 aus der Luft entfernen können. Denn dies sei aus technologischer Sicht viel anspruchsvoller als die Reduktion.
CO2 auf ewig verbannen
Die einfachste Methode, um dies zu tun, ist das Pflanzen von Bäumen: Sie wandeln CO2 über die Fotosynthese in Sauerstoff um. Eine weitere effiziente und langfristige Lösung präsentiert Recoal: Das Schweizer Jungunternehmen bindet CO2 aus der Luft in Kohle. Das Ziel sei es, diese Kohle dort zu speichern, wo das CO2 herkomme, sagt Aregger: unter der Erde. «Das CO2 wird also verbannt – es besteht keine Möglichkeit, dass es wieder freigesetzt wird.»
Pirmin Aregger studierte Landwirtschaft, arbeitete in der Lebensmittelindustrie, engagierte sich in der Entwicklungszusammenarbeit. Als er schliesslich als Nachhaltigkeitsverantwortlicher in der Fleischindustrie arbeitete, wurde ihm bewusst, wie viel noch zu tun war: «Unser Food-System braucht einige Änderungen, wenn wir unseren Planeten auch in Zukunft bewohnen wollen.»
Pflanzenreste karbonisieren statt verrotten lassen
Aregger beschäftigte insbesondere jener Abfall, den die Fleischindustrie nach Vorschrift verbrennt. «Damit verursacht Fleisch noch mehr CO2 – als wären die Emissionen nicht schon gross genug.» Gemeinsam mit Giovanni Alberti, einem weiteren Co-Founder von Recoal, fand er eine Lösung: Statt die Biomasse zu verbrennen, wollten sie diese verkohlen und so das CO2 binden. Möglich ist dies über die sogenannte Hydrothermale Karbonisierung, ein 1913 mit dem Nobelpreis prämiertes Verfahren, das bisher genutzt wurde, um Brennstoff zu gewinnen.
Heute fokussiert Recoal nicht mehr auf Schlachtabfälle, sondern auf feuchte Abfallbiomasse. Diese fällt an vielen Orten an, beispielsweise beim Verarbeiten von Pflanzenresten in Biogasanlagen. Bisher wird die Masse auf die Felder ausgebracht – und setzt beim Verrotten wieder CO2 frei. Dieses CO2 wollen die Jungunternehmer nun in Kohle umwandeln.
Millionenfach effizienter als Natur
Dies geschieht bei Recoal millionenfach schneller als in der Natur. Im Jahr 2025 will Recoal in Zusammenarbeit mit Biogasanlagen in der Schweiz erstmals 1000 Tonnen CO2 in Kohle binden, und zwar indem sie ihre Karbonisierungsanlagen an bestehende Biogasanlagen koppeln. Das Potenzial sei riesig, sagt Aregger. Bis 2031 will Recoal 11 Millionen Tonnen CO2 aus der Luft entfernt haben. «Die gewonnene Kohle wollen wir in ehemaligen Kies-, Kalkstein- oder Kohlegruben unterirdisch lagern», sagt Aregger. Recoal nennt ihr Vorhaben deshalb «Reverse Mining», also Bergbau, nur umgekehrt.
Airfix: Ein Ökosystem für die Schweizer Netto-Null
Mit dem Start-up Airfix unterstützt der Migros-Pionierfonds ein weiteres Projekt, das CO2 aus der Biomasse entfernen will. Das Start-up will ein Ökosystem schaffen, das es Betreibern von Biomasse- und Kehrichtverbrennungsanlagen erleichtert, CO2 zu absorbieren, und das die langfristige CO2-Speicherung möglich und bezahlbar macht. Airfix unterstützt als Anlaufstelle, bei der alle Fäden zusammenlaufen, von der Beratung und Planung über den gesamten Projektverlauf bis hin zur Finanzierung von Anlagen zur CO2-Entfernung.
Die ETH, die TU Delft und weitere Forschungsinstitute stärken Recoal als strategische Partner, während das Jungunternehmen finanziell auf den Migros-Pionierfonds zählen kann. «Ohne Investitionen in Carbon Dioxide Removal wird die Schweiz ihre Klimaziele nicht erreichen», sagt Pablo Villars vom Migros-Pionierfonds, der das Projekt Recoal begleitet. Die Technologie von Recoal sei vielversprechend. Auch deshalb, weil Recoal das CO2 im Inland und transparent überprüfbar einlagere.
Für Recoal sei der Booster durch den Pionierfonds extrem wichtig, sagt Aregger. «Er ermöglicht uns, nun in die Pilotphase einzusteigen und den grossen Investoren zu beweisen, welches Potenzial die Verkohlung von CO2 hat. Und: welchen Impact für unsere Zukunft.»
Migros Pionierfonds – Starthilfe für Pionierinnen und Pioniere
Der Migros-Pionierfonds sucht und unterstützt seit dem Jahr 2012 Start-ups, die nachhaltige Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen entwickeln. Der Fonds unterstützt mutige Ideen, die einen systemischen Wandel in Richtung einer zukunftsfähigen Gesellschaft anstreben. Der Migros-Pionierfonds erwartet dabei keinen finanziellen Output: «Unser Return on Invest ist der gesellschaftliche Wandel», sagt Kommunikationsverantwortliche Anna Veljkovic. Es gehe darum – ganz im Sinne des Migros-Gründers Gottlieb Duttweiler – der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Aktuell unterstützt der Fonds rund 50 Start-ups, insgesamt haben bereits über 130 Projekte profitiert. Der Migros-Pionierfonds verfügt jährlich über rund 15 Millionen Franken und wird von Unternehmen der Migros-Gruppe wie Denner, Migros Bank, Migrol, Migrolino und Ex Libris getragen.