Die bevorstehenden «Midterms» sind vor allem aus politischer Sicht von Interesse. Aufgrund der möglichen Wahlausgänge dürften sie aus Anlegerperspektive aber von untergeordneter Bedeutung sein: Das Börsenumfeld wird auch nach den Wahlen hauptsächlich von anderen Einflussfaktoren geprägt sein.
Am nächsten Dienstag ist das amerikanische Wahlvolk an die Urne gerufen, um im Rahmen der «Midterm Elections» den US-Kongress neu zu bestellen. Es wird das gesamte Repräsentantenhaus sowie rund ein Drittel des Senats gewählt. Der Name «Midterm Elections» oder kurz «Midterms» rührt dabei daher, dass der Urnengang jeweils zwei Jahren nach den Präsidentschaftswahlen stattfinden – sie werden somit in der Hälfte einer präsidialen Amtsperiode abgehalten.
Ein gespaltenes Land
Politisch ist die Analyse schnell gemacht. Durch die amerikanische Gesellschaft ziehen sich tiefe Gräben. Vom «United We Stand», wie dies mehrere Gliedstaaten als offizielles Staatsmotto haben, ist innenpolitisch seit geraumer Zeit wenig zu spüren. Bei den beiden grossen Parteien stehen sich Demokraten und Republikaner bis weit in die gemässigten Lager mit einer seltenen Unversöhnlichkeit gegenüber. An diesem Zustand der inneren Spaltung werden auch die «Midterms» nichts ändern.
Die Zwischenwahlen sind jedoch nicht nur aus politischer Sicht, sondern auch aus Anlegerperspektive interessant. Denn mit welchen Mehrheitsverhältnissen die weltgrösste Volkswirtschaft der Welt regiert wird, hatte in der Vergangenheit immer wieder mal Einfluss auf das Börsenumfeld. Ist auch in diesem Jahr mit einem Impuls – in die eine oder die andere Richtung – zu rechnen?
Zwei mögliche Wahlausgänge
Hierzu gilt es zu überlegen, welche Ausgänge überhaupt möglich beziehungsweise wahrscheinlich sind. Gegenwärtig hält die demokratische Partei in beiden Parlamentskammern die Mehrheit. Im Senat verfügen sie (zusammen mit zwei unabhängigen aber mit den Demokraten stimmenden Abgeordneten) zwar über gleich viele Sitze (50) wie die Republikaner. Der Stichentscheid obliegt in der kleinen Kammer aber der demokratischen Vizepräsidentin Kamala Harris.
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden die Republikaner nächste Woche die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückerobern. Beim Senat ist das Rennen hingegen weiterhin offen. Die Sitzverteilung kann sowohl zugunsten der Demokraten als auch zugunsten der Republikaner ausschlagen. Umfragen zufolge hat die demokratische Partei geringfügig höhere Chancen, die Senatsmehrheit zu erlangen (siehe Grafik).
Somit ergeben sich zwei grundsätzlich mögliche Wahlausgänge: Entweder wird Joe Biden mit einem republikanischen Repräsentantenhaus und einem demokratischen Senat regieren. Oder der US-Präsident sieht sich einem Kongress gegenüber, in dem in beiden Kammern die gegnerischen Republikaner über die Mehrheit verfügen.
Mit dem ersten Fall – ein demokratischer Präsident bei einem republikanischen Repräsentantenhaus und einem demokratischen Senat – gingen die Zwischenwahlen in den letzten 90 Jahren nur gerade einmal aus (2010, Präsidentschaft Obama). Zur Situation, dass ein demokratischer Präsident einem in beiden Kammern republikanisch dominierten Kongress gegenüberstand, kam es im gleichen Zeitraum hingegen vier Mal.
Die Reaktionen auf diese Wahlausgänge waren im amerikanischen Aktienmarkt-Leitindex jeweils unterschiedlich (siehe Grafik). Bei einem republikanischen Repräsentantenhaus, einem demokratischen Senat sowie einem demokratischen Präsidenten lag die Kursentwicklung des S&P 500 in einem bestimmten Zeitraum nach den «Midterms» tiefer als im gleichen Zeitraum vor den Wahlen. Dies gilt sowohl für eine 30-Tage-Betrachtung (je 30 Tage vor und 30 Tage nach den Wahlen) als auch bei einer 90- und 360-Tage-Beobachtung.
Bei den Fällen eines demokratischen Präsidenten und einer republikanischen Mehrheit in beiden Kongresskammern fiel die Aktienmarkt-Performance nach den Zwischenwahlen uneinheitlich aus. In der Tendenz verlief aber die Kursentwicklung in der Zeit nach der Wahl besser als im gleichen Zeitraum vor dem Urnengang.
Nur ein Nebenschauplatz für die Aktienmärkte
Daraus zu schliessen, dass aus Anlegersicht eine republikanische Mehrheit in beiden Parlamentskammern zwangsläufig der idealere Wahlausgang sei, wäre unseres Erachtens jedoch zu leichtfertig. Denn erstens sind die Fallzahlen zu tief, um einen (statistisch) wirklich belastbaren Zusammenhang zwischen Midterms-Ausgang und Aktienmarktperformance zu postulieren. Und zweitens wird das gegenwärtige Aktienumfeld sowieso hauptsächlich durch die konjunkturelle Eintrübung, die überschiessende Inflation und nicht zuletzt durch die Geldpolitik geprägt. Und gerade hier wird sich die politisch unabhängige Fed nicht in ihrem weiteren Zinsstraffungsfahrplan beeinflussen lassen.
Vor diesem Hintergrund schliessen wir zwar nicht aus, dass der Ausgang der «Midterms» zu kleineren und relativ kurzen «Zuckungen» am Aktienmarkt führen kann. Einen nachhaltigen Impact auf den weiteren Verlauf der Aktienkursentwicklungen erwarten wir jedoch nicht. Dieser wird sowohl vor als auch nach der Wahl vor allem durch die genannten Einflussfaktoren bestimmt bleiben.
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