EU-Boot Griechenland Krise

Der Euro und das Rührei

Wie trennt man ein Rührei? Etwa so präsentiert sich das Dilemma in der Eurozone. Das andauernde Chaos um einen möglichen Ausstieg Griechenlands aus der Währungsunion verdeutlicht vor allem eines: Der Euro leidet unter gravierenden Konstruktionsfehlern.

Die Mängel des europäischen Währungsraumes treten immer deutlicher zutage: Die wirtschaftlichen Strukturen der verschiedenen Euro-Länder sind viel zu unterschiedlich, als dass sie in eine einheitliche Geldpolitik gepresst werden könnten. Die südlichen Mitgliedsländer auf der einen Seite leiden unter einer massiven Arbeitslosigkeit. Sie benötigen deshalb offene Geldschleusen und eine Abwertung des Euros, um ihre wirtschaftliche Krise zu mildern.

Entgegengesetzt ist die Lage in Deutschland: Der dortige Exportsektor erzielt riesige Überschüsse, was für eine restriktivere Geldpolitik und einen starken Euro sprechen würde. Während in Deutschland die Arbeitslosigkeit auf den tiefsten Stand seit über 30 Jahren gesunken ist, sorgen sich stattdessen die Sparer und Rentner darum, dass ihr Kapital aufgrund der rekordtiefen Zinsen keine Erträge mehr erzielt.

Der Euro fördert also nicht die Integration der Mitgliedsländer, wie dies eigentlich beabsichtigt war, sondern verschärft die Gegensätze.

Die neuste Eskalation mit Griechenland kommt deshalb keineswegs überraschend. Und sie wird auch nicht die letzte Krise der Eurozone bleiben. Dass unter den Mitgliedsländern nicht schon viel früher Absetzbewegungen entstanden sind, hat vor allem einen Grund: die enorm hohen Kosten bei einem Ausstieg.

Diesbezüglich gleicht die Eurozone einem Rührei: So wie sich das Eiergericht kaum noch trennen lässt, kann auch die Währungsunion nur unter chaotischen Umständen wieder aufgespalten werden. Die Eventualität eines Austritts ist in den Euro-Verträgen nicht einmal erwähnt. Das Szenario, dass ein Land sich ausserhalb der Eurozone besser entwickeln könnte, wurde schlichtweg negiert.

Dabei haben zahlreiche Beispiele wie etwa in Island eindrücklich demonstriert, welch enormen Wert eine eigenständige Währung sowie Geldpolitik gerade in einer schweren Krise darstellen.

Das Bruttoinlandprodukt von Island stürzte nach 2007 um nahezu 10 Prozent ab. Doch die Notenbank reagierte umgehend und liess die Krone innerhalb von kurzer Zeit um rund 50 Prozent fallen. Ausserdem konnte die Regierung schon früh einen massiven Schuldenschnitt erwirken, der das Land von der Kreditlast befreite. Dank diesen Massnahmen hat sich Island rasch von seiner schweren Krise erholt. Die Zahl der Touristen hat sich gegenüber 2007 verdoppelt. Bereits seit 2013 wächst das Land wieder mit über 3 Prozent und die Arbeitslosigkeit hat sich innerhalb von vier Jahren halbiert.

Demgegenüber hat Griechenland bei der Krisenbekämpfung wertvolle Zeit verloren. Weil der Austritt aus der Eurozone mit enorm hohen Kosten verbunden wäre, besteht kaum Hoffnung, dass sich die düsteren Perspektiven demnächst aufhellen werden – egal, wie die kommende Entscheidung ausfällt: Bricht das Land mit der Währungsunion, gerät die Wirtschaft in gefährliche Turbulenzen und die Misere wird sich nochmals verschlimmern. Erst danach könnte die Einführung der Drachme zu einer Belebung des Tourismus und der Exporte führen. Mit einem Verbleib in der Währungsunion dagegen ist Griechenland weiterhin als Bittsteller vom Goodwill der Gläubigerländer abhängig. Und seine Politik wird in wesentlichen Bereichen von aussen diktiert.

Für die Schweiz haben die Wirren zur Folge, dass der Franken als Fluchtwährung attraktiv bleibt.

Insbesondere der Exportsektor hat noch stärker mit einem deutlich überbewerteten Franken zu kämpfen. Auch ein Anstieg der Zinsen rückt damit weiter in die Ferne. Wobei immer noch die Möglichkeit besteht, dass die griechischen Stimmbürger eine zusätzliche Eskalation verhindern, indem sie sich gegen den «Grexit» und für ein weiteres Durchwursteln innerhalb der Eurozone aussprechen. Wichtig wäre nun für beide Seiten, Griechenland und die EU, dass die bestehende Ungewissheit möglichst bald beendet werden kann.

Lesen Sie dazu den aktuellen Ratgeber: Die tieferen Gründe für den Stillstand in Europa

Ähnliche Beiträge

10 Kommentare über “Der Euro und das Rührei”

  1. «Dabei haben zahlreiche Beispiele wie etwa in Island eindrücklich demonstriert, welch enormen Wert eine eigenständige Währung sowie Geldpolitik gerade in einer schweren Krise darstellen»
    Da erlaube ich mir eine ketzerische Frage: Haben wir dank dem CHF noch eine autonome Geldpolitik? Die Antwort lautet : Nein. Zum Schutz einer ungewollten Frankenaufwertung muss die SNB die Zinsen möglichst unattraktiv tief halten. Dies zum Nachteil unserer Pensionskassen und dem privaten Sparen.
    Wäre die Mitgliedschaft in der EU nicht Voraussetzung für die gemeinsame Währung Euro,
    müsste die Schweiz sofort den Euro einführen . Unsere eigenständige Währung hat uns, zumindest im Euroland massiv grössere Nachteile als Vorteile gebracht. Unhaltbare und in diesem Volumen noch nie gesehene Devisenmarktinterventionen konnten die Frankenaufwertung nicht aufhalten und werden sie auch in der Zukunft nicht. Neben dem immensen Buchverlust der SNB birgt diese aufgeblasene Geldmenge ein ungeheures zukünftiges Inflationspotential. Dem Übel kann eigentlich nur durch die Einführung einer Kapitalverkehrskontrolle mittels Zweiteilung des CHF in einen Handels- und einen Finanzfranken beigekommen werden. Dies würde auch wieder eine eigenständige Zinspolitik der SNB erlauben.
    Wie ist Ihre Meinung dazu?

    1. Guten Tag Herr Schuppli
      Es stimmt schon, dass die Handlungsfähigkeit der SNB zurzeit massiv eingeschränkt ist. Kapitalverkehrskontrollen würde ich aber wirklich nur als Ultima Ratio ins Auge fassen.
      Um zu zeigen, wie die europäische Geldpolitik die Krise in Griechenland verschlimmert hat, eine kleine Episode: Die EU-Kommission prognostizierte nach dem «Rettungspaket» von 2010 im Ernst, dass die griechische Wirtschaft 2011 nur gerade um 0,3 Prozent schrumpfen werde. Ein weiteres Beispiel: Grossbritannien hat sich dank einer eigenständigen Geldpolitik relativ rasch von seiner Immobilienkrise erholt; die Arbeitslosigkeit beträgt gerade noch 5,5 Prozent. Zwar hatte Spanien eine weitaus schlimmere Immobilienblase zu verkraften. Dennoch lässt sich vermuten, dass das Land (mit einer Arbeitslosenrate von 22,7 Prozent) ohne den Euro heute besser dastehen würde. Freundliche Grüsse, Albert Steck

  2. Trotz massiven Unterschieden in den wirtschaftlichen Strukturen der EU-Mitgliedsländer macht eine gemeinsame Währung durchaus Sinn (zB Wegfall des Währungsrisikos). Um die preisliche Export-Konkurrenzfähigkeit zu erhalten genügt es zB eine Maschine eines deutschen Herstellers von einem griechischen Herstellers zu einem tieferen Euro-Preis auf dem Weltmarkt zu offerieren. Nur, und hier liegt die Wurzel des Problems bei den Griechen, sie haben der deutschen und asiatischen Konkurrenz nichts Gleichwertiges entgegen zu setzen. Der ehemals starke griechische Schiffbau ging an Südkorea verloren. Seither wurden Arbeitslose aus der griechischen Industrie als non-produktive Staatsangestellte beschäftigt oder mit unfinanzierbaren Renten frühpensioniert. Dieser überdimensionale Staatsapparat hatte überdies zur Folge, dass sich korrupte weil schlecht bezahlte Staatsbeamte und durch x Ämtsstuben unendlich verschleppte Bewilligungsverfahren etablierten und die Wirtschaft lähmten. Was Griechenland heute braucht, sind klare einfache Strukturen in einer entschlackten korruptionsfreien Verwaltung, Innovation in der Industrie und der absolute Wille und die Einsicht, diese übrigens von der EU zu Recht geforderten dringend nötigen Reformen durchzuführen. Renten dürfen nicht länger über Auslandkredite finanziert werden. Der griechische Staat muss in der Lage sein, diese und seine Infrastrukturausgaben durch seine Steuereinnahmen zu finanzieren. Ausländische Investoren halten sich zurück, weil die Sicherstellung ihres Grundbesitzes durch ein im ganzen Land identisches Grundbuchregister fehlt. Es wären noch etliche Beispiele aufzuzählen, die aufzeigen, dass das griechische Drama nicht durch den Euro verursacht, wohl aber ans Tageslicht gebracht wurde.

  3. Die Kommentare der MIGROS-Fachleute interpretiere is^ch so, dass die Schweiz NIE dem EURO/EU beitreten darf. Heute stimmen in Deutschland 65% gegen die EU!
    Die Schweiz muss besser und schärfer verhandeln.Vielleicht gelingt das jetzt mit dem neuen SUPERMAN/FRAU.
    a. Walser

  4. Was Sie schreiben ist sicher richtig. Ich frage mich aber schon, ob der Informationswert durch Aulassung stark sinkt. (Sie bilden mehr oder minder die Meinung von Herrn Hans-Peter Sinn ab, also eine orhodoxe deutsche Sichtweise.) Einerseitz vewmisse ich aber den Hinweis auf die Möglichkeiten und Erfolge einer internen Abwertung (z.B. Lettland) und andererseits das Aufzeigen von Parallelen zu den USA (gleiche Währung, unterschiedlicher Rechtsraum). Und zum Schluss, der Blog ihrer Bank ist durchaus eine Bereicherung.

    1. Guten Tag Herr Fischer
      Unter den Ökonomen wurde Sinn und Zweck der europäischen Währungsunion schon immer kritisch hinterfragt. Die Krise der letzten sechs Jahre zeigt, dass diese Kritik durchaus berechtigt ist. Für das künftige Gedeihen Europas wäre es deshalb wünschenswert, wenn die Politik diesen Konstruktionsfehlern des Euro mehr Aufmerksamkeit schenken würde. Diese Sichtweise vertreten übrigens auch zwei Ökonomen der Universität Basel heute in einem Gastkommentar in der NZZ:
      http://www.nzz.ch/meinung/debatte/was-niemand-hoeren-will-1.18571083
      Freundliche Grüsse, Albert Steck

  5. Bei der Einführung des Euro gab es warnende Stimmen von Wirtschaftsfachleuten.
    Es war schon damals bekannt dass die fehlende Möglichkeit die Währung eines Landes abzuwerten zu Verwerfungen führen wird.
    In Deutschland wurden damals die Warner vom höchsten Deutschen Gericht zurückgepfiffen.

  6. (Das Bruttoinlandprodukt von Island stürzte nach 2007 um nahezu 10 Prozent ab. Doch die Notenbank reagierte umgehend mit einer 50-prozentigen Abwertung der Krone.)
    Warum kann die Schweiz ihren Franken nicht auch abwerten?

    1. Guten Tag
      Eine solche Abwertung macht nur Sinn, wenn das Land in einer schweren Krise steckt. Die Kapitalmärkte machten damals einen grossen Bogen um Island. Der Einbruch der Krone war somit das Resultat eines massiven Verlusts an Vertrauen. Zudem sollte die Abwertung parallel zu einem Schuldenschnitt erfolgen. Denn die Abwertung der Krone um 50 Prozent führte dazu, dass sich die Höhe der ausländischen Schulden verdoppelte. Dasselbe würde auch in Griechenland bei der Einführung der Drachme geschehen. Die Begleichung der Euro-Kredite wäre damit noch unwahrscheinlicher.
      Die Schweizerische Nationalbank hat ja mit der Einführung des Euro-Mindestkurses versucht, den Franken abzuwerten. Sie hat auch heute Morgen wieder interveniert, indem sie ausländische Devisen aufkaufte. Diese Schwächung des Frankens hat allerdings zur Folge, dass die Devisenbestände bei der SNB immer grösser werden. Deshalb entschied die Nationalbank im Januar, das Ziel eines fixen Wechselkurses aufzugeben und nur noch punktuell im Markt zu intervenieren.
      Freundliche Grüsse, Albert Steck

Kommentare sind geschlossen.