Die tiefen Zinsen kosten uns 5 Milliarden Franken pro Jahr

Die extrem lockere Geldpolitik schädigt die Sparer. Unsere Analyse zeigt, um welch hohe Summen es dabei geht und welche Bereiche am stärksten betroffen sind. Zudem gehen wir der Frage nach, was Sie selber gegen die Zinsflaute tun können.

Die Zinswelt steht Kopf. Die Leitzinsen in der Schweiz und vielen weiteren Ländern sind negativ. Und ein Anstieg ist nicht in Sicht. Doch was bedeutet das nun für die Sparer?

Die Antworten auf diese Frage fallen sehr unterschiedlich aus: Die einen beklagen, dass die Sparer das grösste Opfer der Tiefzinspolitik tragen. Dagegen behaupten andere, die Lage sei gar nicht so schlimm, weil die Inflation ja ebenfalls negativ ist. Im laufenden Jahr wird die Jahresteuerung voraussichtlich minus 0,6 Prozent erreichen.

Wir wollten es genau wissen. Dazu haben wir anhand von historischen Daten den realen, inflationsbereinigten Zins in der Schweiz analysiert. Der reale Zins sagt uns, wie hoch der effektive Wertzuwachs für den Sparer ausfällt. Dabei haben wir zwei Bereiche unterschieden: Schweizerische Staatsobligationen sowie Sparkonten. Bei den Staatsobligationen haben wir auf Daten seit 1925 zurückgegriffen. Das Resultat: Im historischen Durchschnitt erreichte die reale Verzinsung 1,7 Prozent. Aktuell aber liegt der Zins viel tiefer, bei nur 0,2 Prozent (vgl. Grafik).

Somit rentieren Staatsanleihen zurzeit um ganze 1,5 Prozent schlechter als im langjährigen Mittel.

Die grössten Besitzer von Anleihen in der Schweiz sind die Pensionskassen und Institutionen der beruflichen Vorsorge mit einem investierten Volumen zwischen 250 und 300 Milliarden Franken. Somit erreicht die Zinseinbusse allein in der zweiten Säule 4 Milliarden Franken im laufenden Jahr.

Massiver Zinsrückgang bei den Staatsanleihen
Massiver Zinsrückgang bei den Staatsanleihen
Reale, inflationsbereinigte Verzinsung von Schweizer Staatsobligationen. Der historische Durchschnitt bezieht sich auf die Zeit seit 1925.

In der Vorsorge haben schon kleine Zinsunterschiede riesige Auswirkungen: Bei einem realen Zinssatz von 0,2 Prozent vergrössert sich ein Vermögen von 100‘000 Franken innerhalb von 20 Jahren auf lediglich 104‘000 Franken. Bei einem Zinssatz von 1,7 Prozent dagegen steigt es auf 140‘000 Franken.

Wie gross ist nun der Schaden durch die tiefen Zinsen bei den Sparguthaben?

Mit rund 400 Milliarden Franken ist das Volumen hier sogar noch grösser als bei den Obligationen. Unsere Analyse zeigt: Im historischen Durchschnitt ist der reale Sparzins mit 0,9 Prozent deutlich tiefer ist als bei den Staatsanleihen. Aktuell jedoch beträgt die reale Verzinsung immerhin 0,7 Prozent und liegt damit nur wenig unter dem langjährigen Mittelwert. Das heisst: Bei den Spareinlagen hält sich der Zinsausfall mit rund einer Milliarde Franken vorläufig in Grenzen.

Beim Sparkonto ist der Zinsausfall weniger schlimm
Beim Sparkonto ist der Zinsausfall weniger schlimm
Reale, inflationsbereinigte Verzinsung von Spareinlagen, basierend auf Daten seit 1975.

Die nachfolgende Grafik verdeutlicht nochmals die Tatsache, dass sich die finanzielle Repression aufgrund der expansiven Geldpolitik vor allem bei den Obligationen manifestiert. Im langfristigen Vergleich weisen die Staatsanleihen gegenüber dem Sparkonto einen um 0,8 Prozent höheren Zins auf. Doch inzwischen hat sich dieser Zinsvorsprung der Obligationen ins Negative verkehrt: Aktuell liegt die reale Verzinsung auf dem Sparkonto ein halbes Prozent höher als bei den Anleihen. Damit zeigt sich, dass die Banken auf den Spargeldern einen Margenrückgang in Kauf genommen und bislang weitgehend darauf verzichtet haben, das tiefere Zinsniveau an die Kunden weiterzugeben.

Die Obligationen haben ihren traditionellen Zinsvorsprung verloren
Die Obligationen haben ihren traditionellen Zinsvorsprung verloren
Zinsvorsprung der Staatsanleihen gegenüber dem Sparkonto: Im historischen Durchschnitt ist die reale Verzinsung der Obligationen 0,8 Prozent höher. Zurzeit jedoch ist dieser Vorsprung ins Negative gekippt: Auf dem Sparkonto ist der reale Zins mittlerweile 0,5 Prozent höher.

Dass sich die Situation der Sparer bald verbessert, ist leider nicht zu erwarten – im Gegenteil. Für das nächste Jahr rechnen wir mit einer Zunahme der Teuerungsrate von aktuell minus 0,6 Prozent auf plus 0,2 Prozent. Denn die Wirkung des Frankenschocks, der die Inflation tief ins Minus gedrückt hat, lässt nun wieder nach. Dadurch schrumpfen die realen Zinsen weiter. Beträgt die kumulierte Zinseinbusse auf Obligationen und Spareinlagen dieses Jahr noch 5 Milliarden Franken, so erwarten wir für das kommende Jahr deutlich grössere Mindereinnahmen von rund 10 Milliarden Franken – gerechnet im Vergleich zur langjährigen Durchschnittsverzinsung.

Entscheidend für den längerfristigen Ausblick ist die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die Inflationsrate in der Eurozone auf 2 Prozent anzuheben. Aktuell beträgt die Jahresteuerung minus 0,2 Prozent und die Erreichung des von ihr verkündeten Zielwerts von 2 Prozent bleibt in weiter Ferne. Somit kann es Jahre dauern, bis die EZB den Leitzins erstmals wieder anheben wird. Die Terminmärkte rechnen mit einem solchen Schritt erst im Jahr 2019. Diesem Kurs muss auch die Schweizerische Nationalbank folgen, um eine weitere Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro zu verhindern. In Japan übrigens verharren die Leitzinsen schon seit über 20 Jahren unter 0,5 Prozent.

Die Sparer müssen sich deshalb auf eine lang andauernde Zinsflaute einstellen.

Doch wie sollen sie damit umgehen? Bekanntlich wollen die Notenbanken die Sparer dazu bringen, mehr Geld auszugeben, statt dieses auf die hohe Kante zu legen – in der Hoffnung, dass auf diese Weise der Konsum angekurbelt wird. Paradoxerweise könnten die Währungshüter aber genau das Gegenteil bewirken: Weil die Leute davon ausgehen, dass sie ihr Sparziel schlechter als früher erreichen können, legen sie noch mehr Geld auf die Seite und schränken ihre Ausgaben zusätzlich ein.

Um dieser Zinsfalle zu entgehen, bleibt den Sparern keine andere Wahl, als vermehrt Aktien als Geldanlage zu berücksichtigen.

Zwar kommt es an der Börse kurzfristig immer wieder zu starken Kursausschlägen. Dafür werden die Aktionäre mit rekordhohen Dividenden entschädigt. Die unten stehende Grafik zeigt die Entwicklung der realen, inflationsbereinigten Dividendenrendite in den letzten 20 Jahren. Noch in den Neunzigerjahren wurde die nominale Rendite von 1 bis 2 Prozent meistens durch die Teuerung «weggefressen» – die reale Rendite schwankte also um null. Doch seither haben die Unternehmen ihre Gewinnausschüttungen kontinuierlich gesteigert. Mittlerweile liegt die nominale Dividendenrendite der Schweizer Aktien bei 3,5 Prozent. Unter Berücksichtigung der negativen Teuerung erreicht die reale Rendite derzeit sogar über 4 Prozent. Allein im laufenden Jahr schütten die SMI-Aktien 38 Milliarden Franken an ihre Besitzer aus.

Die realen Renditen von Aktien sind stark gestiegen
Die realen Renditen von Aktien sind stark gestiegen
Inflationsbereinigte Dividendenrendite beim Swiss Market Index.

Die Gewinnentwicklung der Konzerne bleibt positiv, es zeichnen sich nur vereinzelte Dividendenkürzungen ab. Wer folglich von einer langfristigen Dividendenrendite von 3 Prozent ausgeht, kalkuliert durchaus vorsichtig. Denn es würde bedeuten, dass die künftigen Ausschüttungen lediglich mit der Inflation Schritt halten. Auf eine Frist von zehn Jahren führt eine solche Rendite zu einem Wertzuwachs von immerhin 34 Prozent – nur dank der Dividenden. Selbst unter der äusserst pessimistischen Annahme, dass der Börsenindex bis 2026 um 34 Prozent von 8000 auf 5300 Punkte sinken würde, hätte man als Aktionär immer noch keinen Verlust erlitten.

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2 Kommentare über “Die tiefen Zinsen kosten uns 5 Milliarden Franken pro Jahr”

  1. Dass die EU mit dem Konstrukt Euro und der dazugehöhrenden EZB kein gutes Bild abgeben, kann jeder sehen. Aber die Ursache der Nullzinsen liegt leider noch tiefer. Die wahre Ursache liegt im übertriebenen (schuldenbasierten) Wachstumswahn während Jahrzehnten in allen westlichen Volkswirtschaften inklusive Japan. In diesen Jahren waren die Zinsen (zu) hoch, wegen der exzessiven Kreditnachfrage. Dafür büssen wir jetzt. Weil die Schuldentürme nicht bis zum Himmel wachsen können, ist jetzt mit einer lang andauernden Korrekturphase zu rechnen, mit weniger Wachstum und weniger Teuerung und eben auch weniger Zinsen. Zu hoffen bleibt, dass die Nationalbanken ihre riskanten Experimente nicht zu weit treiben.

  2. Dass Sparer und Rentner, aber auch Pensionskassen mit dieser uns aufgezwungenen Zinspolitik laufend Geld verlieren wissen wir schon lange. Man könnte aber auch einmal deutlich sagen (und dies nicht immer peinlich verschweigen!), wer daran Schuld trägt! Es ist die EZB mit diesem Dragi. Speziell aber die EU, besser EUdSSR, die uns dieses tolle, hinterhältige Geschenk macht, da fast alle Länder in dieser Fehlkonstruktion in finanzieller Notlage sind. Und unsere Presse schweigt und unsere Banken kommentieren brav Dinge, die man sonst schon weiss! Einfach nur toll!

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