Die in der Bankbranche bezahlten Boni sind in der Öffentlichkeit und bei vielen Kunden umstritten. Als erste grosse Schweizer Bank schafft die Migros Bank diese variable Vergütung für alle ihre Mitarbeitenden ab. Sie sei nicht mehr zeitgemäss, erklärt Harald Nedwed, Präsident der Geschäftsleitung.
Herr Nedwed, Sie beziehen schon heute keinen Bonus. Wirkt das demotivierend, wenn Sie sich mit anderen Bankmanagern vergleichen?
Wäre es demotivierend, wäre ich nicht seit 15 Jahren Präsident der Geschäftsleitung dieser Bank. Ein Unternehmensleiter muss primär durch Funktion, Verantwortung und Gestaltungsmöglichkeiten motiviert sein. Natürlich will er auch angemessen entlöhnt sein. Aber ich glaube nicht, dass ein Manager einen umso grösseren Beitrag für die Bank leistet, je höher sein Bonus ist.
Dann sollten auch andere Banken die Boni abschaffen?
Das muss jede Bank für sich entscheiden. Wir bei der Migros Bank glauben, dass der Bonus im modernen Bankgeschäft nicht mehr zeitgemäss ist. Daher schaffen wir ihn für alle bisher bonusberechtigten Vorgesetzten und Mitarbeitenden ab.
Was meinen Sie mit «modernem Bankgeschäft»? Die Migros Bank ist schliesslich kein Fintech-Unternehmen.
In den vergangenen Jahren ist das Bankgeschäft technisch und organisatorisch immer komplexer geworden – auch bei einem Finanzinstitut wie der Migros Bank. Zum einen sind immer mehr Vertriebskanäle zu bedienen, online wie offline, denn die Kundinnen und Kunden entscheiden selber, wie und wann sie ihre Bankgeschäfte tätigen. Zum anderen wird die Abwicklung der Kundentransaktionen mit Blick auf Kosteneffizienz und Regulatorien immer anspruchsvoller. Der Unternehmenserfolg hängt damit vom Zusammenspiel vieler Akteure an der Front und in zentralen Bereichen ab, und zwar team-, standort- und kanalübergreifend. Hier birgt die variable individuelle Vergütung durch Boni sogar die Gefahr, dass sich Mitarbeitende vor allem auf ihre eigene bonusrelevante Tätigkeit konzentrieren – und dabei den Blick fürs Ganze verlieren. Im Weiteren können Boni, je nach deren Ausgestaltung, dazu führen, dass die Erreichung kurzfristiger Ziele stärker gewichtet wird als der langfristige Erfolg des Unternehmens.
Daher schaffen Sie die Boni ab?
Ja, für das Geschäftsjahr 2018 werden letztmals Boni ausgeschüttet. Ab 2019 zahlt die Migros Bank keine solchen variablen Vergütungen mehr.
Und als Nebeneffekt profitiert die Migros Bank ab nächstem Jahr von Kosteneinsparungen?
Nein, es handelt sich mitnichten um eine Sparmassnahme. Bei den betroffenen Mitarbeitenden wird das Fixsalär einmalig erhöht; die Anpassung wird individuell pro Mitarbeitenden festgelegt. Mit diesem Systemwechsel richten wir also weiterhin eine marktgerechte Gesamtvergütung aus – wir verzichten einfach auf die variablen Lohnbestandteile.
Verabschieden Sie sich damit vom Leistungsgedanken?
Unsere Mitarbeitenden werden von ihren Vorgesetzten weiterhin individuelle Jahresziele erhalten. Die Geschäftsleitung setzt volles Vertrauen in die Mitarbeitenden, dass sie sich unabhängig vom Vergütungsmodell für unsere Kunden und die Erreichung unserer Ziele einsetzen. Herausragende Leistungen von Einzelnen oder von Teams werden künftig spontan honoriert, um die Wertschätzung gegenüber diesen Mitarbeitenden auszudrücken.
Inwieweit schlägt sich diese Wertschätzung materiell nieder?
Auf der Stufe der Gesamtbank stehen dafür rund 70 Franken pro Mitarbeitenden zur Verfügung. Eine Spontanprämie beläuft sich typischerweise auf einige hundert Franken. Dieses heute schon eingesetzte Instrument der spontanen Anerkennung wollen wir künftig noch häufiger und bei einem breiteren Kreis von Mitarbeitenden einsetzen.
Trotzdem: Laufen Ihnen jetzt ohne Boni die Mitarbeitenden in Scharen davon?
Im Arbeitsmarkt zeichnet sich ein Wertewandel ab: Eine sinnstiftende Arbeit auszuüben, gewinnt immer mehr an Bedeutung neben den rein finanziellen Motiven der Erwerbstätigkeit. Als Unternehmen mit genossenschaftlichen Werten können wir hier mit einem attraktiven Arbeitsumfeld punkten. Und nochmals: Wir zahlen marktgerechte Gesamtvergütungen.
Was bieten Sie also konkret?
Neben angemessenen Fixsalären und gut ausgebauten Sozialleistungen bieten wir interessante Stellenprofile sowie flache Hierarchien, die dem Einzelnen vergleichsweise grosse Verantwortung und Freiheit einräumen.
Mit der Abschaffung des Bonus scheint also die Rechnung für alle aufzugehen – für die Mitarbeitenden ebenso wie für das Unternehmen und seine Kunden. Warum vollzieht dann die Migros Bank erst jetzt diesen Schritt?
Wir verfolgten schon bislang eine Politik der moderaten Boni. So bezog der Präsident der Geschäftsleitung bereits in der Vergangenheit keinen Bonus, während die übrigen Mitglieder der Geschäftsleitung sowie die Direktions- und Kadermitarbeitenden anstelle eines 13. Monatslohns für gute Leistungen einen Bonus erhielten, der in der Regel bis maximal 20 Prozent des Jahressalärs betrug. Die vollständige Abschaffung des Bonus stellt aber dennoch einen grossen Schritt dar, der einen längeren Denkprozess erforderte.
Haben Sie alleine entschieden?
Nein, es war ein gemeinsamer Beschluss von Geschäftsleitung und Verwaltungsrat. Die Unternehmensführung ist der Überzeugung, dass das neue System bestens zur modernen Organisation und Arbeitsweise der Migros Bank passt.
Vorbildliich! Es ist zu hoffen, dass dieser mutige Entscheid bald Nachahmer findet und dieser Hinsicht ein längst fälliges Umdenken anschiebt.
Urs Schärer
Erfreuliche News! Bravo! – Das ist ein ethischer Volltreffer!
Nun PostFinance ist hier nicht so fortschrittlich, die wollen wegen Geschäftsrückgang den Kunden ärgern, indem sie ab 25000.-Fr 5.-Fr pro Monat abziehen!
Ihm Jahr 2016 wurden auf der Welt 32 Milliarden an Boni ausbezahlt.
Ich gratuliere der Geschäftsleitung für Ihren Mut und die Weitsicht die Bonis abzuschaffen.
Ich bin mir sicher, dass Sie keine guten Mitarbeiter verlieren werden. Höchstens solche, die Sie schon längst, an andere Banken hätten vermitteln sollen.
Hoffentlich macht Ihr mutiger Entschluss bei den beiden Grossbanken Eindruck.
genau, gute mitarbeiter machen ihre leistung nicht von bonis abhängig. spontan prämien finde ich legitim. jeder freut sich schliesslich, wenn er anerkennung bekommt. schön wäre, wenn auch andere banken und gross konzerne mit ziehen würden. ein grosses kompliment an die migrobank.
Als Kunde bin ich gespannt auf die Auswirkungen im Kundenservice. Die Argumente der GL kann ich gut nachvollziehen und sind sicher begrüssenswert. Hoffe, die Mitarbeitenden können mit diesen neuen Herausforderungen gut umgehen.
Bin ebenso gespannt, ob die Migrosbank hier wieder eine Leaderposition in der CH Bankenwelt einnehmen kann. Am Paradeplatz dürfte es einige Stirnrunzeln geben und hoffentlich mehr!
Für die Abschaffung der Boni kann ich die Migros Bank nur loben! Es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung der zukünftigen Wirtschaftswelt. Der «Bonus» für die Migros Bank als Unternehmen wird hoffentlich sein, dass sie immer mehr oder nur noch von innen heraus motivierte Mitarbeitende haben wird … und mehr Kunden, die eine Bank wollen, die sozial verantwortungsvoll handelt.
Interessant wäre noch zu wissen, welche Auswirkung diese Politikänderung auf Ihre Angebote und Unternehmensziele hat.
Bei fixer Entlöhnung bekommt die Beförderungspolitik einen (noch) höheren Stellenwert. Damit wird eine Veränderung der Unternehmenskultur absehbar, was wiederum charakterlich andere Personen als heute anziehen wird. Die „neuen“ Mitarbeitenden ticken anders, womit nicht mehr alle heutigen Leistungen optimal erbracht werden können. Konsequenterweise müssen die Dienstleistungsangebote, das Risikomanagement und ganz generell die Unternehmensziele und die -planung angepasst werden.
Für eine wirkungsvolle Unternehmensplanung braucht es ein austariertes System von zur Unternehmenskultur passenden Mitarbeitenden, einer entsprechenden Entlöhnungs- und Beförderungspolitik und dem dafür geeigneten Planungsprozess.
Ich gratuliere der Migros Bank zur Abschaffung der variablen Vergütungen! Als Aussenstehende können wir natürlich nicht beurteilen, wie gross dieser Schritt wirklich ist, denn wir wissen nicht, wie variabel die Vergütungen bisher waren. Das grösste Problem, das die Öffentlichkeit in den Bankerboni sieht, ist ja gerade nicht ihre Variabilität, sondern im Gegenteil ihre Rigidität besonders nach unten, d.h. sie fliessen auch bei schlechter Performance.