Chinas Kehrtwende in der Null-Covid-Politik

Die strikte Null-Covid-Politik in den letzten Jahren hat die chinesische Wirtschaft stark geschwächt. Die nun beschlossene schrittweise Wiedereröffnung erfordert Geduld in der Umsetzung und ein Umdenken bei Anleger*innen.

Seit dem Anfang der Pandemie herrschte in China die strikte Null-Covid-Politik. Die chinesische Regierung bezeichnete Covid als hochgefährliche Krankheit. Lockdowns, strenge Quarantäne Regeln und Massentests gehörten zur Tagesordnung. So konnten die Infektionszahlen niedrig gehalten und eine Überlastung der Spitäler vermieden werden. Mit den kürzlich gestiegenen Neuinfektionen aufgrund der leicht übertragbaren Omikron-Variante verhängte China eine Reihe neuer Lockdown-Massnahmen. Schliesslich folgten Ende November die grössten Protestwellen und Kundgebungen seit jenen auf dem Tiananmen-Platz in Peking im Jahr 1989. Die Demonstranten protestierten mit leeren, weissen A4-Seiten gegen die Null-Covid-Politik von Präsident Xi Jinping, nicht mit gemeinsamen Parolen, wie wir sie von Demonstrationen im Westen kennen.

Aufgabe der Null-Covid-Politik unter politischem und wirtschaftlichem Druck

Gleichzeitig trübte sich die chinesische Konjunktur immer mehr ein. Der vom Wirtschaftsmagazin Caixin ermittelte Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor fiel im November auf 46,7 von 48,4 im Vormonat und lag damit den dritten Monat in Folge unter der Wachstumsschwelle von 50. Aufgrund der schlechten globalen Nachfrage und der Corona-Lockdowns sank im November der chinesische Export (in Dollar berechnet) um 8,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Importe (in Dollar berechnet) gingen im gleichen Zeitraum um 10,6 Prozent zurück. Die schlechte wirtschaftliche Lage und die Unzufriedenheit in der chinesischen Bevölkerung bewogen die chinesische Regierung, am 7. Dezember die Corona-Massnahmen schrittweise aufzuheben. Im Rahmen eines Zehnpunkteplans wird es keine flächendeckenden Lockdowns mehr geben und werden stattdessen Erleichterungen bei Quarantäne und Testpflichten geschaffen.

Die chinesische Regierung versucht nun, das Wirtschaftswachstum nach drei Jahren wieder in den Vordergrund zu rücken und gleichzeitig das Corona-Virus einzudämmen. Die weitreichenden Änderungen in der Corona-Politik Chinas werden zweifelslos zu einem Wandel in der chinesischen Wirtschaft führen. Welche Auswirkungen haben diese politische Kehrtwende und die daraus folgende erneute wirtschaftliche Öffnung auf den grössten Markt der Welt und auf die Anleger*innen?

Luxusgüter und Autohersteller als mögliche Gewinner der erneuten wirtschaftlichen Öffnung

Der chinesische Markt ist sehr wichtig für den Luxussektor. Der Anteil Chinas am globalen Luxusgütermarkt beträgt laut Bain & Company 20 Prozent und wird in den nächsten drei Jahren auf über 40 Prozent steigen. Der Wegfall der strikten Corona-Massnahmen kurbelt die Nachfrage nach Uhren und Schmuck an. Sobald die Bevölkerung wieder reisen kann, wird sich das in einem entsprechenden Kaufverhalten niederschlagen, da besonders während Reisen hohe Ausgaben für Luxusgüter getätigt werden. Schweizer Firmen wie Swatch Group und Richemont erwirtschafteten bereits 2021 42 Prozent respektive 33 Prozent ihres Umsatzes in China.

China ist mit Abstand der grösste Absatzmarkt für Autos. Besonders Elektrofahrzeuge liegen im Trend – über die Hälfte aller weltweit abgesetzten Elektrofahrzeuge wird in China verkauft. Es besteht ein hoher Nachholbedarf, viele Elektroautohersteller verzeichnen hohe Bestellungen. Schweizer Firmen wie ABB, Georg Fischer und Komax sind sehr stark im Geschäft mit Elektrofahrzeugkomponenten vertreten und erzielten in der Vergangenheit grosse Teile ihrer konzernweiten Umsätze in China.

Weitere mögliche Gewinner der erneuten wirtschaftlichen Öffnung sind Unternehmen aus konjunktursensitiven Sektoren wie der Industrie und der Werkstoffe (Materials). Dazu gehören zum Beispiel Schweizer Firmen wie der Industriekonzern OC Oerlikon und der Baustoffkonzern Holcim.

Booster-Impfquoten sind entscheidend für das Tempo der Öffnung

Die Öffnung ist sicher positiv und vermindert die Abwärtsrisiken im Jahr 2023. Unter diesen Umständen können sich Anleger*innen für ein solches Szenario positionieren. Sie müssen sich aber bewusst sein, dass sich der Weg zu einem solchen Szenario deutlich in die Länge ziehen kann. Einerseits bleibt das politische Risiko hoch – der zunehmende Einfluss der kommunistischen Partei auf die Privatwirtschaft bereitet vielen Unternehmen Sorgen. Andererseits wird sich die Bevölkerung nach drei Jahren strenger Corona-Massnahmen vorsichtig verhalten und erst langsam zu einem normalen Leben und Konsum zurückkehren. Wie schnell sich die Wirtschaft wieder öffnet, wird auch von der Stärke der Corona-Wellen und dem Fortschritt der Booster-Impfquoten abhängen. Das chinesische Gesundheitssystem verfügt über wenig Intensivbetten und der natürliche Impfschutz ist aufgrund der strengen Corona-Massnahmen in den letzten Jahren sehr niedrig. Mit der Zulassung von inhalierbaren Impfstoffen könnte sich der Weg zu einer vollständigen Öffnung erheblich verkürzen.

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Chinesische Exporte und Importe verlangsamen sich

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