Trotz hoher sozialer und wirtschaftlicher Kosten rückt China nicht von der Null-Covid-Strategie ab. Das gefährdet auch die globale Konjunktur.
Im Zuge des strikten Festhaltens an der Null-Covid-Strategie hat die chinesische Regierung seit Jahresbeginn dutzende Regionen und hunderte von Millionen Einwohnern unter teilweise oder vollständige Lockdowns gesetzt. Die hochansteckende Covid-Variante Omikron verbreitet sich trotz der harten Schutzmassnahmen rasant weiter und bringt das Reich der Mitte an den Rand eines sozialen und medizinischen Super-GAU.
Dass die chinesische Regierung trotz hohem Leidensdruck der Bevölkerung nach wie vor an der umstrittenen Nulltoleranzpolitik festhält, hat zahlreiche Gründe. Zwar hat China mit rund 90 Prozent eine der höchsten Impfquoten der Welt – fast die Hälfte der Bevölkerung ist zudem geboostert. Die chinesischen Impfstoffe verfügen jedoch über eine deutlich schwächere Schutzwirkung als ihre Pendants aus dem Westen. Gemäss einer Modellierung der renommierten Fudan Universität in Shanghai wäre das chinesische Gesundheitssystem mit einem komplett unkontrollierten Ausbruch innert Kürze komplett überlastet – insbesondere in den ländlichen Regionen, wo die medizinische Infrastruktur im Gegensatz zu den Städten vielfach rudimentär ist. Ein Einsatz westlicher Impfstoffe wiederum könnte das Problem entschärfen, ist aufgrund innenpolitischer Bedenken jedoch kaum vorstellbar. Um die Omikron-Welle einigermassen kontrollierbar zu halten, kommt die chinesische Regierung nicht darum herum, weiterhin auf restriktive Schutzmassnahmen zu setzen.
Wirtschaftliche Kosten steigen
Die wirtschaftlichen Folgen der Lockdowns werden inzwischen vermehrt in den Daten zur Konjunkturentwicklung sichtbar. Die am vergangenen Montag publizierten Zahlen zu den Detailhandelsumsätzen und der Industrieproduktion fielen deutlich schwächer aus als erwartet und zeigen, dass der Kampf gegen Corona die chinesische Wirtschaft stärker belasten wird als bislang angenommen. Das angepeilte Wachstumsziel der Regierung von 5,5 Prozent zu erreichen – wohlgemerkt das tiefste in den letzten 30 Jahren –, rückt im Licht der Pandemiewelle trotz punktueller staatlicher Stimmulierungsmassnahmen in immer weitere Entfernung. Erst recht, wenn man sich vor Augen führt, dass der wichtige Immobiliensektor nach wie vor tief in der Krise steckt. Es ist deshalb zu erwarten, dass die Regierung der Wirtschaft in den kommenden Monaten stärker unter die Arme greifen wird. Dabei ist allerdings fraglich, wie effektiv Stimulierungsmassnahmen in der derzeitigen Situation tatsächlich sind.
Auch an der globalen Wirtschaft gehen die Schwierigkeiten Pekings im Kampf gegen das Virus nicht spurlos vorüber. So dürfte die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt nicht wie gewohnt die Rolle als Wachstumstreiber übernehmen. Neben den gestiegenen Konjunkturrisiken in Europa trägt die Wachstumsschwäche in China massgeblich zu den aktuellen Wachstumssorgen bei. Zudem verhindern die Lockdowns in China die Erholung der Lieferketten. Eine zusätzliche Verschärfung der Lieferengpässe könnte die Inflation verlängern und die Zentralbanken zu einer noch aggressiveren Straffung der Geldpolitik zwingen – mit entsprechend negativen Folgen für das Wirtschaftswachstum und die Aktienmärkte.
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