Der hypothekarische Referenzzinssatz ist gefallen. Wie das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) am Montag mitteilte, notiert die Richtgrösse für Wohnungsmieten neu bei 1,25 Prozent. Während die Senkung Mieter erfreuen dürfte, hat sie volkswirtschaftlich nur eine geringe Bedeutung.
Der Schritt hatte sich abgezeichnet. Schrammte der hypothekarische Referenzzinssatz im vergangenen Dezember noch haarscharf an einer Anpassung vorbei, ist die aktuelle Senkung eine unweigerliche Folge der Entwicklungen am Kapitalmarkt. Denn mit der erneut expansiven Geldpolitik der Zentralbanken – namentlich der US-Notenbank (Fed) und der Europäischen Zentralbank (EZB) – sind die Zinsen abermals unter Druck geraten und haben entsprechend auch die Hypothekarsätze weiter nach unten gezogen. Die bereits beispiellos günstigen Immobilienfinanzierungskonditionen bei Neuabschluss sind nochmals ins Rutschen geraten.
Damit hat sich auch das Ergebnis bei der Berechnungsgrundlage für den Referenzzinssatz geändert, der auf Basis der durchschnittlichen Zinsen von Schweizer Banken für inländische Hypotheken kalkuliert wird. Dieser quartalsweise ermittelte Durchschnittszinssatz ergibt den auf ein Viertelprozent gerundeten Referenzzinssatz. So kompliziert die Berechnung klingen mag, so einfach ist die Auswirkung in der Praxis nachvollziehbar: Bewirkte der Dezember-Durchschnittsatz von 1,39 Prozent (per Stichtag 30. September 2019) noch eine Aufrundung des Referenzzinssatzes auf 1,50 Prozent, führen die durchschnittlichen Hypothekarzinsen von 1,37% nun zu einer Abrundung auf 1,25 Prozent.
Keine ausnahmslose Mietzinssenkung
Eine Mietzinsreduktion dürfte viele erfreuen – sind die Einwohner der Schweiz doch überwiegend ein Volk von Mietern. Von den rund 3,7 Millionen bewohnten Wohnungen in der Schweiz sind fast 2,1 Millionen im Mietverhältnis belegt (Stand 2017). Gemäss dem Bundesamt für Statistik (BfS) beträgt die monatliche Durchschnittsmiete für diese Wohnungen 1329 Franken. Da bei einem Referenzzinssatzniveau unter 5 Prozent eine Senkung sich in einer maximalen Mietzinsreduktion von 2,91 Prozent niederschlägt, könnten die Mieter in der Schweiz somit im Durchschnitt jährlich 464 Franken bei den Wohnkosten einsparen. Könnten. Denn in der Praxis wird die Mietzinsreduktion, wenn überhaupt, vielfach nur teilweise weitergegeben. Hauptsächlich aus zwei Gründen.
Erstens ist es für den Vermieter generell möglich, nur einen Teil der Mietzinsreduktion weiter zu geben. Zulässige und nachzuweisende Begründungen können dabei auf zwei Berechnungsmethoden abstützen: entweder auf die absolute Methode basierend auf der Orts- und Quartierüblichkeit sowie mangelnder Rendite oder auf die relative Methode, welche auf dem Referenzzinssatz, der Teuerung, allgemeinen Kostensteigerungen und wertvermehrenden Investitionen abstellt. Der Vermieter kann jedoch nur eine der beiden Berechnungsmethode ins Feld führen, eine Vermischung ist nicht zulässig
Und zweitens muss der Vermieter nicht selbst aktiv werden, sondern der Mieter muss ein entsprechendes Gesuch einreichen, wenn er einen Anspruch auf einen tieferen Mietzins geltend machen will. Die Erfahrung zeigt, dass längst nicht alle Berechtigten – aus welchen Gründen auch immer – ein Mietzinssenkungsbegehren stellen. Wohl auch durch die erhöhte Medienaufmerksamkeit nimmt jedoch der Anteil jener Mieter, die bei einer Referenzzinssenkung untätig bleiben, in der Tendenz ab.
Marginaler gesamtwirtschaftlicher Effekt
Die Mietzinsreduktion ist eine willkommene Entlastung für das Haushaltsbudget. In der Summe sind die Auswirkungen von tieferen Mietzinsen aber überschaubar. So dürften die zusätzlich verfügbaren Einkommen zu keiner nennenswerten Ankurbelung der privaten Konsumnachfrage führen. Denn angesichts der 348,2 Milliarden Franken, auf die sich der Schweizer Privatkonsum 2017 belief, muten die aggregierten Mietzinsreduktionen marginal an. Selbst für den hypothetischen Fall, dass erstens bei allen Wohnungsmieten in der Schweiz die Reduktion komplett weitergegeben würde, und zweitens die dadurch freiwerdenden Mittel vollumfänglich in den inländischen Konsum flössen, schöbe dies (auf Basis des durchschnittlichen Mietzinses) die private Konsumnachfrage um nicht einmal 0,3 Prozent an.
Andererseits sind Befürchtungen unbegründet, wonach eine flächendeckende Mietzinssenkung zu einem substanziellen Renditerückgang bei den Besitzern von Wohnliegenschaften führt. Denn verwendet man erneut den durchschnittlichen Mietzins und die Anzahl Mietwohnungen als Berechnungsgrundlage, betrugen die aggregierten Mietzinseinnahmen im Jahr 2017 335,5 Milliarden Franken. Der Ausfall betrüge unter der gleichen hypothetischen Bedingung einer ausnahmslosen und vollumfänglichen Mietreduktionsweitergabe maximal 973,2 Millionen Franken pro Jahr.
Immobilienanlagen bleiben attraktiv
Dies macht sich kaum bemerkbar. Mehr noch: Die Mindereinnahmen werden durch die rekordtiefen Hypothekarzinsen auf der Finanzierungsseite mehr als überkompensiert. Das heisst aus Anlegersicht, dass selbst mit dem tieferen Referenzzinssatz neben Gewerbe- auch Wohnimmobilien weiterhin eine attraktive Anlagemöglichkeit bleiben, um den Anlagenotstand im festverzinslichen Bereich abzufedern. Zumal sich eine weitere Senkung des Referenzzinssatzes nicht abzeichnet, da ein Abrutschen des durchschnittlichen Hypothekarzinses auf unter 1,125% – was nötig wäre, um auf 1,00% abzurunden – derzeit äusserst unwahrscheinlich erscheint.
Immobilien bleiben deutlich attraktiver als Obligationen
Gesamtrenditen (bis 27.02.20) seit Senkung des Referenzzinssatzes von…
Lesebeispiel: Seit der Senkung des Referenzzinssatzes von 3,50 auf 3,25 Prozent bis zum 7.2.2020 betrug die Gesamtrendite von Schweizer Obligation rund 36 Prozent und jene von Schweizer Immobilien 108 Prozent. Dies entspricht einer annualisierten Rendite von 2,9 bzw. 7,9 Prozent.
Wie sieht es bei räumlichkeiten aus, welche für Geschäftszwecken gemietet werden! Könnte da auch eine Reduktion des Mietzinses beantragt werden?
Freundliche Grüsse
Franziska Sterchi
Sehr geehrte Frau Sterchi
Der Referenzzinssatz ist massgebend für Mietzinsanpassungen in bestehenden unbefristeten Mietverhältnissen (Art. 13 VMWG).
Für Mieter in bestehenden Mietverhältnissen bedeutet der Rückgang, dass sie auf Verlangen, einen Anspruch auf eine Senkung haben. Der Vermieter darf jedoch 40% der Teuerung, allgemeine Kostensteigerungen sowie allfällige Investitionen aufrechnen.
Freundliche Grüsse
Santosh Brivio
Bei allen Mietverträgen, welche auf den Grundlagen des Referenzzinssatzes erstellt wurde, können entsprechend Senkungen verlangt bzw. vorgenommen werden (Wohn- oder Gewerbemietvertrag).
Nicht möglich ist dies z.B. bei Gewerbemietverträgen, welche mit einer Index- oder Staffelmiete abgeschlossen wurden. Während die indexierte Miete analog zur Teuerung steigt, wird bei der Staffelmiete die Mietzinserhöhung vorab festgelegt.
Der Referenzzinssatz sinkt und sinkt. Wieso wird der Eigenmietwert nicht angepasst? (die Mieteinnahmen sinken ja auch? Vielen Dank!