Sollten Sie jetzt Aktien kaufen? Es gibt unendlich viele Ratschläge, wie man in Aktien investieren sollte, zu welchem Zeitpunkt, in welches Unternehmen oder warum Aktienanlagen sinnvoll sind. Zu beurteilen, was man beachten sollte, ehe man in eine bestimmte Aktie investiert, fällt dennoch vielen Privatanlegern schwer.
Ohne Investment-Know-how kann der Aktienmarkt für Börsenneulinge und unerfahrene Privatinvestoren ziemlich ernüchternd sein, wenn nicht gar einschüchternd oder frustrierend. Damit Sie allgemeine Anfängerfehler möglichst vermeiden, sollten Sie sich unter anderem folgende Fragen stellen, ehe Sie in eine Aktie respektive ein Unternehmen investieren.
Was macht das Unternehmen?
Die Antwort auf diese grundlegende Frage mag zwar auf der Hand liegen, aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie auch simpel ist. Sie können sich zunächst auf der Website des Unternehmens oder in den Finanz- und Wirtschaftsmedien informieren. Auf den ersten Blick stellen Sie vielleicht fest, dass das Unternehmen Industrieapparaturen verkauft. Forschen Sie weiter und schauen nach, wie es sein Geld letztlich verdient. Eine tiefer gehende Analyse offenbart womöglich, dass nicht der Verkauf der Apparaturen, sondern die Wartungs- und Serviceverträge oder die Finanzierungsgesellschaft des Unternehmens die rentabelste Geschäftsaktivität ist.
Wenn selbst Warren Buffett, einer der erfolgreichsten Investoren aller Zeiten, sagt „Investiere niemals in ein Unternehmen, das Du nicht verstehst“, dann sollten wir alle diesen Ratschlag beherzigen – auch wenn uns deswegen eine allfällige Kursrakete möglicherweise entgeht. Falls das Geschäftsmodell oder die Produkte eines Unternehmens zu schwierig zu verstehen sind, ist es oft sinnvoller, sich nach einer anderen Investitionsmöglichkeit umzuschauen. In erster Linie geht es darum, sehr komplizierte oder verschachtelte Unternehmensstrukturen beziehungsweise hochkomplexe Produkte als Anlageobjekt zu umgehen.
Es ist nichts falsch daran, vermeintlich „langweilige“ Aktien zu kaufen, beispielsweise aus der Nahrungsmittel-, Konsumgüter- und Getränkebranche oder aus der Industrie. Im Gegenteil: Es spricht sogar sehr viel dafür. Während heisse Namen wie Tesla, Facebook, Google und Netflix viel mehr Medienberichterstattung und Aufmerksamkeit der Investoren erhalten, bleiben die langweiligen Titel oft unter dem Radar vieler Anleger. Dabei sind es vielfach solide Unternehmen, deren Aktien eine konsistente Wertsteigerung (und oft ein beträchtliches Dividendeneinkommen) für Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte offerieren.
Ist das Unternehmen profitabel?
Auch die Antwort darauf erscheint auf den ersten Blick problemlos. Manchmal ist es aber doch nicht so leicht, weil Unternehmen aufgrund verschiedener Rechnungslegungsstandards alle möglichen Variationen von Gewinnen ausweisen. Lesen Sie daher die viertel-, halb- und jährlichen Gewinnberichte eines Unternehmens sehr aufmerksam, um herauszufinden, wie viel Reingewinn, Gewinn pro Aktie und Cashflow das Unternehmen erwirtschaftet.
Betrachten Sie die Daten auch aus so vielen Blickwinkeln wie möglich, inklusive historischer Ergebnisse, Industriestudien oder wie und was andere Unternehmen derselben Branche ausweisen. Stellen Sie sich unter anderem folgende Fragen: Hat das Unternehmen eine Geschichte stetigen Gewinn- und Dividendenwachstums? Sind die Erträge sehr schwankend und/oder konjunkturabhängig? Wie rasch hat sich das Unternehmen von der letzten Rezession oder Branchenkrise erholt?
Wie solide ist die Bilanz?
Seriöse und langfristig orientierte Anleger analysieren nicht nur die Erfolgsrechnung eines Unternehmens, sondern studieren auch dessen Bilanz eingehend. Hat das Unternehmen etwa haufenweise Schulden aufgetürmt? Ein Blick auf den Gewinnausweis allein deckt beispielsweise nicht auf, wie stark das Unternehmen verschuldet ist, um seine Ziele zu erreichen. In der Bilanz finden Sie auch weitere hilfreiche Angaben, beispielsweise: Wie viel hat das Unternehmen für Forschung und Entwicklung ausgegeben? Wie hoch ist der Inventarbestand? Wenn der Lagerbestand im Jahresvergleich zunimmt, kann das unter Umständen bedeuten, dass sich der Geschäftsgang verlangsamt.
Eventuell wollen Sie in ein Unternehmen investieren, das am US-Aktienmarkt kotiert ist? Dann empfiehlt es sich, auch die sogenannten 10-K- und 10-Q-Berichte zu studieren, die jedes in Wall Street kotierte Unternehmen bei der amerikanischen Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) einreichen muss. Diese Unterlagen sind viel ausführlicher als die Geschäftsberichte, die Unternehmen während der Gewinnsaison jeweils veröffentlichen.
Der 10-Q ist der Quartalsbericht, der 10-K der Jahresbericht. In diesen Dokumenten muss jedes Unternehmen die Risikofaktoren, die seine zukünftigen Unternehmensaussichten untergraben können, detailliert beschreiben. Auch die Rechnungslegungspraktiken und die operativen Annahmen des Unternehmens müssen erläutert werden. In diesen Passagen werden Sie womöglich frühzeitig auf allfällige Warnzeichen aufmerksam, die nicht so offenkundig sind.
In diesem Zusammenhang eine Randnotiz. Sie wollten schon immer mal wissen, welche Positionen die Schweizerische Nationalbank am US-Aktienmarkt hält? Auch diese Angaben finden Sie auf Quartalsbasis bei der SEC, und zwar hier.
Wer sind die Wettbewerber?
Wer sind die Konkurrenten? Was haben sie vor? Wie entwickeln sie sich? Für jede UBS gibt es eine Credit Suisse, für jede Nestlé eine Unilever – und jeweils noch viele andere Konkurrenten. Vergleichen Sie die wichtigen Betriebskennzahlen mit denen der Konkurrenz und den Branchendurchschnitten. Denn Unternehmen versuchen ständig, sich gegenseitig Marktanteile abzujagen.
Anleger sollten daher wissen, wo ihr Unternehmen steht: Hat es den grössten Marktanteil in seiner Branche? Ist es ein kleiner, aber wachsender Nischenplayer in einem attraktiven Wirtschaftszweig? Handelt es sich um eine Branche mit einem klar dominierenden Marktleader? Oder um eine fragmentierte Industrie, in der selbst der Marktführer weniger als 10 Prozent des Marktvolumens kontrolliert? Achten sie unbedingt auch auf ausländische Wettbewerber, die möglicherweise kostengünstiger produzieren und daher für einen industrieweit scharfen Preiswettbewerb und Margendruck sorgen.
Hat das Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil?
Idealerweise hat Ihr Unternehmen eine herausragende Stärke oder gar mehrere, die es von allen anderen Konkurrenten klar absetzt, etwas, das schwierig zu kopieren oder zu übertreffen ist. Das können ganz unterschiedliche Pluspunkte sein, etwa die Grösse (Marktmacht in der Industrie), Innovationskraft, Kosten- oder Standortvorteile, überragende Technologie, überlegene Forschungs-, Produktions- oder Vertriebskapazitäten sowie Patente.
Wenn Sie all die Fragen zu den Wettbewerbsverhältnissen durchgegangen sind, haben Sie auch eine ziemlich gute Vorstellung davon, was jedes Unternehmen in der Branche vor Schwierigkeiten stellt bzw. wo die Schwachstellen des Unternehmens liegen, beispielsweise sich ändernde Gesetze und Vorschriften, demographische Entwicklungen oder technologische Umwälzungen. Identifizieren Sie die wichtigsten Bedrohungen für Ihr Unternehmen und überlegen sich, wie gut es darauf reagieren kann. Berücksichtigen Sie dabei kurz- wie langfristige Herausforderungen. Beachten Sie auch, wie sich das Unternehmen in der Vergangenheit unter Druck entwickelt hat.
Wie ist die Aktie des Unternehmens bewertet?
Um abschliessend die Attraktivität einer Aktie zu beurteilen, gibt es eine Reihe von Kennzahlen, die Ihnen helfen, bessere Investitionsentscheide treffen zu können, beispielsweise bei der Einordnung, ob eine Aktie hoch oder günstig bewertet ist. Auf welche Finanzkennzahlen Sie unter anderem achten sollten, haben wir in einem früheren Blogbeitrag beschrieben.
Der Wert eines Unternehmens lässt sich auch als Gegenwert aller zukünftiger Gewinne darstellen. Weist ein Unternehmen ein hohes Gewinnwachstum aus, ist eine höhere Aktienbewertung durchaus gerechtfertigt. Denn herkömmliche Bewertungskennzahlen wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) oder das Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) beziehen sich auf das aktuelle Gewinn-Niveau. Aktionäre sind allerdings bereit, für die höheren Gewinne in der Zukunft einen Aufpreis zu bezahlen. In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, der Frage nachzugehen, wie dieses erwartete Gewinnwachstum zustande kommt. Basiert es einzig auf Effizienzmassnahmen, ist Vorsicht geboten. Denn die Rentabilität wird sich nicht ewig verbessern lassen. Im Idealfall weist das Unternehmen ein hohes organisches Wachstum auf, indem das Gewinnwachstum massgeblich durch Umsatzsteigerungen getrieben wird.
Wenn Sie all diese Fragen, Vergleiche und Kennziffern durchgegangen sind, haben Sie möglicherweise sogar einen besseren Anwärter für Ihre Aktienanlage gefunden als Ihre ursprüngliche Investmentidee. Oder Sie entscheiden sich, zusätzlich Anteile an einem Konkurrenten zu kaufen, um Ihr Risiko zu verteilen. Ein eigenes und gut diversifiziertes Aktienportfolio aufzubauen ist kein Kinderspiel, sondern harte Denkarbeit und nüchterne Analyse. Erledigen Sie also Ihre Hausaufgaben, ehe Sie Ihr Kapital in die nächstbeste Aktie investieren.
Ein eigenes Aktienportfolio will wie ein Garten gehegt und gepflegt werden. Sie müssen jedes Unternehmen und dessen Aktie weiter beobachten und sich regelmässig mit der Börse beschäftigen, um am Ball zu bleiben. Dies erfordert einiges an Zeitaufwand. Ein gutes Portfolio setzt sich letztlich aus mehreren Titeln und Anlagekategorien zusammen, das heisst, es ist breit diversifiziert. Fragen Sie sich vor einem Aktienkauf auch, ob Sie sich des Risikos bewusst sind, das Sie mit Einzelanlagen eingehen, und ob Sie Ihre eigene Risikotoleranz kennen.
Vielleicht ziehen Sie aber das Fazit, dass ein Anlagefonds für Ihre persönlichen Bedürfnisse und Ihr Risikoprofil wohl doch besser geeignet ist. Die Migros Bank führt eine breite Palette an Strategie- und Nachhaltigkeitsfonds, die Ihnen das Investorenleben erleichtern.