Willkommen im Land der Immobilienblase

Überhöhte Immobilienpreise schaden der Wirtschaft. Das Gefährliche dabei: Ist der Markt erst einmal in eine Schieflage geraten, so lässt sich eine Blase kaum noch stoppen. Droht dieses Szenario auch der Schweiz? Ein aktuelles Lehrstück gibt Antworten.

Welches Land meine ich? Es liegt in Europa und hat weniger als zehn Millionen Einwohner. Die Wirtschaft hat die Finanzkrise mustergültig gemeistert, der Staat ist nur gering verschuldet. Ein weiteres Merkmal ist die hohe Zahl an Einwanderern. Weil die Währung im Vergleich zum Euro immer stärker wurde, musste die Notenbank Negativzinsen einführen. Und: Das Land hat eine gefährliche Immobilienblase.

Nein, ich spreche nicht von der Schweiz. Sondern von Schweden. Die Immobilienpreise schiessen dort in beängstigendem Tempo nach oben: Allein im letzten Jahr verteuerten sie sich um 13 Prozent, in drei Jahren sogar um satte 29 Prozent. Während der Immobilienmarkt in der Schweiz zu einer sanften Landung ansetzt, wird die Überhitzung in Schweden immer extremer (siehe Grafik).

Eine Preisverdoppelung in nur zwölf Jahren
Eine Preisverdoppelung in nur zwölf Jahren
Reale Entwicklung der Immobilienpreise in Schweden und der Schweiz (Letztere sind unterteilt in Wohnungen und Häuser). Die Zahlen zeigen den realen Preisanstieg seit 2003. (Daten: SNB/OECD/Statistics Sweden)

Zwischen Schweden und der Schweiz bestehen zwei auffällige Parallelen: Die günstigen Hypothekarzinsen haben viele Leute motiviert, Wohneigentum zu kaufen. Und in beiden Ländern ist die Einwanderung stark gestiegen, was den Bedarf an neuem Wohnraum zusätzlich angeheizt hat. Wichtiger aber sind die Unterschiede: Während in der Schweiz pro Jahr gut 40‘000 neue Wohneinheiten auf den Markt kommen, sind es in Schweden seit langer Zeit nur 25‘000 Einheiten – obwohl das Land 1,5 Millionen Einwohner mehr zählt. Ein Grund für die zu geringe Bautätigkeit sind die komplizierten und restriktiven Vorschriften. Für ein Mehrfamilienhaus dauert die Planung und Erstellung meistens etwa zehn Jahre. Zudem hat Schweden einen schlecht funktionierenden Mietwohnungsmarkt.

Der Anteil der Mieter ist mit 30 Prozent nur halb so hoch wie in der Schweiz.

Wer in Schweden kein bezahlbares Haus mehr findet, kann deshalb nur schwer auf eine Mietwohnung ausweichen. Besonders in der Metropole Stockholm mit seinen 800‘000 Bewohnern ist das Angebot stark reglementiert: Die meisten Wohnungen sind in kommunalem Besitz. Zwar haben diese einen günstigen Mietzins, dafür beträgt die Wartezeit im Schnitt acht Jahre, in attraktiven Zentrumslagen sind es sogar über 20 Jahre.

Im Gegensatz zur Schweiz kennt Schweden überdies weniger strenge Vorschriften zur Vergabe von Hypothekarkrediten, was ebenfalls zur Überhitzung beitrug. Erst 2010 wurde eine maximale Belehnungsgrenze von 85 Prozent des Kaufpreises eingeführt. Bei uns liegt diese Limite bei 80 Prozent. Bislang musste die Hypothek überdies nicht amortisiert werden. Vor einem Monat nun hat das Parlament die zulässige Frist zur kompletten Abzahlung auf 105 Jahre begrenzt. Hierzulande besteht die Pflicht, die Hypothek innert 15 Jahren von 80 auf 67 Prozent zu reduzieren.

Was die Entwicklung in Schweden exemplarisch zeigt:

Wenn der schwerfällig reagierende Immobilienmarkt erst einmal aus dem Lot geraten ist, braucht es Jahre, um die Missstände wieder zu korrigieren.

Schon seit Langem warnen die Behörden vor einer Immobilienblase – trotzdem steigen die Preise rasant weiter. Und weil gleichzeitig die Bevölkerung stark wächst, verschärft sich die Knappheit an Wohnraum weiter. Die gegenwärtige Lücke von 150‘000 fehlenden Wohneinheiten wird sich laut einer Prognose bis im Jahr 2025 verdreifachen.

Von solch dramatischen Zuständen ist die Schweiz zum Glück weit entfernt, obschon sich die Preise auch bei uns spürbar verteuert haben. Im europäischen Vergleich bewegt sich unser Land, gemessen am Preisauftrieb, noch immer im Mittelfeld. Setzt man die Preise zudem in Relation zur Einkommensentwicklung, gehört die Schweiz sogar zu den günstigeren Märkten. Dies verdeutlicht unsere Analyse unter dem Titel «Zwischen Boom und Crash: Die europäischen Immobilienmärkte im Vergleich».

Immerhin hat die Not der Schweden ihren Erfindergeist angespornt. Seit zwei Jahren nämlich erlaubt der Staat den privaten Grundbesitzern, auf ihrem Land ein Gebäude ohne Baubewilligung zu erstellen. Dieser neue Typus nennt sich Attefallshus. Die Bedingung dazu lautet: Die Fläche darf höchstens 25 Quadratmeter erreichen und die Höhe muss unter vier Meter betragen. Das ist zwar ziemlich klein – aber oft immer noch besser, als wenn ein Erwachsener im Kinderzimmer der Eltern ausharren muss.

Attefallshus
Ist das Haus kleiner als 25 Quadratmeter, braucht es keine Baubewilligung
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2 Kommentare zu Willkommen im Land der Immobilienblase

  1. Geschätzter Herr Steck – wie alt muss man in der Schweiz werden, um dann mal in einem Bericht über Schweden zu erfahren, dass man hierzulande seine Hypo-Belastung binnen 15 Jahren von 80 auf 67% reduzieren muss?. Meines Wissens galten die 15 Jahre für die Abzahlung einer 2ten Hypothek. Von Prozenten hatte ich noch nie was gehört – es galt für mich stets der gesunde Menschenverstand und das Streben nach Reduktion der Belastung in Relation zu den flüssigen MItteln. Und am Ende – Null Hypothek??

    1. Guten Tag Herr Nicolet
      Die Ersthypothek geht bis zu einer Belehnung von 67 Prozent. Bei einer höheren Belehnung erfolgt die Finanzierung über eine Zweithypothek. Das bedeutet: Die Belehnung im Bereich zwischen 80 und 67 Prozent (welche der Zweithypothek entspricht) muss innerhalb von 15 Jahren abgezahlt werden. Freundliche Grüsse, Albert Steck

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