Wie weiter ohne Mindestkurs?

Der Franken hat stark an Wert zugelegt, die Aktienkurse sind eingebrochen und die Zinsen sind noch mehr in den negativen Bereich gefallen. Was bedeutet die Aufhebung des Mindestkurses für die Wirtschaft sowie für Sparer und Anleger?

Kommt der Entscheid der Schweizerischen Nationalbank (SNB) überraschend?

Auf jeden Fall. Rückblickend hätte es durchaus geeignetere Momente gegeben, um den Mindestkurs zu beenden. Zum Beispiel im Sommer 2013, als sich der Euro in einer Phase der Stärke befand. Damals konnte man allerdings nicht voraussehen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) dereinst zu Negativzinsen greifen würde und der Euro immer mehr an Wert verliert. Die SNB wird sich nun gesagt haben: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Weshalb wurde der Mindestkurs gerade jetzt beendet?

Der Franken in Geiselhaft des schwachen Euros
Der Franken in Geiselhaft des schwachen Euros
Die Grafik zeigt die Kursentwicklung des Frankens und des Euros zum Dollar. Der Euro-Mindestkurs führte dazu, dass der Franken simultan zum Euro immer mehr an Wert verlor. Mit der Aufhebung des Mindestkurses ist der Franken jetzt wieder stark gestiegen.

Die immer expansivere Geldpolitik der EZB hat den Spielraum der Schweizerischen Nationalbank mehr und mehr eingeschränkt. Und zwar von zwei Seiten: Zum einen ist der Euro zum Dollar seit dem letzten Jahr stark gefallen. Und damit wurde auch der Schweizer Franken immer schwächer, wie die Grafik zeigt. Das Argument für den Mindestkurs, wonach der Schweizer Franken gegenüber Drittwährungen wie dem Dollar überbewertet sei, galt somit immer weniger. Nach der Aufhebung des Mindestkurses liegt der Franken-Dollar-Kurs nun folgerichtig wieder auf einem ähnlichen Niveau wie vor Jahresfrist.
Zum andern hat sich das Zinsniveau in den Euroländern immer mehr demjenigen in der Schweiz angenähert. Die Zinsdifferenz zwischen schweizerischen und deutschen Staatsanleihen ist je nach Laufzeit bis auf 20 Basispunkte (0,2%) geschrumpft. Das hat natürlich die Attraktivität des Frankens als sicherer Hafen massiv erhöht – weshalb die SNB den Mindestkurs nun aufgeben musste.

Welche Auswirkungen hat der Schritt auf die Schweizer Wirtschaft?

Schweizer Exportfirmen und der Tourismus werden am härtesten getroffen. Das bremst das Wachstum des Bruttoinlandprodukts und dürfte auch auf dem Arbeitsmarkt Spuren hinterlassen. Umgekehrt profitieren die Konsumenten von günstigeren Preisen auf den Importprodukten.

Die Aktienkurse sind stark gesunken. Weshalb?

Die Exportindustrie, welche vom Mindestkurs profitiert hatte, muss nun mit tieferen Gewinnen rechnen. Kursverluste gibt es für den Schweizer Anleger auch bei ausländischen Aktien, weil der Franken stärker ist und entsprechend die ausländischen Währungen an Wert verloren haben.

Sinken die Zinssätze für den Sparer nun weiter?

Damit ist leider zu rechnen. Welches die konkreten Anpassungen bei den Sparkonten der Migros Bank sein werden, lässt sich im Moment noch nicht abschätzen. Wie wir hier auf dem Blog aber bereits erläutert haben, sind die Auswirkungen bei den Obligationen ohnehin viel gravierender. Über die berufliche Vorsorge und die Pensionskassen besitzen Herr und Frau Schweizer Obligationen im Wert von rund 250 Milliarden. Die Mindereinnahmen auf diesen Zinsen erreichen rund 5 Milliarden Franken pro Jahr (vgl. «Die neue Welt der Negativzinsen«).

Dürfen Wohneigentümer künftig mit noch tieferen Hypothekarzinsen rechnen?

Die Hypothekarzinsen haben schon in den letzten Tag historische Tiefststände erreicht. Der Zinsrückgang ist vor allem bei den langfristigen Festhypotheken sehr ausgeprägt. Konkret: Vor Ausbruch der Finanzkrise war der Zinssatz bei der zehnjährigen Festhypothek rund 1,5% höher als bei einer Laufzeit von zwei Jahren. Diese Differenz ist inzwischen auf unter 0,5% geschrumpft. Per 15. Januar lag der Zinssatz für eine zehnjährige Festhypothek der Migros Bank bei nur noch 1,38%. Die günstigen Hypotheken kommen übrigens auch den Mietern zugute. Wir gehen davon aus, dass der Referenzzinssatz für die Mieten demnächst von 2% auf 1,75% sinkt.

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14 Kommentare über “Wie weiter ohne Mindestkurs?”

    1. Guten Tag Herr Stämpfli
      Leider sieht es im Moment nicht danach aus, als würde der Franken nachhaltig über einen Eurokurs von 1.10 steigen können. Zwar liegt der faire Wert des Frankens nach wie vor über einem Kurs von 1.20, wenn man sich auf die Kaufkraft der beiden Währungen abstützt. Doch mit ihrer extremen Geldpolitik hat die EZB solche Gesetzmässigkeiten ausgehebelt. Sie versucht derzeit mit allen möglichen Mitteln, den Euro zu schwächen – vermutlich demnächst auch mit dem Kauf von Staatsanleihen. Damit kommt der Euro nur noch sehr bedingt als Wertmassstab infrage. Stattdessen müssen wir unseren Fokus vermehrt auf den Dollar legen. Und hier sehen wir, dass der Franken zum Dollar derzeit einen ähnlichen Kurs aufweist, wie bereits vor Jahresfrist oder auch im Frühjahr 2011. Unsere Hoffnung muss nun sein, dass der Dollar weiter an Stärke zulegt und damit Druck vom Franken wegnimmt. So oder so wird uns der schwache Euro in nächster Zeit noch etliche Probleme aufbürden.
      Freundliche Grüsse, Albert Steck

  1. Lieber MIGROSBANK-Ratgeber
    Dürfen Wohneigentümer künftig mit noch tieferen Hypothekarzinsen rechnen?
    Diese Frage stellen Sie in Ihrem Ratgeber.
    Die danach folgenden Ausführungen beantworten die von Ihnen gestellte Frage jedoch nicht.

    Deshalb wiederhole ich:
    Dürfen Wohneigentümer künftig (nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses von 1.20 durch die Nationalbank mit noch tieferen Hypothekarzinsen rechnen?

    1. Sehr geehrter Herr Wicki
      Sie haben recht: Die Formulierung ist an dieser Stelle sehr vage, weshalb ich hiermit gerne eine Präzisierung vornehme: Im Gegensatz zum Euro-Kurs, der bis gestern ja durch die Nationalbank fixiert war, hat bei den Hypothekarzinsen bereits in den letzten Woche eine kontinuierliche Bewegung nach unten stattgefunden, und zwar im Hinblick auf die erwarteten Massnahmen der EZB von kommender Woche. Konkret ist der Zinssatz der 10-jährigen Festhypothek seit Anfang Jahr (d.h. innerhalb von 9 Werktagen) bereits um 20 Basispunkte gesunken. Damit sind die Hypothekarzinsen schon heute auf einem so extrem tiefen Niveau, dass nur noch eine marginale weitere Senkung drinliegt. Gleichzeitig ist aber auch ein künftiger Zinsanstieg noch weiter in die Ferne gerückt. Unter dem Strich gehören die Wohneigentümer auf jeden Fall zu den Profiteuren der jüngsten Entwicklung.

      1. Uns hat ein anderes Institut von 2 Jahren auf die Möglichkeit der Liborhypothek aufmerksam gemacht. Von uns aus hätten wir eine 10 Jährige Festhypothek um die 2% abgeschlossen. Zum jetzigen Zeitpunkt kann man diesem Finanzinstitut nur von ganzem Herzen danken!

  2. Im Nachhinein ist man bekanntlich immer klüger. Eines ist sicher, eine Fehlentwicklung wurde gestoppt. Die
    Landeswährung kann wieder durch die SNB unabhängig im Markt agieren. Das heisst nicht dass die Probleme gelöst sind, es werden noch einige Opfer abverlangt, Die Schönwetterlage ist noch lange nicht in Sicht aber es ist sehr gut wenn man unabhängig ist. Gratulation zu diesem Schritt an die SNB.

  3. Das ist nur der Anfang. Hätte die SNB damals Gold gekauft anstatt 500’000’000’000 Euros, stände sie heute anders da. Nun hat sie die bald wertlosen Euros : siehe bevorstehende Wahlen in Griechenland, was machen wir dann ? Die Zentralbanken haben Angst vor dem Gold, denn Gold ist das Einzige Investitionsmittel das vor der masslosen Gelddruckerei und Inflation wirksam schützt ! Aber eben, das wollte man nicht, siehe die kürzliche, wirksame Kampagne gegen GOLD der SNB, Hr Jordan höchst persönlich.

  4. Wir vergessen schnell und gewöhnen uns an das Angenehme, Sichere. Die Einführung der Untergrenze kam gleich schnell, ohne Vorankündugung, wie die Verabschiedung. Die Unternehmen konnten sich über 3 Jahre anpassen, von Anfang an war von einer vorübergehenden Massanhme die Rede!! Wir müssen und wollen unsere Selbsständigkeit bewahren. Hart aber Fair!!

  5. Die künstliche Schwächung des Schweizerfrankens durch Aufkauf von Euros durch unsere Notenbank war mikro- und makroökonomisch eine aussichtlose Massnahme. Hier – bei den Wechselkursen – muss man wirklich den Markt spielen (regeln) lassen!

  6. Selbstverständlich hätte eine präzise Ankündigung der Abkopplung vom Mindestkurs gewaltige Geldströme vom € zum CHF zurück verursacht, jeder hätte versucht seine Euros noch schnell zu retten.
    Trotzdem bürdet das berechnende beinahe hinterhältige Verschweigen des Zeitpunkts dieser gravierenden Massnahme und die Millionen die die KMU’s (die Stützen d. CH-Wirtschaft) gestern verloren Hr. Jordan einen Rucksack auf, den sich der SNB-Chef umschnallen muss. Auch das globale Ausmass der Entscheidung wurde wohl sträflich unterschätzt. Alles in Allem hat dies möglicherweise unangenehme Folgen..

  7. Aufgrund der steten SNB Aussagen, den Mindestkurs Euro mit allen Mitteln zu verteidigen sind meine Anlagen in Euro, die ich dank dem Ausschluss eines Währungsrisikos gekauft habe nun abgewertet.
    «Hütet euch am Morgarten!»

    1. Das Risiko trägt immer der Spieler – das hat weder mit der SNB noch mit Morgarten zu tun. Nur mit der lieben Geldgier des Einzelnen….

  8. Fassen wir also zusammen: unser Land war das erfolgreichste in Europa. Deshalb legen wir uns mutwillig mit der EU an, schmeissen die Ausländer raus, lehnen die internationale Gesetzgebung ab und werden jetzt finanziell abgestraft. Quo vadis Helvetia?

    1. Um das erfolgreichste Land auf dem europäischen Festland zu bleiben dürfen wir uns weder von der EU noch von der EZB erpressen lassen. Die SNB hat Mut bewiesen. Den Abkopplungszeitpunkt anzukündigen wäre keine intelligente Taktik gewesen. Hoch sollen sie leben: CHF, £ und Yen.

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