Donald Trump & Co. – was die Protestwähler verbindet

Die Globalisierung und die digitale Revolution stellen unsere Arbeitswelt auf den Kopf. Die Löhne sind unter Druck. Millionen Jobs werden verlagert. Das fördert den Erfolg von radikalen politischen Ideen. Doch gerade die Schweiz zeigt, wie der wirtschaftliche Wandel zu meistern ist.

Einen sagenhaften Gewinn von 53 Milliarden Dollar hat Apple im letzten Jahr erzielt. Dabei beschäftigt der Konzern gerade mal 110‘000 Mitarbeiter. Das ergibt einen riesigen Profit von einer halben Million Dollar pro Mitarbeiter in einem einzigen Jahr. Google (respektive der Mutterkonzern Alphabet) kommt zwar «nur» auf einen Gewinn von 16 Milliarden. Dafür aber mit noch weniger Angestellten, nämlich 60‘000.

Blenden wir zurück: Ende der Siebzigerjahre hiess der weltweit wertvollste Konzern noch General Motors. Der Autobauer beschäftigte damals eine Heerschar von 850‘000 Menschen, welche einen Gewinn von 3 Milliarden Dollar einfuhren. Bei General Electric wiederum erwirtschafteten die 400‘000 Mitarbeiter einen Gewinn von rund einer Milliarde Dollar.

Die Gegenüberstellung zeigt eine beunruhigende
Entwicklung.

Die heutigen Konzerne arbeiten zwar enorm profitabel. Doch benötigen sie dazu immer weniger Beschäftigte.

Dieser Trend kommt auch in den volkswirtschaftlichen Daten deutlich zum Ausdruck: In den meisten Ländern ist die Lohnquote, also der Anteil der Löhne am Gesamteinkommen, seit 1980 markant gesunken (vgl. Grafik). Was ebenfalls sichtbar wird: Die Schweiz konnte sich diesem Trend widersetzen (darauf werde ich später genauer eingehen).

Härtere Zeiten für die Arbeitnehmer
Anteil der Löhne am Gesamteinkommen (Daten: Ameco/KOF)
Anteil der Löhne am Gesamteinkommen (Daten: Ameco/KOF)

Was hat zu diesen fallenden Lohnquoten geführt? Die wichtigste Rolle spielt die Globalisierung: Seit den Achtzigerjahren haben die Konzerne einen immer grösseren Teil der Produktion dorthin verlagert, wo sie Kosten sparen konnten. Besonders in den Emerging Markets ist ein riesiges Reservoir an Arbeitskräften hinzugekommen, deren Löhne massiv tiefer liegen.

Das hat die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer in den Industrieländern geschwächt.

Wie die untenstehende Grafik illustriert, entwickelte sich der Lohn über lange Zeit im Gleichschritt mit der steigenden Produktivität. Doch seit etwa 40 Jahren ist das vorbei: Die realen Stundenlöhne der Arbeiter stagnieren, obwohl ihre Produktivität weiter zunimmt. Diese Daten beziehen sich auf die USA, lassen sich aber ebenso in anderen westlichen Ländern beobachten.

Abkoppelung zwischen Produktivität und Entlöhnung
Abkoppelung zwischen Produktivität und Entlöhnung
Entwicklung des realen Stundenlohns und der Produktivität der Arbeiter in den USA (Daten: Bivens/Gould/Mishel/Shierholz).

Auch die neuen Technologien haben die Lohnquote nach unten gedrückt. Mit der digitalen Revolution sind viele etablierte Berufe verschwunden. Benötigten die Unternehmen früher arbeitsintensive Produktionstechniken um einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen, so reicht heute eine von wenigen Spezialisten entwickelte bahnbrechende App wie beim Fahrdienst-Vermittler Uber. Gleichzeitig ermöglicht eine rasche weltweite Verbreitung hohe Gewinne.

Es ist daher kein Zufall, dass vier der fünf wertvollsten Unternehmen weltweit aus der Technologiebranche kommen.

Apple, Google, Microsoft und Facebook erreichen zusammen einen Börsenwert von über 1700 Milliarden Dollar. Sie beschäftigen aber nur gerade 300‘000 Mitarbeiter. Auf Platz vier dieser Rangliste steht übrigens als Vertreter der «Old Economy» der Ölkonzern Exxon Mobil, der allerdings auch nicht mehr als 75‘000 Beschäftigte zählt.

Selbst in den klassischen beschäftigungsintensiven Branchen wie dem Detailhandel hat die technologische Entwicklung zu einem massiven Umbruch geführt. Die Supermarktkette Wal-Mart, der grösste private Arbeitgeber der Welt, hat 2,3 Millionen Mitarbeiter. Trotzdem erreicht der Börsenwert nur zwei Drittel des Online-Händlers Amazon, der lediglich ein Zehntel der Angestellten, rund 230‘000, beschäftigt.

Dieses Erdbeben in der Arbeitswelt ist ein wesentlicher Grund dafür, dass in vielen Ländern die regierenden Politiker arg unter Druck geraten sind. Die Wähler wenden sich stattdessen frechen Aussenseitern zu: Donald Trump, Marine Le Pen, Beppe Grillo oder Alexis Tsipras feiern Erfolge, während die alten etablierten Parteien einen dramatischen Niedergang erleben.

Radikale politische Forderungen ernten Applaus.

Dahinter steht vielfach der Wunsch oder die Sehnsucht, dass man die Zeit wieder zurückdrehen könnte. Doch ist dies wirklich realistisch? Welcher Konsument ist schon bereit, auf die Vorteile von Smartphones oder Suchmaschinen zu verzichten – obschon die neuen Technologien Arbeitsplätze vernichten? Wie will man den aufstrebenden Ländern verbieten, dass sie unsere westlichen Erfolgsrezepte kopieren – und damit auch um unsere Jobs konkurrieren?

Die Schweiz liefert interessante Anhaltspunkte, wie die Industrieländer die Umwälzungen durch die Globalisierung und die digitale Revolution meistern könnten. Wie die obige Grafik dokumentiert, ist es hierzulande gelungen, die Lohnquote seit Jahrzehnten stabil zu halten.

Welche Faktoren haben dazu beigetragen?

Zentral ist zunächst ein hochstehendes Bildungssystem: Bei der Berufsbildung, bei den Hochschulen sowie in der Forschung erreicht die Schweiz Spitzenplätze. Gut ausgebildete Fachkräfte lassen sich nur schwer durch Outsourcing oder Roboter wegrationalisieren.

Ein weiterer Grund ist der vorteilhafte Branchenmix der Wirtschaft: Ein überdurchschnittlicher Anteil der Firmen gehört zu Sektoren, die eine hohe Wertschöpfung erzielen, etwa die Pharmaindustrie oder die Medizinaltechnik. Viele dieser Unternehmen haben sich auf Nischen spezialisiert, in denen sie qualitativ hochstehende Produkte oder Dienstleistungen anbieten. Diesen günstigen Mix verdankt die Schweiz auch der Tatsache, dass der unternehmerische Wandel nicht unterbunden wurde. Bedrohte Sektoren wie die Stahlindustrie erhielten keinen staatlichen Schutz.

Das Beispiel der Schweiz verdeutlicht, dass die Wahrung einer hohen Lohnquote ein langfristiges Ziel sein muss.

Gesunde wirtschaftliche Strukturen, zu denen auch ein gutes soziales Netz gehört, nützen den Arbeitnehmern mehr als hastige Hauruckübungen. Denn letztlich eröffnet der technologische Fortschritt auch neue Chancen. Obschon der Apple-Konzern selber nur rund 110‘000 Personen beschäftigt, hat er viele zusätzliche Stellen ausserhalb des Unternehmens geschaffen. Insbesondere die Millionen von App-Entwicklern weltweit, welche neue Anwendungen für das Smartphone programmieren und damit bereits einen zweistelligen Milliarden-Umsatz erzielen.

 

Hinweis: Der Beitrag wurde ursprünglich am 13. Juni 2016 an dieser Stelle publiziert.

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5 Kommentare über “Donald Trump & Co. – was die Protestwähler verbindet”

  1. Sehr geehrter Herr A.Steck, der Artikel sieht gut aus. Aber in die Statistiken wird auch viel Unsinn interpretiert, oder anders gesagt diese können verschieden interpretiert werden.
    Z.B. Ihre Darstellung ist einleuchtend einfach für diese Nationen im Vergleich. In den einzelnen Ländern spielt die Musik allerdings nicht so simpel. Auch in der Schweiz sind in der Zukunft die Aussichten nicht mehr so rosig. Grosse Firmenkomplexe werden an ausländische Staaten oder Firmen veräussert. Gewinne machen beim Verkauf die Eigentümer und Aktionäre, die Arbeitnehmer, wen`s günstig läuft kriegen einen Sozialplan. Die Schweiz verliert Steuereinnahmen und Know How. Das wichtigste für die Schweiz sind die Technischen und Bio-Chemischen Ausbildungsplätze fur unser jungen Leute. Die Ausbildungsplätze für Advokaten und Theologen sollten für die Zukunft unter
    eine gesunde Grösse schmelzen. An vielen Banken fehlt in der Schweiz in Zukunft das Betriebskapital. Bei der SNB sehe ich nicht durch, das ist für den Laien ein Buch mit vielen Siegeln. Die Bauwirtschaft stösst auch an ihr Limit. Aber trotz allen Negativen
    Punkten, die Hoffnung stirbt zuletzt, die Politiker sind genötigt das Fussvolk nicht für Dum
    zu halten und die eforderlichen Schritte eizuleiten so dass ihnen wieder Vertrauen zufliesst.

  2. «Anteil der Löhne am Gesamteinkommen»
    Diese Statistik heisst ja nicht, dass eine relativ konstante Anzahl Arbeitnehmer Arbeit haben. Es kann auch heissen, dass eine sinkende Anzahl Arbeitnehmer mehr Lohn erhält und nicht eine steigende oder relativ konstante Anzahl Arbeitnehmer Lohn erhält.

    1. Guten Tag
      Damit haben Sie grundsätzlich Recht. In vielen Staaten ist die Beschäftigungsquote tatsächlich am Stagnieren. In der Schweiz dagegen ist sowohl die Beschäftigungsquote als auch die Zahl der Erwerbstätigen in den letzten Jahren weiter gestiegen. Die aktuell 5 Millionen Erwerbstätigen bedeuten eine Zunahme von 20 Prozent in den letzten 20 Jahren. Diese Statistiken sagen noch nichts aus über die Lohnungleichheit. Aber auch bei diesem Punkt ist es in der Schweiz zu keiner signifikanten Verschlechterung gekommen – zumindest wenn wir von gewissen Exzessen ganz an der Spitze absehen. Freundliche Grüsse, Albert Steck

  3. Ein weiterer Aspekt, warum die etablierten Parteien mühe haben ist, einesteils haben die Politiker sehr viel Vertrauen verspielt, sie wollen die Sorgen der Bürger nicht mehr erkennen, während sie mit allen Mitteln ihre Macht ausbauen.
    Jeder etablierte Politiker muss sich doch eigentlich tagtäglich vor Augen halten, ich bin hier um dem Volk zu helfen und nicht umgekehrt. Im Gegensatz zu den Bienenvölkern braucht der Bürger keine Königin.

  4. Ist es nicht gefährlich einem überdurchschnittlichen Anteil der Pharmaindustrie und Medizinaltechnik zuzutrauen, unseren Wohlstand zu erhalten, da das Gesundheitssystem deren Ansprüche bald nicht mehr leisten kann. Das würde zu einem weiteren sozialen Spannungsfeld führen.
    Mich würde ebenfalls interessieren, welche Soft Skills im Bildungssystem besonders berücksichtigt werden müssen, um von einer guten Bildungssituation sprechen zu können.

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