Die Schwäche des Euro fällt mit einer ausgesprochenen Stärke des Schweizer Frankens zusammen. Ob die hiesige Währung «nur» stark ist oder sogar als überbewertet gilt, lässt sich dabei mit einer erstaunlich einfachen Überlegung abschätzen.
Neues Jahr, neues Tief? Zumindest für den Euro-Franken-Kurs scheint diese Frage berechtigt zu sein. Denn die Gemeinschaftswährung steht unter ebenso anhaltendem wie erheblichem Druck. Gegenüber dem Schweizer Franken kratzte der Euro am 29. Dezember 2023 kurzzeitig die Marke von 0.925 und markierte einen neuen Tiefpunkt. Eine Erholung hat im neuen Jahr bislang erst in homöopathischen Dosen stattgefunden.
Die Gründe hierfür sind schnell aufgezählt. Die seit Längerem anhaltende Krise der Gemeinschaftswährung hat sich spätestens mit der kräftigen Zinsstraffung der Europäischen Zentralbank (EZB) akzentuiert: Verschuldungsproblematik, Wachstumssorgen und strukturelle Schwächen wirken bei erhöhtem Zinsniveau nicht eben vertrauensfördernd für den Euro.
Das Vertrauen in den Franken ist ungebrochen
Auf der anderen Seite befindet sich der Schweizer Franken in einem ausgesprochenen Höhenflug. Allein im letzten Jahr legte die Schweizer Währung handelsgewichtet um rund 7,5 Prozent zu und verzeichnete damit die mit Abstand stärkste Perfomance unter den G-10-Währungen. Der Franken profitiert davon, woran es dem Euro mangelt: ein äusserst stabiles institutionelles Gefüge, gesunde Staatsfinanzen und eine Wirtschaftsstruktur, die auch unter schwierigen Bedingungen ein hohes Mass an Resilienz aufweist.
Die Frankenstärke ist insofern ein grundsätzlich erfreuliches Phänomen – widerspiegelt sich doch in ihr das hohe Anlegervertrauen, das die Schweiz rund um den Globus geniesst. Gleichzeitig macht die harte Heimwährung der wichtigen Exportbranche unseres Landes immer mehr zu schaffen. Denn damit verteuern sich die Ausfuhrprodukte auf dem Weltmarkt, was die internationale Wettbewerbsfähigkeit zumindest unter Druck bringt. Eine Währungsabsicherung der Geschäftstätigkeit kann dem zu einem gewissen Grad zwar entgegenwirken, ist aber auch mit entsprechenden Kosten verbunden.
Des einen Freud ist bekanntlich des anderen Leids. Im gleichen Masse, wie der starke Franken die Exporte verteuert, führt er umgekehrt zu einer Verbilligung der Importe. Davon profitieren die hiesigen Konsumentinnen und Konsumenten nicht zuletzt vor dem Hintergrund der noch immer überschiessenden Inflation in der Eurozone. Der dortige Preisauftrieb wird währungsseitig (über-)kompensiert, so dass die Teuerung nicht importiert wird.
Der Big Mac als Wechselkurs-Indikator
Der Höhenflug des Schweizer Frankens bringt also sowohl Verlierer als auch Gewinner hervor. Doch was überwiegt nun – die Vorteile oder die Nachteile? Oder anders gefragt, ist unsere Währung unter dem Strich zu tief, zu hoch oder letztlich doch ungefähr angemessen bewertet? Die Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten. Sie dreht sich im Kern darum, was denn der innere (faire) Wert einer Währung ist. Um diesen zu bestimmen, gibt es verschiedene – mehr oder weniger komplizierte – Methoden. Eine relativ simple aber (oder gerade deswegen?) ziemlich überzeugende und intuitive Herangehensweise ist die Abstützung auf den sogenannten Big-Mac-Index.
Dass die Bezeichnung dabei gleich lautet wie ein Burger einer bekannten Fastfood-Kette, kommt nicht von ungefähr. Vielmehr ist der Name Programm. Denn ein Vorteil des Big Macs ist, dass er nahezu überall auf der Welt erhältlich ist und mit den gleichen Zutaten zubereitet wird (mit Indien als grosser Ausnahme, da Rindfleisch dort nicht auf dem Speiseplan steht). Die weltweite Verfügbarkeit und die standardisierte Zubereitung machen den Big Mac damit zu einem idealen Konsumgut, um die Kaufkraft verschiedener Länder miteinander zu vergleichen. Genau aus diesem Grund verglich das britische Wirtschaftsblatt The Economist 1986 zum ersten Mal die weltweiten Preisdaten rund um den Burger. Der Big-Mac-Index war geboren.
Die Frage nach der Überbewertung wäre geklärt
Doch wie kann der Index nun helfen, die Frage nach der Über- oder Unterbewertung des Schweizer Frankens zu beantworten? Betrachten wir hierzu die jüngsten Big-Mac-Preise vom Juli 2023 (die Aktualisierung des Index erfolgt zweimal jährlich; das nächste Mal im Verlauf des Januars 2024):
Im Sommer kostete ein Big Mac in der Eurozone durchschnittlich rund 5.28 Euro. Zur gleichen Zeit bezahlte man in der Schweiz für den gleichen Burger 6.70 Franken. Aus diesen beiden Werten lässt sich nun einen fairen «Big-Mac»-Wechselkurs ableiten. Dieser beliefe sich für EUR/CHF demzufolge auf rund 1.27 (6.70 / 5.28).
Das ist selbstverständlich eine ziemliche Vereinfachung. Zu berücksichtigen wären beispielsweise noch die Inflationsdifferenzen oder die relative Wohlstandsverteilung. Aber ein grobes Bild der Währungssituation zeichnet der «Big-Mac-Wechselkurs» doch. Und dieses indiziert deutlich, dass mit einem aktuellen EUR/CHF-Wechselkurs von rund 0.93 der Franken doch stark überbewertet ist – nämlich um rund 36 Prozent. Zu diesem Befund des (zu) starken Frankens passt, dass die Schweizer Währung auch gegen ausgewählte G-10-Währungen auf Big-Mac-Basis teilweise drastisch zu hoch bewertet ist (siehe Grafik).
Die Frage, ob der Franken unterhalb oder oberhalb des fairen Wertes notiert, lässt sich demnach eindeutig beantworten. Die Überbewertung ist schlicht eine Tatsache. Tatsache ist aber auch, dass sich im aktuellen globalen Umfeld nichts so schnell daran ändern wird. Die Freude des einen und das Leid des anderen wird vorerst andauern.
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