Pharmaauftragsfertiger im Aufwind

Mit der Schweizer Pharmaindustrie verbinden die Anleger häufig die beiden SMI-Schwergewichte Roche und Novartis. Vergessen werden dabei oft die Pharmaauftragsfertiger, die für die grossen Pharmakonzerne Wirkstoffe entwickeln, ohne dass ihr Name auf der Medikamentenpackung erscheint.

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Der Markt der Pharmaauftragsfertiger ist noch jung. Bis Anfang der 1990er Jahre stellten die Pharmaunternehmen ihre Medikamente weitgehend selbst her. Mit den Fortschritten in der Medizin, insbesondere in der Biotechnologie und in der Genetik, wurde die Herstellung der Medikamente immer komplexer. Viele Pharmaunternehmen sind dazu übergegangen, die Herstellung von Arzneimitteln an Pharmaauftragsfertiger zu vergeben.

Die Auslagerung der Produktion an pharmazeutische Auftragshersteller bietet den grossen Pharmaunternehmen zahlreiche Vorteile: Sie haben mehr Zeit und Kapazität, um sich auf die Forschung und Vermarktung ihrer Medikamente zu konzentrieren. Die Pharmakonzerne sparen Kosten, da sie keine eigenen Produktionsanlagen betreiben müssen, und sie minimieren ihre Risiken – die Herstellung komplexer Medikamente ist an strenge Vorlagen gebunden, und Pharmaauftragsfertiger verfügen über eine entsprechende Infrastruktur mit strengen Qualitätskontrollen und -standards. Laut dem Research-Unternehmen Morningstar hat der weltweite Markt für Pharma-Auftragsfertigung mittlerweile ein Volumen von 100 Milliarden Dollar erreicht und wächst mit einer jährlichen Rate von 7 Prozent deutlich schneller als der globale Pharmamarkt mit 5 bis 6 Prozent.

Zunehmende Nachfrage nach Biopharmazeutika

In den letzten 30 Jahren hat sich der Trend zur Auslagerung der Medikamentenproduktion stetig weiterentwickelt. Neben dem strukturellen Trend der Alterung der Bevölkerung hat auch das rasante Wachstum biotechnologisch hergestellter Arzneimittel zu dieser Entwicklung beigetragen. Biotechnologisch hergestellte Medikamente sind heute das am schnellsten wachsende Segment der Pharmaindustrie. Diese Medikamente haben häufig ein günstiges Nebenwirkungsprofil, da körpereigene oder sehr ähnliche Substanzen zum Einsatz kommen, welche nur selten Unverträglichkeitsreaktionen hervorrufen. Biopharmazeutika werden gezielt im Körper eingesetzt, da sie ausschliesslich mit dem Zielmolekül reagieren.

Entkoppelung der Märkte China und USA

Die pharmazeutische Auftragsfertigung ist in China in den letzten Jahren sehr stark gewachsen – vor allem im Bereich der frühen Medikamentenentwicklung. In diesem Bereich sind chinesische Pharmaauftragsfertiger in der Lage, sehr schnell und kostengünstig zu produzieren. Die geopolitischen Spannungen haben nun aber auch den Pharmasektor erreicht, und in den USA soll ein neues Gesetz, der «Biosecure Act», kommen, das den Behörden verbietet, Medikamente zu kaufen, an deren Entwicklung und Herstellung chinesische Pharmaauftragsfertiger beteiligt waren. Namentlich erwähnt werden die Unternehmen WuXi AppTec sowie WuXi Biologics, eine Hauptkonkurrentin des Schweizer Pharmaauftragsfertigers Lonza. Der Biosecure Act in den USA dürfte dazu führen, dass Pharmaunternehmen vermehrt auf westliche Pharmazulieferer setzen. Noch handelt es sich um einen Gesetzesentwurf, aber es ist davon auszugehen, dass der Biosecure Act früher oder später von den beiden Kammern des Parlaments und vom Präsidenten verabschiedet wird.

Schweizer Markt der Pharmaauftragsfertiger

Weltweit ist der Markt für Pharmaauftragsfertiger – so genannte Contract Development and Manufacturing Organizations (CDMOs) – stark fragmentiert. Es gibt keine grossen Unternehmen, die den Markt dominieren, sondern eine Vielzahl kleinerer und mittlerer Firmen. Der bekannteste Pharmaauftragsfertiger in der Schweiz ist Lonza, der seit Jahresbeginn an der Schweizer Börse eine eindrückliche Performance von über 44 Prozenterzielt hat. Aber auch kleinere Pharmaauftragsfertiger wie Bachem realisieren ähnliche Wertzuwächse und sind ebenfalls hervorragend in der Schweizer Pharmalandschaft positioniert. Beide Unternehmen investieren grosse Summen in den Ausbau und in die Modernisierung ihrer Anlagen, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden. Das Umsatzwachstum dieser Unternehmen ist mehr als doppelt so hoch wie das Wachstum des Weltmarkts für Pharmaauftragsfertiger:

  • Lonza: Lonza enttäuschte letztes Jahr an der Börse wegen der vorzeitigen Kündigung der strategischen Partnerschaft mit Moderna. Moderna hatte damals den Vertrag wegen des rückläufigen Impfstoffgeschäfts vorzeitig aufgelöst. Steigende Zinsen belasteten den Pharma-Auftragshersteller zusätzlich. In diesem Jahr hingegen konnte Lonza den Markt infolge der hohen Nachfrage nach Biopharmazeutika überzeugen. Der Trend zum Reshoring gibt der Lonza-Aktie zusätzlichen Auftrieb. Insbesondere die jüngste Übernahme der Roche-Tochter Genentech in Vacaville (USA), einer der weltweit grössten Produktionsstätten für Biopharmazeutika, dürfte das Umsatzwachstum von Lonza zusätzlich beschleunigen. Wählen die USA im November Trump zum Präsidenten, dürfte Lonza als Gewinnerin hervorgehen, da er dem Thema Reshoring und «America first» grosse Bedeutung beimisst.
  • Bachem: Bachem ist eine führender Herstellerin sogenannter Peptide – Moleküle, die in der Regel aus bis zu 100 Aminosäuren bestehen. In der Vergangenheit führten Peptide im Vergleich zu anderen Wirkstoffklassen eher ein Nischendasein. Heute jedoch sind in den weltweit umsatzstärksten Pharmaprodukten Peptide als Wirkstoffe enthalten. Im Moment liegt der Schwerpunkt bei den Schlankheitsspritzen (GLP-1 Medikamente), die einen hohen Bedarf an Peptiden haben. Ähnlich wie Lonza investiert Bachem massiv in die Kapazitätserweiterung der Anlagen, um die steigende Nachfrage des Marktes zu bedienen.

Schweizer Pharmaauftragsfertiger blicken einer lukrativen Zukunft entgegen. Die steigende Nachfrage nach Biopharmazeutika, der generell wachsende Medikamentenbedarf aufgrund der demographischen Entwicklung sowie die Entkoppelung der Märkte China und USA dürften den Schweizer Pharmaauftragsfertigern Rückenwind verleihen. Die aktuell hohen Bewertungen sind daher gerechtfertigt. Trotz der vielversprechenden Zukunftsaussichten müssen Lonza und Bachem zeigen, dass sie den Markt weiterhin mit positiven Zahlen überraschen können – dazu müssen sich die überdurchschnittlich hohen Investitionen auszahlen. Ansonsten sind dem Wachstum Grenzen gesetzt.

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