Nachhaltig anlegen – so geht es

Investieren mit gutem Gewissen – das wollen immer mehr. Das Angebot ist gross, dessen Unterschiede sind es auch. Beat Zaugg, Nachhaltigkeitsexperte der Migros Bank, erklärt im Interview, wie man die richtige Strategie findet.

(Das Interview erschien am 14.09.202020 im Migros Magazin / Text: Benita Vogel)

Beat Zaugg, alle sprechen von nachhaltigen oder Sustainable Investments. Was ist das?

Verantwortungsbewusste Anleger investieren in Unternehmen, die einen Beitrag für eine bessere Welt leisten. In diesem Zusammenhang werden die Buchstaben ESG berücksichtigt. E steht für Environment, sprich Umwelt, S für Social, Soziales, und G für Governance, zu Deutsch gute Unternehmensführung. Umwelt- und gesellschaftsschädliche sowie sozialverwerfliche Produkte werden dabei ausgeschlossen.

Welche Branchen sind unter diesem Aspekt ein No-Go?

Typischerweise ausgeschlossen werden Branchen und Produkte wie Waffenhersteller, Kohleförderer oder Investments in die Kernenergie. Es hängt aber auch stark von den Werten der Anleger selber ab. Will man in Unternehmen investieren, die Alkohol produzieren? Das ist eine Frage, die jeder selbst beantworten muss.

Wieso liegen nachhaltige Investments im Trend?

Nachhaltige Anlagen existieren seit Langem. Die Diskussionen über den Klimawandel und die Demonstrationen der Klimajugend haben dem Thema Schub verliehen. Dennoch ist erst ein Drittel der in der Schweiz verwalteten Vermögen nachhaltig investiert. Die globale Wirtschaft funktioniert noch lange nicht nachhaltig. 200 der 3000 weltweit grössten börsenkotierten Unternehmen sind in der fossilen Energieindustrie tätig und produzieren unter anderem Erdölprodukte. Der Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft wird Jahre dauern. Der Trend wird sich aber verstärken. Schon jetzt beträgt das jährliche Wachstum nachhaltig investierter Vermögen um die 30 Prozent.

Wie gehe ich vor, wenn ich nachhaltig investieren will?

Es gibt verschiedene Ansätze. Früher dominierte der «Ausschluss-Ansatz», in dem man bestimmte Branchen aus der Anlage ausschliesst. Heute ist der «Best-in-Class-Ansatz» weitverbreitet. Dabei wählt man diejenigen Firmen, die in ihrer Branche etwa punkto CO2-Reduktion oder Diversität am besten abschneiden. Am meisten verbreitet ist die «ESG-Integration»: Banken analysieren verschiedene Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen und wählen darauf basierend die Investments. Auch «thematisches Investieren » ist eine Möglichkeit: Man wählt, ob man das Geld in Wasserfonds, Elektromobilität oder erneuerbare Energien stecken will. Solche Themenfonds sind stark im Kommen. Die Migros Bank etwa verfolgt bei den Nachhaltigkeitsfonds den kombinierten Ansatz von «Ausschluss» und «Best-in-Class».

Wie finde ich für mich die richtige Strategie?

Fragen Sie sich als Erstes, welche Themen für Sie wichtig sind. Es lohnt sich auch, einen Blick auf die Nachhaltigkeitsansätze der Bank zu werfen. Die findet man meistens auf der Website. Überlegen Sie sich, ob der Ansatz sinnvoll ist und Sie sich damit identifizieren können. Schauen Sie auch, ob die Bank als Ganzes für Sie glaubwürdig ist. Zudem sind wie bei konventionellen Anlagen sowohl die Risikobereitschaft als auch die Renditeerwartungen wichtig.

Kann ich als Kleinsparer überhaupt nachhaltig anlegen?

Ja, für Kleinsparer eignen sich etwa Fondssparpläne, in die man monatlich einen bestimmten Betrag einzahlt. In der Schweiz gibt es 600 nachhaltige Anlagefonds. Damit kann man in Hunderte von Firmen gleichzeitig investieren und verteilt so das Risiko. Die Fonds sind reguliert und werden überwacht. Bei der Migros Bank gibt es nachhaltige Fondssparpläne, bei denen man ab 50 Franken pro Monat dabei ist.

Oft wird von Wildwuchs gesprochen. Es gebe zu wenig Standards in der Nachhaltigkeit. Wie kann man sich schützen?

Es gibt viele Angebote und grosse Unterschiede, wie nachhaltig diese wirklich sind. Deshalb gilt: Vergleichen Sie gut! Es lohnt sich etwa, einen Blick in die Titelliste der Fonds zu werfen. Diese findet man in deren Jahresberichten. Wenn ein Klimafonds Rüstungsfirmen enthält, stimmt etwas nicht. Das sollte nicht sein.

Das tönt kompliziert. Kann ich das einfach halten?

Noch ist das schwierig. Anders als beim Einkaufen im Supermarkt gibt es kein bekanntes Label, das nachhaltige Produkte auszeichnet. Das wird sich aber ändern. Die EU arbeitet an einem Eco-Label für Finanzprodukte. Dieses sollte bis Ende 2021 definiert sein. Es ist zu erwarten, dass die Schweiz nachziehen oder die Privatwirtschaft Labels entwickeln wird. Und zumindest beim Thema Klima existieren Standards, an die man sich halten kann. Der CO2-Fussabdruck eines an der Börse notierten Unternehmens oder Fonds lässt sich messen. Es gibt auch Anleger, die sich am Pariser Klimaschutzabkommen orientieren. Sie investieren nur in Firmen, die Massnahmen ergreifen mit dem Ziel, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Früher hiess es, nachhaltig Investieren bedeute, auf Rendite zu verzichten. Stimmt das?

Nein. Eine Metastudie über 2200 verschiedene Untersuchungen zeigt, dass zwischen nachhaltigen Faktoren und der Rendite mehrheitlich ein positiver Zusammenhang besteht. Investoren dürfen also mindestens die Rendite von konventionellen Investments erwarten. Auch in der Corona-Pandemie haben sich nachhaltige Fonds bisher gut gehalten.

Die nachhaltigen Anlagen sind teurer als die konventionellen. Wieso?

Dieses Argument wird oft gegen Sustainable Investments genannt. Die Differenz der Vermögensverwaltungsgebühr zu konventionellen Fonds ist aber meist gering. Sie liegt bei etwa 0,2 Prozent. Banken müssen qualitativ gute Nachhaltigkeitsinformationen über Unternehmen aufbereiten und auswerten. Der Anleger hat dafür die Gewissheit, dass Risiken besser gemanagt und Marktchancen beispielsweise für klimafreundliche Produkte bei den Aktienanlagen eher wahrgenommen werden.

Machen nachhaltige Anlagen die Wirtschaft wirklich grüner?

Ja. Wenn nachhaltige Unternehmen von Investoren bevorzugt werden, können sie sich günstiger finanzieren. Das Anlegerinteresse hilft zudem, die Unternehmensleitungen für Themen wie Umweltschutz oder Diversität zu sensibilisieren. Dies kann zu einer Verhaltensänderung und zu besseren Geschäftsmodellen führen, die sich positiv auf den Aktienkurs auswirken. Die Nachhaltigkeitsberichte sind heute viel aussagekräftiger als vor fünf Jahren und zeigen die Verbesserungen einer Firma quantitativ auf.

Auf Nachhaltigkeit bedacht

Die Migros Bank wird ihre Anlagepalette bis Ende 2021 auf Nachhaltigkeit fokussieren. Sie wird alle Fonds, die sie vertreibt, darauf ausrichten, ebenso die Vermögensverwaltungsmandate und die Anlageberatung. Bereits heute verfolgt sie bei den nachhaltigen Fonds einen strikten Nachhaltigkeitsansatz, der auf dem bekannten «MSCI SRI Index» basiert. Dieser investiert in die jeweils 25 Prozent besten Unternehmen eines Sektors. Das Angebot der Migros Bank umfasst aktuell fünf Strategiefonds, drei Vorsorgefonds und Fondssparpläne.

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