Gewinner und Leidtragende der Corona-Krise

Die Corona-Krise wird die Weltwirtschaft in eine der tiefsten Rezessionen der Geschichte stürzen. Dennoch gibt es Branchen, die längerfristig von den Auswirkungen der Krise profitieren – und solche, die noch lange unter ihnen leiden werden.

Der internationale Währungsfond (IWF) schätzt, dass das globale Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr im Vergleich zum Vorjahr um 3 Prozent geringer ausfallen wird. Das ist ein deutlich stärkerer Einbruch als in der Finanzkrise 2009, als das globale Wachstum mit -0,1 Prozent knapp im negativen Bereich lag. Die wirtschaftlichen Schäden des monatelangen Lockdown sind immens. Damit ist es nicht vorbei: Die Rezession wird die Wirtschaft erneut auf eine schwere Probe stellen und weitere Opfer fordern.

IWF erwartet stärkeren Einbruch der gloablen Wirtschaftsleistung als in der Finanzkrise

Des einen Leid, des anderen Freud

Nicht alle Branchen leiden allerdings gleichermassen unter den Auswirkungen der Corona-Krise. Für einige Wirtschaftszweige wirkt sie gar als Wachstumsbeschleuniger. Während zum Beispiel der stationäre Handel während des Lockdown weitgehend schliessen musste, baute der E-Commerce-Gigant Amazon seine Kapazitäten deutlich aus, um der gestiegenen Nachfrage nachzukommen. Der Videotelefonieanbieter Zoom wiederum verzeichnete zwischen Dezember 2019 und März 2020 einen Anstieg der Nutzer von 10 Millionen auf 200 Millionen. Essenslieferdienste boomten, während stationäre Restaurants geschlossen blieben.

E-Commerce nimmt eine immer wichtigere Stellung ein

Krise beschleunigt den Strukturwandel

Die Beispiele verdeutlichen, dass die Corona-Krise den seit längerer Zeit anhaltenden Strukturwandel in Richtung digitale Dienstleistungen weiter beschleunigt. Viele Konsumenten sahen sich im Lockdown gezwungen, auf digitale Kanäle auszuweichen und vermehrt Dinge des täglichen Bedarfs online zu bestellen. Insbesondere bisher harzig laufenden Bereichen wie dem Onlinekauf von Lebensmitteln scheint die Krise zum Durchbruch verholfen zu haben. Die gesunkene Hemmschwelle dürfte dafür sorgen, dass viele Konsumenten auch in Zukunft vermehrt digitale Dienstleistungen in Anspruch nehmen werden. Der E-Commerce wird durch die Corona-Krise einen weiteren Wachstumsschub erfahren.

Ein anderer Bereich, in welchem während des Lockdown vorhandene Hemmschwellen abgebaut und der Digitalisierung Vorschub geleistet wurde, ist das elektronische Bezahlen. Die Rechnung mit Karte oder Handy zu begleichen, hat sich mittlerweile in breiten Bevölkerungsschichten etabliert. Die steigenden Transaktionsvolumina wirken sich vorteilhaft auf die Wachstumsperspektiven der Anbieter elektronischer Zahlsysteme sowie Kreditkartenunternehmen aus.

Nicht nur auf Seite der Konsumenten, auch bei den Unternehmen hat der Lockdown die Bereitschaft zur Digitalisierung gesteigert: Viele Unternehmen haben hautnah erfahren, wie essentiell ein professioneller Onlineauftritt und eine digitale Präsenz heute sind, und werden in Zukunft ihren digitalen Absatzkanälen mehr Gewicht beimessen. Insbesondere bei kleineren Unternehmen ist der Ausbaubedarf in diesem Bereich hoch. Unternehmen, welche einfach implementierbare E-Commerce-Lösungen anbieten, dürfen in den kommenden Jahren mit einer deutlich gesteigerten Nachfrage rechnen.

Neue Arbeitskonzepte erfordern Investitionen in die IT

Die breitflächige Verschiebung der Belegschaft ins Home-Office hat die Unternehmen gezwungen, sich mit den Ansprüchen an eine moderne IT-Infrastruktur auseinanderzusetzen. Insbesondere eine erhöhte Flexibilität bezüglich Systemauslastung sowie eine kompromisslose Umsetzung des sicheren externen Zugriffs auf Firmenapplikationen sind in der Arbeitswelt nach Corona nicht mehr wegzudenken. Die Konsequenzen dieser Entwicklungen sind weitreichend: Es wird in erster Linie zu einer vermehrten Verschiebung von IT-Prozessen in die Cloud kommen. Unternehmen werden ihre Netzwerkinfrastruktur auf den neusten Stand bringen und die Nachfrage nach Bandbreitenkapazitäten wird zunehmen. Investitionen in eine moderne IT-Infrastruktur werden in der Unternehmenswelt nach der Krise in der Prioritätenliste weit oben figurieren.

Technologiebranche als grosse Gewinnerin

Die Beschleunigung dieser strukturellen Trends wird das Wachstum in der Technologiebranche nachhaltig antreiben. Langfristige Gewinner finden sich in verschiedenen Technologiebereichen wie dem E-Commerce, dem Cloud-Computing, der Cyber-Security oder der IT-Ausrüstung. Big Tech gehört genauso zu den Gewinnern wie mittelgrosse und kleinere Unternehmen mit einer starken Position in einem Nischenmarkt. Auch Telekomkonzerne und Netzwerkanbieter werden von der erhöhten Nachfrage nach 5G-Lösungen profitieren – umso mehr, als staatliche Konjunkturprogramme vermehrt auf den Ausbau der technologischen Infrastruktur ausgerichtet werden. Chinas «New Infrastructure»-Projekte zur Ankurbelung der Konjunktur können hier durchaus als Vorbilder gelten.

Die Krise hat deutlich aufgezeigt, dass es in Zukunft ohne digitale Dienstleistungen nicht mehr gehen wird. Wer in der Post-Corona-Welt erfolgreich sein will, muss digital auf der Höhe der Zeit sein.

Höhere Investitionsbereitschaft und Verkürzung der Lieferketten im Gesundheitswesen

Auch die Gesundheitsbranche wird längerfristig zu den Gewinnern gehören. Die Corona-Krise hat die Mängel im Gesundheitswesen vieler Staaten drastisch offengelegt. Vielerorts besteht beträchtlicher Ausbaubedarf. Gleichzeitig hat die Pandemie das Bewusstsein der Bevölkerung für gefährliche Krankheitserreger geschärft und die Investitionsbereitschaft der Politik erhöht. Davon wird die gesamte Gesundheitsbranche in den kommenden Jahren profitieren. Insbesondere Unternehmen, welche in der Krise ihre Flexibilität und unternehmerische Dynamik im öffentlichen Rampenlicht unter Beweis gestellt haben, dürften längerfristig von diesem Image-Schub zehren.

Die Versorgungsengpässe bei medizinischen Gütern während des Höhepunkts der Pandemie haben den Industrieländern vor Augen geführt, wie gross ihre Abhängigkeit von der Fertigung in Asien ist. Die Corona-Krise beschleunigt den seit Ausbruch des Handelskonflikts bestehenden Trend, Lieferketten zu verkürzen und Teile der Produktion zu repatriieren. Ziel ist es, die Produktion so nahe wie möglich an die Endmärkte zu verlegen, um das Risiko von Lieferengpässen tief zu halten. Dies gilt insbesondere für versorgungskritische medizinische Produkte. Profiteure dieser Entwicklung sind westliche Pharmazulieferer und -fabrikanten.

Tourismus, Gastronomie und Einzelhandel bleiben unter Druck

Einer der am schwersten getroffenen Wirtschaftssektoren ist zweifelsohne der Tourismus. Die Einschränkungen der Reisefreiheit werden im internationalen Umfeld noch länger Bestand haben und die Nachfrage dämpfen. Darunter leidet die Hotellerie genauso wie die Freizeitindustrie und das lokale Gewerbe in den touristischen Zentren. Auf die Flugindustrie wiederum werden Veränderungen zukommen, welche vergleichbar sind mit jenen nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Die Etablierung neuer medizinischer und hygienischer Schutzkonzepte wird die Margen schmälern und den Flugverkehr für die Passagiere unattraktiver machen.

Stark gelitten haben infolge des Lockdown auch der schon vor der Krise angeschlagene stationäre Einzelhandel und die Gastronomie. Mit der Wiedereröffnung der Wirtschaft ist für diese Branchen das Schlimmste zwar vorbei, allerdings ist auch in den kommenden Monaten mit deutlich tieferen Umsätzen aufgrund der geltenden Distanzvorschriften zu rechnen. Zum unsicheren Ausblick trägt schliesslich auch die Ungewissheit bezüglich der Ausgabefreude der Konsumenten nach der Wiederöffnung bei.

In diesen Wirtschaftszweigen wird die Erholung nur langsam vonstattengehen, die Rückkehr zur Normalität wird ein langwieriger Prozess sein.

Vorsicht bleibt beim Anlegen das Gebot der Stunde

Nach dem Lockdown werden die kommenden Monate für die Unternehmen zu einer weiteren Bewährungsprobe. Das rezessive Umfeld wird seinen Tribut fordern, Zahlungsausfälle und Konkurse werden zunehmen. In diesem wirtschaftlich äusserst rauen Umfeld gilt es in erster Linie, das wirtschaftliche Überleben sicherzustellen.

Anleger sind gut beraten, bei der Auswahl möglicher Titel im Umfeld der Corona-Gewinner nicht nur auf die langfristigen Wachstumschancen zu fokussieren, sondern auch der kurzfristigen Widerstandsfähigkeit Beachtung zu schenken. Nur Unternehmen, welche die Rezession überstehen, werden von den strukturellen Wachstumschancen schliesslich profitieren können. Eine solide Bilanz und ausreichend Liquidität sind im aktuellen Umfeld deshalb wichtige Auswahlkriterien.

Viele Unternehmen, die als offensichtliche Gewinner der Krise gelten, sind in der ausgeprägten Erholung an den Aktienmärkten teuer geworden. Einem möglichen Kauf sollte deshalb immer auch eine bewertungstechnische Analyse vorangehen. 

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