«Erträge sind die Folge, nicht das Ziel der unternehmerischen Tätigkeit»

Seit 1. Mai 2020 leitet Manuel Kunzelmann als CEO die Migros Bank. Er folgt auf Harald Nedwed, der nach fast 17 Jahren an der Spitze der Bank in Pension ging.

Manuel Kunzelmann, was verbindet Sie persönlich mit der Migros?

Die Seehund-Rahmglace und die köstlichen Bärentatzen aus dem Migros-Sortiment gehören zu meinen prägenden Kindheitserinnerungen. Meine Mutter absolvierte nämlich in ihrer Jugend ein Sprachlehrjahr in der Migros-Genossenschaft Genf. Diese Zeit prägte fortan nicht nur ihre Einkaufsgewohnheiten, sondern in der Folge auch die Essgewohnheiten unserer Familie.

Viele Rahmglaces und unzählige Bärentatzen später sind Sie CEO der Migros Bank. Was gefällt Ihnen an der Migros Bank als neuer Arbeitgeberin?

Das Bankgeschäft ist an allen Fronten mit Veränderungen konfrontiert – bei Kundenbedürfnissen, bei der Technologie, bei der Geldpolitik, beim Konkurrenzumfeld, bei regulatorischen Anforderungen usw. Die Migros Bank verfügt über eine hohe Finanz- und

Ertragskraft, um diese Herausforderungen aus einer Position der Stärke heraus anzugehen. Gleichzeitig steht die Migros für eine starke Marke und mit ihrem Gründer Gottlieb Duttweiler für ein Wertefundament, das immer noch modern ist.

Was gefällt Ihnen an Duttweiler?

«Was zählt, ist der Dienst am Kunden», war Duttweilers Credo. Es trifft den Nagel auf den Kopf: Die Existenzberechtigung eines Unternehmens besteht darin, die Kundenbedürfnisse zu befriedigen. Erträge sind die Folge, nicht das Ziel der unternehmerischen Tätigkeit.

Die unternehmerische Tätigkeit einer Bank wird allerdings je länger, je mehr von Fintech-Firmen herausgefordert …

Die herausragende Stärke der Fintech-Unternehmen ist in der Regel ein günstiges Einstiegsprodukt in Verbindung mit einer sehr guten Kundenerfahrung in den Bereichen Verfügbarkeit, Einfachheit, Schnelligkeit und ansprechendes Design. Fintech-Unternehmen konzentrieren sich auf ein schmales Angebot, das sie sehr gut beherrschen und mit dem sie schnell auf Marktbedürfnisse reagieren können. In diesen Bereichen lässt sich als Bank von Fintechs sehr viel lernen. Andererseits kann ein Finanzinstitut wie die Migros Bank ihren Kundinnen und Kunden das gesamte Sortiment an Finanzdienstleistungen anbieten und Mehrwert durch Beratung schaffen.

Beispielsweise?

Nehmen wir z.B. den Erwerb von Wohneigentum: Es reicht nicht, einfach nur eine Hypothek abzuschliessen. Diese Investition, die oft die grösste im Leben einer Privatperson darstellt, muss auch zum individuellen Risikoprofil und zur persönlichen Lebenssituation passen. Hier erlaubt der Einbezug einer professionellen Finanzplanung Optimierungsmöglichkeiten der Steuer- und Vorsorgesituation. Je nachdem sind noch weitere, auf die Vermögens- und Vorsorgesituation abgestimmte Beratungsdienstleistungen denkbar, beispielsweise wenn Sie die Immobilie versichern, energetisch sanieren, vererben oder verkaufen wollen. Das sind anspruchsvolle Fragen, bei denen wir als Bank unsere Stärken ausspielen können.

Braucht eine Bank Niederlassungen, um all diese Dienstleistungen anzubieten?

Immer mehr Bankgeschäfte lassen sich online abwickeln, und es werden weitere dazukommen. Die Corona-Krise hat gezeigt, dass viele Kundinnen und Kunden diesen Service sehr schätzen. Die Filiale andererseits ist ein Ort der Begegnung und des persönlichen Kontakts zu unseren Kundenbetreuerinnen und -betreuern. Die Kunden wählen ihren Kanal selbst: Die einen bevorzugen Online-Kanäle, die anderen schätzen das persönliche Beratungsgespräch. Unsere Aufgabe ist es, die entsprechenden Kanäle bereitzustellen und mit attraktiven Dienstleistungen zu bestücken. Die besondere Herausforderung besteht für die Migros Bank darin, die vielschichtigen Anforderungen unterschiedlicher Kundengruppen gut umzusetzen und dabei die teilweise sehr hohen Investitionskosten im Griff zu halten. Es sind schlussendlich unsere geschätzten Kunden, die durch die Nutzung von Dienstleistungen und Kanälen entscheiden, in welchen Bereichen die Bank investiert.

Wo ist das Bedürfnis nach Niederlassungen besonders gross?

Die Corona-Krise führt uns vor Augen, dass dort, wo die Migros Bank auf einer Vertrauensbeziehung zum Kunden aufbaut und ihre Fachkompetenz unter Beweis stellen kann, das Geschäft besonders gut läuft. Das betrifft z.B. Hypothekarfinanzierungen, Finanzplanungen, Vermögensverwaltungsmandate oder auch Firmenkundengeschäfte. Hier spielt das persönliche Gespräch eine grosse Rolle. Dabei findet zunehmend eine Verbindung von physischer Präsenz und digitalen Kanälen statt, indem z.B. Kundinnen und Kunden in der Niederlassung von einem Experten per Videoberaten werden oder ihnen die Möglichkeit gegeben wird, vor Ort Geschäfte digital selbst abzuwickeln. Vor diesem Hintergrund testen wir derzeit neue Niederlassungstypen, bei denen das Zusammenspiel von Persönlichem und Digitalem im Vordergrund steht. Das Ziel ist, das Beste aus den beiden Welten herauszuholen.

Sie erwähnten die Corona-Krise: Wie geht es im Bankgeschäft weiter?

Die Migros Bank hat während des Lockdown von ihren 67 Niederlassungen alle Standorte bis auf zehn geöffnet gehalten. Wir setzen alles daran, auch weiterhin unsere Kundinnen und Kunden unter den gegebenen Umständen bestmöglich zu bedienen. Ihre und unsere Gesundheit ist ein hohes Gut, das wir schützen wollen. Glastrennscheiben und sicheres Abstandhalten ermöglichen weiterhin persönliche Beratungen – vieles lässt sich aber schneller und effizienter am Telefon oder online erledigen.

Zur Person

Manuel Kunzelmann (46) arbeitete nach dem Studium der Betriebsökonomie zunächst zehn Jahre lang in verschiedenen Funktionen für die UBS und dann ab 2009 für die Basellandschaftliche Kantonalbank. Dort war er ab 2017 in der Geschäftsleitung für den Bereich Strategie und Marktleistung verantwortlich. Per 1. Mai 2020 wechselte er als CEO zur Migros Bank. Manuel Kunzelmann wohnt in Arlesheim und ist dreifacher Familienvater.

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