Trotz Corona-Krise und rückläufigem Wirtschaftswachstum bleibt die Nachfrage nach privatem Wohneigentum in der Schweiz dieses Jahr ungebrochen. Was dabei überraschen mag: Einfamilienhäuser erfreuen sich in vielen Regionen einer starken Nachfrage.
Erinnerungen an die 1960er- und 1970er-Jahre werden wach, als die Schweiz einen Bauboom erlebte. Oft zogen die Leute von der Stadt aufs Land. Ruhe, eine Lage im Grünen, die Nähe zur Natur, mehr Freiräume und Individualität waren hoch im Kurs. Das beschauliche Landleben, das Dorf als Sehnsuchtsort – das war mehrheitlich die Gegenposition zum stressigen Leben in der Stadt. Damals waren zudem noch reichlich Baulandreserven vorhanden. In Relation zu den Löhnen war dieser Wohntraum auch für den breiten Mittelstand erschwinglich.
Ökologische, raumplanerische und demografische Gründe gegen das eigene Haus
In den letzten 10 bis 15 Jahren verblasste allerdings der Glanz der Einfamilienhäuser. Raumplaner und Nachhaltigkeitsexperten melden wegen des hohen Landverbrauchs und eines erhöhten Aufwands an Ressourcen Vorbehalte an. In der Raumplanung und in der Praxis der Einzonungen von Bauland orientieren sich daher heute die meisten Kantone und Gemeinden am Grundsatz der «inneren Verdichtung». Neueinzonungen auf der grünen Wiese sind zu vermeiden, der Zersiedlung der Landschaft soll nicht weiter Vorschub geleistet werden.
Im Trend waren daher in den letzten Jahren Eigentumswohnungen bzw. Stockwerkeigentum als verdichtete Wohnform. Wenn heute die Wohneigentumsquote höher liegt als noch vor 20 oder 25 Jahren, ist dies vor allem auf die Popularität des Stockwerkeigentums zurückzuführen. Auch der Bau von Mietwohnungen lag über Jahre hoch, während die Erstellung neuer Einfamilienhäuser stetig rückläufig war. Die jährliche Neubauproduktion im Segment Einfamilienhäuser sank gegenüber Anfang der 2000er-Jahre um fast die Hälfte und erreicht aktuell noch rund 6500 Einheiten pro Jahr.
Begründet wird der Angebotsrückgang oft auch als Vorwegnahme einer langfristig sinkenden Nachfrage aufgrund des gesellschaftlichen Wandels. Das klassische, frei stehende Haus im Grünen sei immer weniger gefragt angesichts von mehr Einpersonenhaushalten und kleineren Familien. Zugleich wird auf den steigenden Anteil der Menschen im Alter «50 plus» und «60 plus» verwiesen, die nach dem Auszug der Kinder nicht in einem grossen Haus mit viel Umschwung und eigenem Garten wohnen wollen. Als alters- bzw. generationengerecht gilt für dieses Publikum eher eine zentrale Lage, mit einem sozialen Umfeld und einem altersgerechten Ausbau, z.B. eine Stockwerkeinheit in einer grösseren oder mittelgrossen Stadt.
Einfamilienhäuser in neuem Glanz
Der vor diesem Hintergrund befürchtete Einbruch bei den Einfamilienhauspreisen ist bis jetzt nicht eingetreten. Im Gegenteil: Die Preise von Einfamilienhäusern haben in den letzten ein bis zwei Jahren je nach Lage sogar überproportional zugelegt. «Viele Objekte stehen wie ein Fels in der Brandung und stellen offenbar einen soliden Wert dar – gerade in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit», beobachtet Patricia Reichelt. Die Leiterin Research & Marktanalyse bei der Migros-Bank-Partnerin CSL Immobilien AG erklärt: «Die Nachfrage nach Einfamilienhäusern ist ungebrochen, sie trifft aber auf ein zusehends knappes Angebot.» So komme es zwar durch den Generationenwechsel öfter zum Verkauf von Einfamilienhäusern früherer Baujahre. Doch wegen der deutlich rückläufigen Neubautätigkeit vermöge das Angebot die Nachfrage nicht zu befriedigen.
«Die Covid-19-Pandemie und der klare Trend zu mehr Home-Office verstärken den Wunsch nach den eigenen vier Wänden zusätzlich», erläutert Patricia Reichelt. Vielen Leuten mag die ländliche Idylle wie in den 1970er-Jahren wieder vermehrt als wünschenswerte Wohn- und Lebensform vor Augen stehen. Dies wäre eine durchaus nachvollziehbare Alternative zum «Social Distancing», das im städtischen Umfeld und bei hoher baulicher Dichte nicht immer leicht umzusetzen ist.
Hohe Preise sorgen für Stadtflucht
«Die Stadtflucht setzte schon vor Corona ein», erklärt Donato Scognamiglio, CEO des Zürcher Beratungsunternehmens IAZI. Als Grund nennt er das immer grössere Preisgefälle zwischen Land, mittelgrossen Zentren und teuren Städten. Das IAZI hat dazu die Preise von zehn Jahre alten, freistehenden Einfamilienhäusern mit 140 Quadratmetern Wohnfläche an unterschiedlichen Standorten im Kanton Zürich verglichen. In Zürich kostet dieses «Musterhaus» aktuell rund 2,3 Millionen Franken. In Bülach sind für dasselbe Objekt nur 1,3 Millionen Franken zu bezahlen. Noch weiter entfernt vom Zentrum, im ländlichen Bauma, ist es schon für 982’000 Franken zu haben. Daraus folgt: Wer bereit ist, rund eine Stunde Pendelzeit in Kauf zu nehmen, spart beim Immobilienkauf rund die Hälfte.
Ähnliches bestätigen viele Fachleute in verschiedenen Kantonen und Regionen der Schweiz. Beispielsweise Alfred Conrad von der Immobilien-Treuhand-Firma Conrad + Magnin in Chur sagt dazu: «Wir stellen eine verstärkte Nachfrage in Gemeinden etwas ausserhalb von Chur fest.» Es zeichne sich ein Trend in Richtung Ems, Domleschg, Zizers, Trimmis, Rhäzüns oder Bonaduz ab. Kaufobjekte und überhaupt Wohnraum seien aber auch in anderer Richtung gesucht, etwa in Maienfeld. Die Grossstädte bzw. der jeweilige Kantonshauptort stehen also nicht mehr unbedingt ganz zuoberst auf der Liste der bevorzugten Standorte. Trotzdem legen die Käufer von Eigenheimen grossen Wert auf eine gute Infrastruktur, auf die Erschliessung, das Freizeit- und Kulturangebot. Die These, dass nun sogar mehr Menschen aus dem Unterland in Richtung Land-, Berg- und Tourismusregionen tendierten, kann der Experte aus Chur hingegen nicht bestätigen. «Es wäre völlig falsch, zu glauben, es käme im Zug der Pandemie quasi zu einer Völkerwanderung von Zürich in Richtung Chur und Tourismusregionen», fasst Alfred Conrad zusammen.
Zumindest zeigen die laufenden Analysen von Marktforschungsinstituten wie Realmatch360 sowie die Suchabos von Wohnungssuchenden bei den grossen Immobilienportalen wie Homegate, ImmoScout oder Newhome, dass sich die Präferenzen dieses Jahr schon etwas verschoben haben. Die neusten Zahlen lassen fast übereinstimmend auf zwei Trends schliessen: Die Nachfrage nach Einfamilienhäusern ist gegenüber dem Vorjahr eindeutig gestiegen. Zum anderen verzeichnen ausserhalb der grossen Wirtschaftszentren wie Zürich, Genf oder Basel kleinere und mittelgrosse Städte ein verstärktes Interesse. Die Gründe dafür könnten vielfältig sein: Wenn immer mehr Branchen von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit betroffen sind, weichen Teile der Bevölkerung ganz einfach in preisgünstigere Regionen aus.
Romandie als Frühindikator
«Gesucht sind z.B. vergleichsweise preiswerte Kaufangebote in den kleineren und mittleren Zentren oder teils sogar in Richtung Berge», stellt Hervé Froideveaux vom Beratungsunternehmen Wüest Partner in Genf fest. Da auch im Raum Genf und im ganzen Wirtschaftsraum rund um den Lac Léman das Leben und Arbeiten im Home-Office stark an Bedeutung gewonnen hat, sind immer mehr Menschen bereit, in grösseren Entfernungen zu den Arbeits- und Wirtschaftszentren zu wohnen. Im Kanton Jura könnte dies zu einer zusätzlichen Nachfrage führen (Erreichbarkeit in Richtung Basel), dasselbe gilt für die Region rund um Murten und den Murtensee (gute Anbindung in Richtung Bern). Experten in der Romandie wie Hervé Froidevaux rechnen mit neuen Impulsen für kleinere und mittelgrosse Städte. Bulle im Kanton Freiburg galt eine Zeit lang als peripher, doch die Gemeinde westlich des Greyerzersees wird in einem solchen Umfeld im Wettbewerb der Standorte wieder besser abschneiden. Ähnliches gilt für Estavayer-le-Lac am Neuenburgersee und erst recht natürlich für Städte mittlerer Grösse wie Freiburg, Neuenburg oder Sitten.
Der Trend ist derzeit dermassen stark, dass Hervé Froideveaux im Zusammenhang mit Home-Office mit weit reichenden Veränderungen rechnet. «Ich könnte mir sogar vorstellen, dass die Folgen für das Wohnen deutlicher spürbar sein werden als im Bereich der Arbeitsplätze und des Bürobedarfs», so der Experte von Wüest Partner. Die Entwicklung ist auch nächstes Jahr preisbestimmend: «Aus unseren Befragungen bei Marktakteuren geht hervor, dass 2021 landesweit mit einem deutlich höheren Preisanstieg bei Einfamilienhäusern als bei Stockwerkeigentum zu rechnen ist», erläutert Patricia Reichelt von CSL Immobilien AG.
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Guter Artikel der jedoch nicht die Arbeitstrukturprobleme von Handwerker und die erhöhten Compliance und Baurechtanforderungen der Gemeinden anspricht. Die Overheadkosten eines in EFH in CH sind enorm und daher ensteht eine überproportionale Teuerung. Unabhängig von COVID und anderen Einflussfaktoren.