Die Rückkaufprogramme brummen

Trotz massiv gestiegenem Zinsniveau: Die Unternehmen kaufen weiterhin in rekordmässigem Umfang Aktien zurück. Die positiven Kursimpulse sind zu verlockend.

Es ist erstaunlich. Zwar verteuern sich mit den rasant gestiegenen und weiter steigenden Zinsen die Finanzierungskonditionen für die Unternehmen markant. Dennoch ist der Schuldenabbau nicht das Mittel der ersten Wahl bei der Gewinnverwendung. Stattdessen geben die Firmen weiterhin Unsummen für Aktienrückkäufe aus. Gemäss Berechnungen des Finanzdatenanbieters S&P Dow Jones kauften die Konzerne im S&P 500 von Oktober 2021 bis September 2022 Anteile im Wert von 982 Milliarden Dollar zurück. Diese Summe übertrifft den bisherigen Rekordwert: In der Vorjahresperiode fiel das Volumen der «Buybacks» noch rund 100 Milliarden Dollar tiefer aus.

Einsamer Spitzenreiter bei den Rückkäufen war einmal mehr Apple. Der iPhone-Hersteller wendete hierfür rund 88 Milliarden Dollar auf – deutlich mehr als die 60 Milliarden, die Alphabet auf dem zweiten Platz ausgab. Insgesamt kauften alleine die zehn grössten US-Unternehmen Aktien im Wert von 285 Milliarden Dollar zurück (siehe Grafik).

Mit solchen Summen spielen die Amerikaner in einer eigenen Liga. Aber auch in Europa ist die Anteilsrücknahme längst zu einem verbreiteten Mittel der Bilanzbewirtschaftung geworden. Im deutschen DAX etwa stechen beispielsweise das Industrieunternehmen Linde plc mit 10 Milliarden oder Siemens mit 3 Milliarden Euro hervor.

Ein probates Mittel zur Kurspflege

Die Beweggründe für umfangreiche Aktienrückkaufprogramme sind so simpel wie umstritten und lassen sich gut am Beispiel von Mercedes illustrieren. Der Stuttgarter Autobauer kündigte letzte Woche an, ab März Aktien für vier Milliarden Euro zurückzukaufen. Die Börse reagierte prompt: Der Kurs der Mercedes-Aktie hat seither um mehr als 1,9 Prozent zugelegt. Der Gesamtindex ist im gleichen Zeitraum um knapp 0,9 Prozent zurückgegangen.

Die Kursreaktion bei den Mercedes-Titeln ist typisch und verwundert nicht. Denn mit grossangelegten Buyback-Programmen verknappen die Unternehmen das Angebot an öffentlich verfügbaren Anteilsscheinen. Das heisst, dass sich die Gewinne und Dividenden auf weniger Aktien verteilen. Dem Gesetz von Angebot und Nachfrage folgend, treibt dies die Kurse. Und zwar nicht zu knapp. Berechnungen von HQ Trust zufolge war in den letzten zehn Jahren bei den amerikanischen Unternehmen rund ein Viertel der Gewinnsteigerung pro Aktie den Rückkaufprogrammen geschuldet.

Kein Wunder also, dass kritische Stimmen von reiner Bilanzkosmetik sprechen. Und ebenso wenig überrascht es, dass Aktienrückkäufe der Politik schon seit je her ein Dorn im Auge sind – in den USA wurden sie im Nachgang zum Börsen-Crash und der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre sogar zeitweilig verboten.

Der Staat sieht eine Einnahmequelle

Ein erneutes Verbot ist gegenwärtig kein Thema. Vielmehr sehen politische Akteure in Zeiten leerer Staatskassen mögliche Einnahmenquellen, die sich mit den Aktienrückkäufen auftun. So verhängte in den USA die Administration Biden eine seit diesem Jahr geltende Steuer von einem Prozent auf zurückgekaufte Aktienvolumen. Für die Unternehmen verteuern sich damit zwar die Buyback-Programme. Die zusätzlichen Kosten dürften aber zu marginal ausfallen, als dass sie einen signifikanten Einfluss auf den Umfang von Aktienrückkäufen hätten.

Präsident Joe Biden möchte die neue Steuer zwar vervierfachen und dadurch zusätzliche Fiskalerträge generieren, doch seine Chancen sind gering. Denn um dieses Vorhaben durchzubringen, ist Biden auf die Zustimmung des US-Kongresses angewiesen. Hierfür wären mehrere republikanische Stimmen nötig, was als äusserst unwahrscheinlich gilt.

Ein massgeblicher Rückgang des Rückkaufvolumens zeichnet sich damit nicht ab. Zwar dürften die Unternehmen angesichts deutlich gestiegener Zinskosten vermehrt die Aufmerksamkeit dem Schuldenabbau zuwenden. In Zeiten konjunkturellen Gegenwindes und somit unter Druck stehender operativer Gewinne bleiben Aktienrückkäufe zur Kurspflege aber ein mehr als attraktives Vorgehen. Ob man das für reine Bilanzkosmetik oder für eine normale Bilanzbewirtschaftung hält, ist letztlich unerheblich. Denn solange Buybacks helfen, das Investoreninteresse an den eigenen Aktien hochzuhalten, haben die Unternehmen wenig Interesse daran, von dieser Praxis abzurücken.

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