Den Preisen zum Trotz: Zum Wohl!

Die Bierpreise in der Schweiz sind weiter angestiegen. Sie stehen beispielhaft für eine anhaltend hohe Nahrungsmittelinflation. Gleichzeitig mahnen sie, zurückgehende Teuerungsraten differenziert zu interpretieren.

Kürzlich war ich mit Freunden zum Feierabendbier verabredet. Ein Halbliter – wer gibt sich bei diesen Temperaturen schon mit einer «Stange» ab? – des erfrischenden Hopfengetränks kostete uns in einer Kneipe im Herzen von Zürich mehr als 8 Franken. Genauer gesagt 8 Franken und dreissig Rappen. Wir wollen schliesslich trotz des bierseligen Themas präzise bleiben, versteht sich.

Diese Präzisierung auf die Rappenstelle ist zudem nicht unerheblich. Denn wer ab und an mit trockener Kehle einen Streifzug durch Zürich macht, haut es ob den 8.30 Franken weder aus den Socken noch kippt man gleich vom Barhocker. Preise in der Region von 9 Franken sind keine Seltenheit, und die 10-Franke-Marke wird zumindest vereinzelt ins Visier genommen.

Als Landei aus der Ostschweiz ist die Versuchung gross, diese preislichen Gefilde mit dem typischen Seufzer «Ach, Zürich halt!» abzutun. Wissen wir doch die vergleichsweise moderaten hiesigen Preise zu schätzen. Ein Halbliter Bier kostet in vielen Dorfbeizen noch unter 6 Franken. 8.30 oder mehr für einen «Kübel»? Unvorstellbar. Man hätte als Wirt zwar nicht gleich den Lynchmob zu befürchten. Aber vielleicht auch nur deswegen nicht, weil alle sowieso einen weiten Bogen um die Gaststätte machen würden.

Bier kostet auch im Laden mehr

Wischen wir uns also den Bierschaum vom Mund und lassen Zürich einfach nur Zürich sein? So einfach ist es indessen nicht. Denn die Bierpreise haben auch in der Ostschweiz angezogen und folgen damit einem landesweiten Trend. Verglichen mit dem Vormonat legten die Preise für die hopfige Erfrischung im Juni schweizweit um 0,2 Prozent zu. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum belief sich die Preissteigerung sogar auf 2,3 Prozent. Und auch wer den kühlen Gerstensaft lieber im Detailhandel kauft, kommt preislich nicht ungeschoren davon, sondern wird im Gegenteil noch stärker zur Kasse gebeten. Im Vergleich zum Vorjahr kostet Bier aus dem Ladenregal 6,3 Prozent mehr; gegenüber dem Vormonat beläuft sich der Preisauftrieb immerhin auf 0,3 Prozent.

Der Trend bei den Bierpreisen steht damit im Widerspruch zur allgemeinen Teuerungsentwicklung. Bei dieser sind seit Februar deutliche Entspannungsanzeichen auszumachen. So fiel die jährliche Gesamtinflationsrate zuletzt auf 1,7 Prozent zurück. Die Kernteuerungsrate – also jene Grösse, bei der die volatile Energie- und Nahrungsmittelkomponente herausgerechnet wird – notiert aktuell bei knapp 1,8 Prozent. Dies, nachdem sie im Februar noch bei rund 2,4 Prozent lag.

Ist die Preisentwicklung beim Hopfengetränk also nur ein sprichwörtlicher Sturm im Wasser- bzw. Bierglas? Ich bin mir da nicht so sicher und neige zu einem etwas langweiligen «sowohl als auch». So sollte angesichts der Bedeutung von Bier im typischen Warenkorb die Kirche im Dorf bzw. das Fass im Keller gelassen werden. Auch wenn in einigen Teilen nördlich unserer Landesgrenze Bier nach wie vor als Grundnahrungsmittel angesehen wird, spielt es hierzulande mit Blick auf die private Konsumnachfrage eine untergeordnete Rolle. Im Landesindex der Konsumentenpreise fällt den Ausgaben für Bier gerade mal ein Gewicht von einem halben Prozent zu (Detailhandel und Gasstätten). Von daher scheint mir die Tragik der Bierpreissteigerung doch eher überschaubar.

Das Problem geht tiefer

Dennoch gibt es auch eine andere Betrachtung. Je nach dem, kann sich die gefühlte Bierpreisinflation doch etwas schmerzlich bemerkbar machen. Denken wir beispielsweise an das eingangs erwähnte Treffen zum Feierabendbier zurück, wo es – nicht gänzlich überraschend – nicht nur bei einer Runde blieb. Die Zeche fiel merklich höher aus als auch schon. Und wenn ich an all die Open-Airs und nicht zuletzt an die näher rückenden Oktoberfeste denke – wo wahrscheinlich nicht kalorienreduzierter Himbeersirup das Standardgetränk darstellt –, so können die Bierpreise das Fest-Budget durchaus empfindlich belasten. Noch bedenklicher scheint mir, dass die Bierpreise symptomatisch für die Entwicklung bei den Nahrungsmittelpreisen sind – und das erst noch in abgeschwächter Form. Denn entgegen dem allgemeinen Inflationstrend verharrt die Teuerungsrate dort auf deutlich überschiessendem Niveau. Auf Jahresbasis belief sich im Juni der Preisauftrieb für diese Hauptgruppe auf hohe 5,1 Prozent.

Dies ist erstens herausfordernd, weil den Ausgaben für Nahrungsmittel ein deutlich höheres Gewicht (11 Prozent) zufällt als den Kosten für den Biergenuss. Es ist zweitens problematisch, weil die verschiedenen Einkommensschichten unterschiedlich belastet werden. Bei tieferen Einkommen machen die Aufwendungen für Nahrungsmittel einen höheren Anteil an den Gesamtausgaben aus, als dies bei höheren Einkommen der Fall ist. Und es ist drittens nicht zu unterschätzen, weil die Inflationsrate lediglich eine Seite des Preisumfeldes ist: Denn bei Betrachtung des Preisniveaus wird mehr als deutlich, dass wir uns auch in der Schweiz mit teilweise empfindlich gestiegenen Lebenshaltungskosten konfrontiert sehen (siehe Grafik).

Ja, die Bierpreise sind deutlich gestiegen. Mehr noch: Sie illustrieren, was in der verbreiteten Erleichterung über abnehmende Gesamtinflationsraten meiner Meinung nach zu wenig Beachtung findet: Die Preisentspannung hat (noch) nicht überall eingesetzt und der hohe Aufwärtsdruck bleibt gerade bei jenen Ausgabekategorien bestehen, wo viele schlicht und einfach nicht ausweichen können. Ich denke, das sollten wir im Hinterkopf behalten, wenn die nächsten Inflationsdaten veröffentlicht werden. Was wir definitiv nicht sollten: Uns das gelegentliche Feierabendbier vermiesen lassen. Prost!

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