Um die Beziehungen zwischen den USA und China steht es nicht zum Besten. Das zeigt sich an vielen Fragen der Geo- und Handelspolitik. Und an einem pelzigen Erdenbewohner.
Heute wird es haarig. Oder knuffig. Oder niedlich. Vielleicht auch alles zusammen. Es geht nämlich um – Pandabären. Ja, Sie haben richtig gelesen: Pandas. Selbst die schwarz-weissen Pelzträger sind nicht davor gefeit, von uns in unserer Publikation «Blickpunkt» unter die Lupe genommen zu werden.
Natürlich geht es bei unserem thematischen Ausflug ins Tierreich nicht nur um die stets gemütlich wirkenden Bären an sich. Schliesslich handelt es sich beim «Blickpunkt» ja doch um einen Wirtschafts- und Finanzblog. Aus diesem Grund kommen wir nicht umhin, den Pandas nicht einfach nur beim Bambuskauen oder – ebenfalls sehr wahrscheinlich – beim Schlafen zuzuschauen, sondern wir müssen sie als Indikator für die nicht immer ganz so niedliche Wirtschaftswelt instrumentalisieren.
Ein Werkzeug der chinesischen Aussenpolitik
Doch der Reihe nach. Pandabären gelten als ziemlich fortpflanzungsfaul und sind – eine unweigerliche Folge dieser Eigenschaft – eine rar gesäte Art. In freier Wildbahn leben Schätzungen zufolge rund 2000 Tiere. Hinzu kommen 600 Exemplare, die in Zoos rund um den Globus gehalten werden. Letztere gehören ausnahmslos China. So auch Mei Xiang, Tian Tian und Xiao Qi, die Pandas des Washingtoner Zoos.
Warum das wichtig ist? Pandabären sind putzig, sind Besuchermagnete und für grosse Zoos deshalb oftmals ein Prestigeprojekt. Weil ihre Haltung aber trotz ihres behäbigen Wesens anspruchsvoll ist und das Angebot an potenzieller Zuchttiere – Fortpflanzungsfaulheit lässt grüssen – äusserst beschränkt ist, hält China ein Monopol auf die begehrten Zooattraktionen. Und das Reich der Mitte weiss aus diesem Umstand durchaus Kapital zu schlagen. Die Verleihung von Pandas wird in aller Regel an umfangreiche Geschäftsverträge bis hin zu Freihandelsabkommen geknüpft. Von positiver Publicity ganz zu schweigen: So eröffnete den Panda Garden in Berlin Xi Jinping gemeinsam mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der Panda – er ist nicht nur weltweit bekanntes Symbol des Umwelt- und Artenschutzes, sondern steht auch für handfeste Wirtschaftsinteressen Pekings, das dem Kapitalismus bekanntlich mit mehr als nur Argwohn gegenübersteht.
Botschafter des guten Willens
Kehren wir zurück in die USA zu Mei Xiang und seinen Artgenossen. Die ersten Pandas kamen 1972 nach Washington. Der damalige chinesische Staatspräsident Mao Tse-tung löste damit ein Versprechen ein, das er dem amerikanischen Präsidenten Richard Nixon gegeben hatte. Die tierische Ausfuhr von China in die USA sollten als Zeichen des gegenseitigen Interessens an guten Beziehungen zwischen der Supermacht und dem aufstrebenden Wirtschaftsriesen gewertet werden. Zudem: Gespräche über die niedlichen Tiere bargen auch damals bereits deutlich weniger Stolperfallen als etwaige Diskussionen über Menschenrechtsverletzungen. Damit war der Begriff der «Panda-Diplomatie» geboren. Die flauschigen Pelzträger als Botschafter des guten Willens.
Mit diesem guten Willen zwischen den USA und China ist es seit geraumer Zeit vorbei. Die grösste und zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt bewegen sich zusehends auf Konfrontationskurs. Der Handelskonflikt, das lauter werdende Säbelrasseln rund um die Taiwan-Frage oder der Umgang mit dem Aggressor Putin – in Peking und Washington ist man sich primär darüber einig, dass man sich nicht einig ist. Kommt hinzu, dass China zuletzt mit dem milliardenschweren Verkauf amerikanischer Staatsanleihen begonnen hat und das Handelsvolumen zwischen den beiden Wirtschaftsmächten eine deutlich sinkende Tendenz aufweist (siehe Grafik).
Dies wirkt nicht eben vertrauenserweckend in einer Zeit, in der zwischen Peking und Washington zwar nicht gerade Eiszeit, aber doch ein äusserst frostiges Klima herrscht. Fragt sich, was die Pandas damit zu tun haben? Sehr viel. Auch wenn sie sich – zum guten Glück für die Bären – dessen kaum bewusst sein dürften. Denn einundfünfzig Jahre nachdem das erste schwarz-weisse Pelztier aus China seine Tatze auf amerikanischen Boden setzte, soll mit der «Panda-Diplomatie» nun Schluss sein. China will die entsprechenden Verträge allem Anschein nach nicht verlängern, und somit dürften die Bären im Dezember zurück ins Reich der Mitte gehen.
Ein symbolträchtiges Unterfangen
Ist das von entscheidender Tragweite? Ich würde Ihnen den sprichwörtlichen Bären aufbinden, wenn ich dies behaupten würde. Die USA haben innen- und aussenpolitisch genug Herausforderungen, als dass es ins Gewicht fallen würde, ob in Washington Pandas bewundert werden können oder nicht. Rein materiell dürfte zudem auch die pelzige Repatriierung nichts an der Beziehung zwischen Peking und Washington ändern. Und dennoch: Ein ungutes Gefühl bleibt. Denn es ist durchaus anzunehmen, dass China das Zurückholen der Pandas als bewussten Nadelstich setzt und um dessen symbolträchtige Wirkung weiss.
Denn auch wenn sich das chinesische Aussenministerium zum Thema mehr oder weniger ausschweigt, ist es doch bezeichnend, dass ausgerechnet Pandas aus den USA heimgeholt werden. Zoos in Doha oder Thailand etwa sind von der Rückführungsaktion nicht betroffen.
Es ist eine eigenartige Zeit, wenn darüber spekuliert werden muss, ob der Umgang mit Zoopandas eine Art Stellvertreter-Scharmützel der Weltmächte ist. Bei einer optimistischen Interpretation kann man dabei zum Schluss gelangen, dass noch Hoffnung besteht, solange nur Pandabären ein Objekt von Spannungen sind. Persönlich bin ich der Meinung, dass es bereits weit gekommen sein muss, wenn sanftmütige Tiere zum Spielball geostrategischen Geplänkels geworden sind. Vielleicht sollten wir uns alle gerade in der aktuellen Weltlage etwas mehr am Wesen der Pandabären orientieren. Wir sollten in den Zoo fahren und ihnen beim Bambuskauen und beim Schlafen zusehen.
Die nächsten Pandas befinden sich im Tiergarten Schönbrunn in Wien.
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