Im Immobilienmarkt ist es für eine Entwarnung zu früh. Doch die Resultate der Sommerumfrage 2020 von CSL Immobilien, einer Partnerin der Migros Bank, wecken Hoffnungen: Trotz Corona-Schock besteht in den Schweizer Wirtschaftszentren weiterhin Nachfrage nach Büroflächen. Der Wohnmarkt seinerseits präsentiert sich kaum tangiert von der Pandemie.
Rund 300 Marktakteure haben an der diesjährigen Sommerumfrage von CSL Immobilien in den fünf grössten Schweizer Wirtschaftsräumen Zürich, Genf, Basel, Bern und Lausanne teilgenommen – so viele wie noch nie seit der erstmaligen Durchführung der Umfrage 2007. Die Resultate zeigen, dass die Zäsur im Immobilienmarkt aufgrund der Covid-19-Pandemie bislang geringer als befürchtet ist. Dies gilt für den Büro- und insbesondere den Wohnmarkt.
(Noch) keine Zäsur wie nach der Finanzkrise
Die Nachfrage nach Büroflächen hat in den meisten Regionen und Quartierlagen spürbar nachgelassen. Für Zuversicht sorgt aber der Umstand, dass wachsende und neu gegründete Unternehmen weiterhin Flächen suchen und damit Zusatznachfrage generieren. Im Wirtschaftsraum Zürich sank die Nachfrage von wachsenden und neu gegründeten Unternehmen zwar im Vorjahresvergleich um einen Drittel. Doch immerhin noch 16 Prozent der Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer gaben an, dass Wachstum oder Neugründungen die Hauptmotivation für die Nachfrage war. In Basel nannte sogar wie im Vorjahr ein Drittel der befragten Marktakteure diese beiden Hauptgründe. Im Vergleich dazu waren nach der Finanzkrise 2008 Neugründungen und Wachstum als treibende Faktoren im Büroflächenmarkt deutlich stärker zurückgegangen. Stattdessen spielten Kostensenkungen sowie Standort- und räumliche Optimierung bei der Nachfrage eine viele grössere Rolle als heute. Dieser Unterschied könnte ein Zeichen dafür sein, dass der Büromarkt in den kommenden Jahren eine weniger heftige Zäsur erleiden wird als vor 12 Jahren.
Auch auf dem Berner Büromarkt sind Lichtblicke für eine Zusatznachfrage erkennbar. Immerhin gaben dort 16 Prozent der Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer Wachstum und Neugründungen als Hauptgrund für die Nachfrage an. Anders sieht es in der Romandie aus: Weder in Genf noch in Lausanne wurden Wachstum oder Neugründungen 2020 als wichtigster Nachfragegrund genannt.
Was die Aussichten für nächstes Jahr betrifft, fallen die Einschätzungen in der Westschweiz unter den fünf Wirtschaftsregionen am negativsten aus. Insbesondere in Bern, aber teils auch in Basel wird die zukünftige Entwicklung im Büroflächenmarkt weniger pessimistisch beurteilt. Dennoch sind sich die meisten Befragten in allen Regionen einig: Bei den Büroimmobilien werden die Mietpreise sinken und die Leerstände ansteigen. Der letztjährige Optimismus für eine Erholung des Büromarkts ist vorerst verpufft.
Hauptgründe für die aktuelle Nachfrage nach Büroflächen
Citylagen trotzen der Krise
Am besten durch die Krise kommen Büroflächenbesitzer mit Liegenschaften an Citylagen: In allen fünf Zentren vermeldet ein grosser Teil der Marktakteure eine weiterhin hohe Nachfrage nach solchen Standorten. In Zürich gilt dies für zwei Drittel der Befragten, in Basel für 89 Prozent, und in Bern ist der Anteil mit 85 Prozent sogar deutlich höher als im Vorjahr. Auch Lausannes City bleibt äusserst gefragt. In Genf dagegen beurteilen nur rund die Hälfte der Befragten die Nachfrage als positiv. Damit hinkt die Rhonestadt anderen Wirtschaftszentren weiterhin hinterher.
Shared-Office-Betreiber holen weiter auf
Umso dynamischer zeigt sich die Westschweizer Büroflächenmarkt im Bereich der Co-Working-Anbieter. In Genf machen diese mittlerweile 18 Prozent der Nachfrage aus, in Lausanne sind die Shared-Office-Betreiber sogar mit einem Drittel der wichtigste Nachfrager auf dem Markt. In Basel ist der Anteil solcher Anbieter von 10 auf 15 Prozent gestiegen, in Bern hat er sich von 4 auf 11 Prozent mehr als verdoppelt. Nur in Zürich ist der Anteil innert Jahresfrist gesunken, nämlich von 12 auf 5 Prozent. In der Limmatstadt haben sich im Vergleich zu den anderen Wirtschaftszentren jedoch bereits mehrere Anbieter mit zahlreichen Standorten etabliert. Shared-Office-Anbieter sind offensichtlich gekommen, um zu bleiben.
Unterschiedliche Tendenzen im Wohnmarkt
Was den Wohnmarkt betrifft, hätte man gegenüber dem Vorjahr eine breite Verschiebung der Nachfrage zu «mehr Grün» erwarten können – dies als Reaktion auf den Lockdown und die damit verbundene höhere Wertschätzung für ein schönes Zuhause. Doch die Unterschiede zu 2019 sind sowohl im Eigentumssegment als auch im Mietwohnungsmarkt in allen fünf Regionen so minim, dass kein genereller Trend erkennbar ist. Ein klareres Bild zeigt sich bei der erwarteten Kaufpreisentwicklung für das kommende Jahr: Die Marktakteure sehen landesweit einen deutlich höheren Preisanstieg für Einfamilienhäuser als für Stockwerkeigentum. Bei den prognostizierten Mietpreisen zeigt sich eine Verstärkung der Tendenzen des Vorjahrs: einerseits leicht steigende Mieten in den Zentren und andererseits weiterhin sinkende Mietzinse in den ländlichen Gebieten.