Mit verschiedenen Massnahmen fördert die Migros Bank die Flexibilisierung der Arbeit. Ein Beispiel ist die Co-Leitung von Teams im Bereich Konsumkredite – mit positiven Ergebnissen.
Claudia Gavela, Tamara Wagner, seit Januar 2019 teilen Sie sich die Führung eines der Teams, das bei der Migros Bank für die Bewilligung von Konsumkrediten zuständig ist. Wie viele Stellenprozente haben Sie beide?
Claudia Gavela: Tamara und ich haben je ein 60-Prozent-Pensum.
Tamara Wagner: Das heisst, mittwochs sind wir jeweils beide da, um uns abzusprechen. Zudem finden an diesem Tag Team- und Teamleitersitzungen sowie Bila-Gespräche statt.
Wie kam es zur Idee, die Teamleitung zu teilen?
Claudia Gavela: Nach der Mutterschaft wollte ich mein Pensum als Teamleiterin von 100 auf 60 Prozent reduzieren. Doch eine Führungsposition im Bereich Konsumkredite setzt einen Mindestbeschäftigungsgrad von 80 bis 90 Prozent voraus. Da kamen mir zwei Zufälle zu Hilfe. Erstens war meine Stellvertreterin Tamara ebenfalls schwanger, und zweitens fand genau in jener Zeit eine Senior-Managementkonferenz statt, an der die Förderung von Jobsharing in Führungsfunktionen angeregt wurde.
Tamara Wagner: Weil wir schon seit langem gut zusammengearbeitet hatten, war unser Vorgesetzter sofort bereit, ein Pilotprojekt mit der Co-Leitung von Teams zu starten.
Wie sieht die Aufgabenteilung aus?
Tamara Wagner: Grundsätzlich sind wir beide für alles verantwortlich. Was am Tag ansteht, wird von der Person erledigt, die anwesend ist.
Wie gross ist der Koordinationsaufwand?
Claudia Gavela: Der Aufwand ist nicht zu unterschätzen – es braucht eine gute Dokumentation und Kommunikation, um die andere Person auf dem Laufenden zu halten. Dafür haben wir einen Ordner mit verschiedenen Excel-Files, in dem wir täglich wichtige Informationen und Ereignisse festhalten. Zudem tauschen wir uns teilweise auch ausserhalb unseren Arbeitszeiten via Mail und Telefon aus.
Tamara Wagner: Wir waren uns von Anfang an bewusst, dass wir auch zu Hause unsere Mails checken oder für dringende Anrufe erreichbar sein müssen. Aber der weitaus grösste Teil der Absprachen erfolgt über den erwähnten Ordner und über den gemeinsamen Mittwoch.
Der persönliche Austausch am Mittwoch ist also nicht das einzige Instrument zur Koordination…
Tamara Wagner: Nein, unser Jobsharing würde auch ohne einen regelmässig überlappenden Tag funktionieren, also z.B. mit einer 50-50- oder 40-60-Aufteilung der beiden Pensen. Es kam schon vor, dass wir uns ferienbedingt mehrere Wochen nicht persönlich getroffen haben und ausschliesslich telefonisch und schriftlich kommunizierten.
Wie fällen Sie gemeinsame Entscheidungen?
Claudia Gavela: Da Tamara seit Jahren meine Stellvertreterin ist, fallen uns die gemeinsamen Entscheidungen leicht. Wir sind meist gleicher Meinung.
Was sind die grössten Herausforderungen, mit denen Sie in der Co-Leitung von Teams konfrontiert sind?
Claudia Gavela: Meine grösste Sorge zu Beginn war, wie die Mitarbeitenden reagieren, wenn sie plötzlich zwei Chefinnen haben. In der Folge war ich überrascht, wie positiv das Team auf die neue Konstellation reagiert hat. Wir haben die Möglichkeit für Feedback eingerichtet – es gab aber keine negativen Rückmeldungen, obwohl das Feedback anonym erfolgen konnte. Wichtig war halt, dass wir bereits im Vorfeld die Spielregeln klar kommuniziert haben.
Mit «Spielregeln» meinen Sie beispielsweise, dass Mitarbeitende für die Besprechung eines Anliegens nicht die Anwesenheit der zweiten Teamleiterin abwarten? Vielleicht weil sie sich dann mehr Erfolgsaussichten versprechen?
Claudia Gavela: Die Mitarbeitenden respektieren, dass die anwesende Teamleiterin endgültig entscheidet.
Eine andere Herausforderung beim Jobsharing ist, dass man loslassen muss. War das ein Problem für Sie?
Tamara Wagner: Nein. Ich kann mich zu Hause voll auf meine Familie konzentrieren. Und falls doch irgendein geschäftliches Anliegen dazwischenkommt, nehme ich mir eben die dafür nötige Zeit.
Claudia Gavela: Solange ich allein für die Teamführung verantwortlich war, war es meine Art, Aufgaben möglichst umgehend zu erledigen. Ich musste mich daran gewöhnen, dass ich nun Pendenzen Tamara übergeben kann. Aber das geht gut, denn ich weiss, dass Tamara ähnlich denkt wie ich und alles im Griff hat. Dieses Vertrauen muss da sein, damit man mit gutem Gewissen daheim sein kann.
Ein Vorteil geteilter Führungsaufgaben ist, dass sich die Personen in ihren Kompetenzen und Qualitäten ergänzen können. Ist das bei Ihnen auch so?
Tamara Wagner: Ja, wir ergänzen uns sehr gut. Da Claudia schon sieben Jahre lang ein Team führt und ich erst seit kurzem, kann ich viel von ihr profitieren, vor allem bei Mitarbeitergesprächen.
Claudia Gavela: Umgekehrt kann ich von Tamara im Tagesgeschäft sehr viel profitieren, denn am Mittwoch, wenn wir beide da sind, wechseln wir uns in den Funktionen von Teamleitung und Sachbearbeitung ab. Bei Letzterer verfügt Tamara über enorm viel Know-how. Zudem bringt ihre ruhige Art mich an stressigen Tagen zur Ruhe.
Tamara Wagner: Wir sind also verschiedene Persönlichkeiten, und doch ergänzen wir uns perfekt.
Sie ergänzen sich nicht nur perfekt, Sie standen auch beide vor derselben klassischen Entscheidung: Karriere oder Familie. Jobsharing in Führungspositionen scheint ideal, um den Anteil von weiblichen Führungskräften zu erhöhen.
Claudia Gavela: Ja, es ist eine attraktive Option, wenn die Personen zusammenpassen.
Tamara Wagner: Und sie ist natürlich auch für Männer interessant, die z.B. mehr Zeit mit der Familie verbringen möchten.
Was braucht es, damit wir bei der Migros Bank noch mehr Jobsharing in Führungspositionen haben?
Tamara Wagner: Es braucht Personen, die sich gut verstehen, die einander vertrauen, die bereit sind, sich auch ausserhalb der Arbeitszeit auszutauschen, …
Claudia Gavela: … und die ein gemeinsames Ziel vor Augen haben – im Bewusstsein, dass sie aufeinander angewiesen sind. Jobsharing in der Führungsposition wäre beispielsweise unmöglich bei zwei ausgeprägten Alphatieren, die einen Wettkampf darüber austragen, wer die Nummer eins ist. Die Co-Leitung von Teams funktioniert nur nach dem Prinzip «zwei in eins».
Guten Tag
Danke für den Artikel. Ich habe selber Erfahrung mit Co-Leitung. Gemäss Artikel müssen die beiden Personen sehr gut zusammenpassen. Es ist somit ein Personen-orientierter und nicht ein Organisationsstruktur-orientierter Ansatz, der sich gezielt in einer Organisation verbreiten lässt.
Beim Artikel finde ich widersprüchlich, dass die beiden fast immer gleicher Meinung sind, sich aber doch sehr unterschiedlich wahrnehmen.
Meine Erfahrung ist, dass die Entscheide bei Unterschiedlichkeit besser werden könn(t)en, dass dies aber sehr aufwändig und anstrengend sein kann und beide Leitungspersonen hindern kann, ihre Stärken voll zu entfalten.
Kurz ich finde den Artikel etwas zu optimistisch und werbend.
Gruss Peter Ettlin, Oekonom