Bitcoin-Energieverbrauch: Ist der Bitcoin nur eine Energieschleuder oder das neue digitale Gold?

Die Kryptowährung Bitcoin basiert auf einem globalen IT-Netzwerk, das viel Energie benötigt. Ist es unnötig viel Energie? Die Antwort fällt je nach Betrachtungsweise anders aus.

«Wir sollten Bitcoins verbieten.» Solche Worte ist man von einzelnen Finanzmarktbehörden gewohnt. Denn der Handel mit Bitcoins und anderen Kryptowährungen ist traditionell wenig reguliert und daher oft intransparent. Dieselbe Forderung wird aber auch von ganz anderer Seite erhoben. «Wir sollten Bitcoins verbieten», verlangte in einem Interview mit dem Newsportal watson.ch Paul Niggli. Der ehemalige Krisenmanager des Schweizer Stromnetzbetreibers Swissgrid hält das energieintensive Bitcoin-Netzwerk für unverantwortbar – dies mit Blick auf eine mögliche saisonale Stromknappheit in Wintermonaten.

Warum braucht der Bitcoin so viel Energie?

Der Bitcoin basiert wie die meisten anderen Kryptowährungen auf Blockchains – kontinuierlich erweiterten Ketten von verschlüsselten Datensätzen, auf denen sämtliche Transaktionen gespeichert sind. Die Verifizierung und Verarbeitung erfordern Rechenleistung. Wer diese zur Verfügung stellt, erhält einerseits Transaktionsgebühren, andererseits (und das ist der interessantere Teil) die Chance auf die Zuteilung neuer Coins. Beim Bitcoin bemisst sich die Zuteilung nach Arbeitsleistung – eine Belohnung für die Lösung aufwendiger mathematischer Aufgaben. Dafür sind maximal 21 Millionen Coins vorgesehen. 90 Prozent sind bereits im Umlauf. Bis aber auch die letzten 10 Prozent vergeben sind, wird es noch mehrere Jahrzehnte dauern. Die mathematischen Aufgaben werden nämlich laufend komplexer und benötigen so immer mehr Rechenleistung.
Dieses sogenannte Proof-of-Work-Konzept (PoW) des Bitcoins hat daher einen grossen Nachteil: Es ist extrem energieintensiv. Viele Kryptowährungen wählen daher einen Alternativansatz, nämlich das Proof-of-Stake-Konzept (PoS). Es braucht deutlich weniger Energie. Denn bei PoS bemisst sich die Chance auf Zuteilung neuer Coins nicht aufgrund gelöster mathematischer Aufgaben, sondern nach dem persönlichen Anteil an der jeweiligen Kryptowährung.

0,1 bis 0,3 Prozent des weltweiten Strombedarfs für Bitcoin-Energieverbrauch

Die Kritik am Bitcoin als angebliche Energieschleuder wurde bereits vor den Energiesorgen erhoben, die uns seit dem Ukraine-Krieg immer stärker bewegen. So titelte z.B. «Newsweek» schon 2017, das Bitcoin-Netzwerk drohe bis Ende 2020 den gesamten weltweiten Energiebedarf zu beanspruchen.

Die Lichter gingen Ende 2020 nicht aus – die Befürchtungen von «Newsweek» haben sich als stark überzogen herausgestellt. Die globale IT-Infrastruktur des Bitcoin-Netzwerks beanspruche nur 0,1 bis 0,3 Prozent des weltweiten Strombedarfs, relativierte 2019 die International Energy Agency (IEA). Während Hype-Phasen im Kryptomarkt dürften wir uns tendenziell eher am oberen Rand der Bandbreite bewegen. Aktuell sind wir am unteren Rand, zeigt der Cambridge Bitcoin Consumption Index der University of Cambridge. Diese meistzitierte Quelle für den Bitcoin-Energiebedarf schätzt den jährlichen Energiebedarf derzeit auf gut 130 Terrawattstunden (TWh). Das ist weniger als 0,1 Prozent des weltweiten Energiebedarfs von rund 170’000 TWh.

Sind 0,1 bis 0,3 Prozent viel oder wenig? Absolut betrachtet ist es wenig, gewissermassen in der Grössenordnung eines Rundungsfehlers. Relativ betrachtet ist es aber viel, z.B. im Vergleich zur globalen Bankindustrie. Diese kommt gemäss einer Studie von Galaxy Digital, einer Investmentfirma für digitale Vermögenswerte, auf einen Jahresverbrauch von gut 260 TWh. Das wäre nur rund das Doppelte des Bitcoin-Netzwerks, obwohl die traditionelle Bankwirtschaft eine sehr viel grössere Zahl von Menschen bedient und ein deutlich breiteres Angebot von Finanzdienstleistungen umfasst.

Mehr als 300 Gramm Elektroschrott pro Transaktion

Nicht nur im Vergleich zur herkömmlichen Bankbranche erscheint die Umweltbelastung des Bitcoin-Netzwerks hoch. Sondern auch umgerechnet pro Transaktion. Gemäss der Webseite Digiconomist braucht eine Bitcoin-Transaktion mehr als 600 kWh Strom – das ist der Bedarf eines US-Durchschnittshaushalts während über 20 Tagen. Zu berücksichtigen sind dabei laut Digiconomist pro Transaktion auch mehr als 300 Gramm Elektroschrott aus der Hardware des globalen IT-Netzwerks (das entspricht zwei Handys) und umgerechnet über 300 kg CO2 (so viel wie mehrere 100’000 Visa-Kreditkartentransaktionen zusammen).

Allerdings muss der hohe Verbrauch pro Transaktion relativiert werden:

  • Erstens gab es in den vergangenen Jahren entscheidende Fortschritte bei der Blockchain-Technologie, auf welcher der Bitcoin basiert. So eröffnen sogenannte Layer-2-Netzwerke wie Lightning zusätzliche Transaktionskanäle, die nachträglich zur Hauptblockchain hinzugefügt werden. Eine Bitcoin-Transaktion auf Blockchain kann dadurch praktisch eine beliebig hohe Anzahl Mikro-Transaktionen umfassen. Dieser Umstand macht das Herunterbrechen des gesamten Energieverbrauchs auf eine einzelne Zahlung extrem schwierig.
  • Zweitens: Vom Energiebedarf des Bitcoin-Netzwerks entfällt nur ein kleiner Teil auf die Verarbeitung von Transaktionen. Der Grossteil stammt vom Sicherstellen des Netzwerks und vom sogenannten «Schürfen» neuer Bitcoins. Letzteres erfordert enorm viel Rechenleistung für das Lösen mathematischer Aufgaben (Prinzip des Proof-of-Work, siehe Textbox oben). Das heisst: Nicht nur wer in Bitcoins zahlt, braucht Energie, sondern auch Anleger*innen, die nach dem Prinzip «Buy and hold» Bitcoins einmal kaufen und dann zu Anlagewecken behalten.

Wollen wir uns den Bitcoin-Energieverbrauch leisten?

Letztlich lautet die Frage nicht: Verbraucht das Bitcoin-Netzwerk (zu) viel Energie? Sondern: Wollen wir uns diesen Energieverbrauch leisten? Das Besondere der Bitcoins ist, dass ihre Anzahl auf 21 Millionen Einheiten begrenzt ist. Dies im Unterschied zu den Währungen der Notenbanken, die theoretisch in unbeschränkter Höhe gedruckt werden können und damit ein ständiges latentes Inflationsrisiko bergen. Wer also der Geldpolitik der Währungshüter grundsätzlich misstraut und irgendwann eine ausufernde Inflation fürchtet, wird bereit sein, etwas mehr Energieverbrauch für das Bitcoin-Netzwerk in Kauf zu nehmen. Nach dieser Lesart könnte man das Bitcoin-Netzwerk gewissermassen als eine Art Notfallsystem verstehen, das Stand-by läuft und bei einer monetären Krise einspringt.

Aktuell scheint die Zeit für einen Ersatz der traditionellen Währungssysteme durch Bitcoins noch nicht reif zu sein. Das zeigen die Tests in der Praxis. El Salvador führte 2021 den Bitcoin als Landeswährung ein – die Erfahrungen fallen seither durchzogen aus. Noch schlechter verlief das Experiment in der Republik Zentralafrika: Das Land war dem Beispiel El Salvadors gefolgt – und setzte 2023 den Bitcoin nach nur einem Jahr als Landeswährung wieder ab.

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