Der Dollar hat als globale Leitwährung noch lange nicht ausgedient. Daran wird auch die zweite Präsidentschaft Trumps nichts ändern. Langfristig ist aber auch der Greenback nicht vor allfälliger Bedeutungsverschiebung gefeit.
«Am Dollar hängt es, zum Dollar drängt es.» Etwa so liesse sich die globalwirtschaftliche Bedeutung der amerikanischen Währung umschreiben, seit sie zur Mitte des letzten Jahrhunderts das britische Pfund als globale Leitwährung verdrängt hat. Dotcom-Debakel, Finanzkrise, Terror-Anschläge, eine erratische erste Trump-Präsidentschaft oder das Vorbeischrammen an bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Zuge der Kapitol-Erstürmung – nichts vermochte in den letzten Jahrzehnten die unangefochtene Dominanz des Greenbacks ernsthaft in Bedrängnis zu bringen.
Trump sorgt für Verunsicherung…
Wird sich diese Vormachtstellung des Dollars auf absehbare Zeit halten, oder gerät sie ins Wanken? Spätestens mit dem erneuten Einzug Donald Trumps ins Weisse Haus werden vermehrt Stimmen laut, welche zwar nicht gerade den Abgesang auf die US-Währung anstimmen, aber deren unangefochtene Vorherrschaft zumindest erodieren sehen. Das sich abzeichnende Regierungsprogramm Trumps mit zunehmenden Handelsstreitigkeiten, Isolationismus, Defizitausweitungen und protektionistischen Schutzzöllen lösen Verunsicherung aus, was die amerikanischen Staatsfinanzen und die Attraktivität der USA als Investitionsstandort anbelangt.
Wir erachten diese Befürchtungen nicht als gänzlich unberechtigt, halten sie aber vorerst für überzogen und den Dollar als widerstandsfähig genug, um auch diese stürmischen Zeiten weitgehend unbeschadet zu überstehen. Wenn man sich anschaut, worauf die Macht des Dollars beruht, führt unseres Erachtens noch lange kein Weg am Greenback vorbei. Denn Rolle des Dollars als weltweite Leitwährung fusst vor allem auf drei Gründen:
…bringt den Dollar aber nicht in Gefahr
Erstens sind die USA die einzige Supermacht der Welt. Das gilt umso mehr, seit Chinas Aufholjagd aufgrund binnenwirtschaftlicher Probleme, einem zunehmenden internationalen Argwohn und einer kriselnden Globalisierung jäh gebremst wurde. Amerikas einzigartige militärische und ökonomische Power ist wieder unbestritten. Dass die wertvollsten und innovativsten Unternehmen in den Vereinigten Staaten domiziliert sind, ist ebenso Tatsache wie der Spitzenplatz, den die USA regelmässig bei den unterschiedlichen Rankings zur Unternehmerfreundlichkeit belegen. Dies alles geht einher mit einer entsprechend hohen Strahlkraft.
Zweitens zählen Dollar-Investments zu den liquidesten Anlagen überhaupt. Das liegt nicht nur an der enormen Grösse der amerikanischen Wirtschaft – das Bruttoinlandprodukt der Vereinigten Staaten ist grösser als die Wirtschaftsleistung der drei nächstgrössten Volkswirtschaften (China, Deutschland, Japan) zusammen –, sondern auch am riesigen Kapitalmarkt und der weitverbreiteten Dollar-Anbindung. So umfasst allein der Markt für US-Staatsanleihen mehr als 28 Billionen Dollar. Gleichzeitig halten dutzende Länder dieser Welt ihre Währung an den Dollar gekoppelt, und praktisch alle entscheidenden Rohstoffe sowie viele wichtige Vermögenswerte sind in Dollars denominiert. Damit verfügen Dollar-Anlage über höchstmögliche Liquidität – die Handelbarkeit ist so gross, wie in keiner anderen Währung.
Drittens verfügen die USA allen innenpolitischen Wirren der letzten Jahre zum Trotz über eine institutionelle Stabilität. Auch wenn Donald Trump damit kokettiert: Das Land wird nicht von einem Diktator mit Allmachtbefugnissen regiert. Die Institutionen – nicht zuletzt auch die Notenbank – sind durch weitreichende «Checks and Balances» vor einer Herrschaftswillkür geschützt und machen die USA damit zu einem Rechtsstaat, in dem «Macht durch Recht» und nicht «Recht durch Macht» gilt. Zwar kann die Rechtsprechung insbesondere des Supreme Courts, der höchsten Gerichtsinstanz der USA, je nach Zusammensetzung durchaus eine politische Färbung aufweisen. Das liegt aber in der verfassungsmässig festgelegten Art und Weise, in der die obersten Richterinnen und Richter bestellt werden. Die Gewaltenteilung und die Rechtssicherheit können in den USA ungeachtet zuweilen aufkommender Diskussionen als gegeben betrachtet werden.
Der Euro als Alternative? Hm…
Eine zugrundeliegende ökonomische und militärische Vormachtstellung, die mit Abstand grösstmögliche Liquidität und eine stabile rechtsstaatliche Basis – es ist diese Kombination, welche die Dominanz des Dollars ausmacht und die Suche nach Kandidaten für eine mögliche Leitwährungsalternative im Sand verlaufen lässt. So scheidet bereits schon der Euro aus.
Zwar ist die Gemeinschaftswährung, gemessen am Volumen internationaler Transaktionen oder der Kapitalmarktgrösse. unbestrittenermassen die zweitwichtigste Währung der Welt. Doch dem Euro fehlt einerseits zunehmend das Investorenvertrauen aufgrund einer überbordenden EU-Bürokratie, und er ist andererseits weit davon entfernt, eine stabile Währung zu sein. Nur gerade rund 25 Jahre alt, schlitterte die dem Euro zugrunde liegende Währungsunion schon mehrmals mehr oder weniger knapp an einem Auseinanderbrechen vorbei. Selbst wenn man die politisch verfahrene (Sackgasse-)Situationen und die teilweise desaströse Haushaltslage einzelner Mitgliedsstaaten ausklammert – letztlich konnte der Euro den Konstruktionsfehler der ersten Sekunde niemals überwinden. Dass nämlich Haushaltsentscheidungen auf nationaler Ebene getroffen werden, während die Geldpolitik für den gesamten Währungsraum gilt, führt für die Eurozone immer wieder zu Zerreissproben. Unter all diesen Voraussetzungen ist die Entthronung des Dollars durch den Euro schlicht und einfach illusorisch.
Und was ist mit dem Yuan?
Wenn der Euro nicht das Zeug zur globalen Leitwährung hat, wäre allenfalls der chinesische Yuan und damit die Währung der zweitgrössten Volkswirtschaft ein valabler Kandidat? Auch diesen Überlegungen kann schnell eine Abfuhr erteilt werden. So versandeten Pekings Versuche, die internationale Verwendung des Yuans zu fördern und so einer möglichen Entwicklung in Richtung Leitwährung Vorschub zu leisten. Das hat einerseits mit der Grösse zu tun: Die chinesische Wirtschaftsleistung ist um einen Drittel tiefer als jene der USA, und Chinas Kapitalmärkte sind in Vergleich zu ihren amerikanischen Pendants verschwindend klein und unbedeutend.
Andererseits ist das Reich der Mitte im Gegensatz zu den USA keine freie Demokratie. Die Gesellschaft wie auch die Unternehmen unterliegen zu einem grossen Grad letztlich der Willkür der Kommunistischen Partei, was aus internationaler Investorensicht natürlich eine ausgeprägte Zurückhaltung bewirkt. Die institutionelle Unabhängigkeit und Stabilität wie in den USA ist in China nicht gegeben. Dass das Regime in Peking mittels strikter Kapitalverkehrskontrolle den freien grenzüberschreitenden Geldfluss kontrolliert oder teilweise sogar unterbindet, lässt sich ebenso wenig als vertrauensfördernd bezeichnen wie auch die zunehmenden Spannungen zwischen China und den USA. Sollte die Situation zwischen den beiden Rivalen dereinst tatsächlich eskalieren, möchte wohl kaum jemand lieber im Yuan als im Dollar investiert sein.
Es gibt ja nicht nur klassische Währungen
Vielleicht liegt die Alternative zum Dollar aber gar nicht in einer klassischen Währung, sondern in einer anderen Anlage? In Kryptowährungen beispielsweise – also quasi ein Bitcoin-Standard anstelle des aufgegebenen Goldstandards? Abhängig von der weiteren Entwicklung und Akzeptanz von Kryptos, wollen wir diese Möglichkeit nicht a priori ausschliessen. Gegenwärtig und wohl noch für längere Zeit, ist das Vertrauen in Bitcoin & Co. noch deutlich zu wenig ausgeprägt, und die Verbreitung ist in dem Sinne noch völlig unzulänglich, als dass breite Massen jederzeit unkompliziert darauf Zugriff hätten. Kommt hinzu, dass gerade bei Bitcoin die Volatilität schlicht und einfach zu hoch ist. Das für eine weltweite Leitwährung notwendige Stabilitätskriterium ist in keiner Art und Weise erfüllt.
Kein Blankoscheck
Der Euro ist es nicht. Der Yuan ist es nicht. Die Kryptos sind es nicht. Ist der Dollar als Leitwährung tatsächlich alternativlos? Die ebenso kurze wie zutreffende Antwort lautet: Ja, sie ist es. Zumindest jetzt und für viele Jahre oder gar Jahrzehnte. Das eingangs erwähnte Regierungsprogramm Trumps – es wird den Dollar nicht in Bedrängnis bringen.
Langfristig betrachtet tun die USA und deren Regierungen aber doch gut daran, die Macht des Dollars nicht als Blankoscheck für einen immer grösseren Schuldenberg oder eine immer kompromisslosere Handels- und Interessenspolitik zu missbrauchen. Denn auch wenn die Dollar-Dominanz mittelfristig nicht in Gefahr ist – die grossen Verschiebungen an den Devisenmärkten geschehen in der Regel zwar sehr langsam, aber sie finden statt. Dabei kann durchaus etwas anscheinend Unumstössliches umgestossen werden, und eine weltweit alles dominierende Währung ist plötzlich nur noch eine Beliebige von vielen. Man frage die Briten.
Disclaimer
Die in dieser Publikation der Migros Bank AG enthaltenen Informationen dienen zu Werbe- und Informationszwecken gemäss Art. 68 des Finanzdienstleistungsgesetzes. Sie sind nicht das Ergebnis einer (unabhängigen) Finanzanalyse. Die darin enthaltenen Informationen begründen weder eine Aufforderung, ein Angebot noch eine Empfehlung zum Kauf und Verkauf von Anlageinstrumenten oder zur Durchführung bestimmter Transaktionen oder zum Abschluss eines anderen Rechtsgeschäftes, sondern haben ausschliesslich beschreibenden, informativen Charakter. Die Informationen stellen weder ein Kotierungsinserat, ein Basisinformationsblatt noch einen Prospekt dar. Insbesondere stellen sie keine persönliche Empfehlung oder Anlageberatung dar. Sie berücksichtigen weder Anlageziele, das bestehende Portfolio noch die Risikobereitschaft oder Risikofähigkeit oder finanzielle Situation oder andere besondere Bedürfnisse des Empfängers. Der Empfänger ist ausdrücklich aufgerufen, seine allfälligen Anlageentscheide auf Grund eigener Abklärungen inklusive Studium der rechtsverbindlichen Basisinformationsblätter und Prospekte oder auf der Informationsbasis einer Anlageberatung zu treffen. Die rechtsverbindlichen Produktdokumentationen sind, sofern diese vorgeschrieben und vom Emittenten bereitgestellt wurden, über migrosbank.ch/bib erhältlich. Die Migros Bank übernimmt keine Garantie für die Richtigkeit bzw. die Vollständigkeit der vorliegenden Informationen und lehnt jegliche Haftung für allfällige Verluste oder Schäden irgendwelcher Art ab, welche durch den Gebrauch dieser Information entstehen könnten. Die vorliegenden Informationen stellen lediglich eine Momentaufnahme im aufgedruckten Zeitpunkt dar; es erfolgen keine automatischen, regelmässigen Anpassungen.