Die amerikanische Notenbank Fed senkte zum ersten Mal seit vier Jahren den Leitzins. Sie nahm eine Lockerung um 50 Basispunkte auf nunmehr 5,00 Prozent (oberes Band) vor und gab damit den Markterwartungen einer Monstersenkung nach.
Zum Schluss wurde es doch noch spannend. Hatte im Vorfeld der heutigen Zinsentscheidung Einigkeit geherrscht, dass sich die Fed vom höchsten Zinsniveau seit rund 24 Jahren verabschieden würde, nahmen zuletzt die Spekulationen über den Senkungsumfang zu. Während Analysten tendenziell von einer «kleinen» Lockerung von 0,25 Prozentpunkten (25 Basispunkten) ausgingen, erwarteten Investoren generell eine Senkung um gleich 0,5 Prozentpunkte (50 Basispunkte). Die Terminmärkte implizierten zuletzt eine Wahrscheinlichkeit eines solchen «grossen» Schritts von über 65 Prozent.
Nicht unvoreingenommene Erwartungen
Zwar argumentierten die Anhänger eines 50er-Schrittes mit der eingesetzten Abkühlung am amerikanischen Arbeitsmarkt. Da die US-Notenbank ein Doppelmandat besitzt – also der Wahrung der Preisstabilität und der Aufrechterhaltung möglichst optimaler konjunktureller Rahmenbedingungen verpflichtet ist –, sahen sie den Zeitpunkt als gekommen, dem aufkeimenden Konjunkturgegenwind gleich mit geldpolitischer Verve entgegenzutreten.
Diese Sichtweise entbehrt nicht einer gewissen Logik. Allerdings muss aber auch gesagt werden, dass Aktieninvestoren wohl eine gewisse Objektivität missen lassen. Tiefe Zinsen sind gut für die Aktienmarktperformance, und noch tiefere Zinsen sind noch besser. Folglich schwang in den Terminmarkterwartungen eine gehörige Portion Hoffnung auf möglichst günstige Liquidität mit und war entsprechend mit Vorsicht zu geniessen. In der Vergangenheit erwiesen sich die Zinssenkungserwartungen der Anleger schon mehrmals als überzogen und zu ambitioniert. Der Wunsch ist auch an den Finanzmärkten nicht selten der Vater des Gedankens.
Allen Unkenrufen zum Trotz: Die US-Konjunktur ist robust
Dass sich die Fed dennoch dieser Erwartungshaltung beugte und den Leitzins doch um 50 Basispunkte senkte, ist irritierend. Denn erstens zeigten die August-Teuerungsdaten einmal mehr, dass die Inflation noch nicht wunschgemäss zurückgedrängt ist. So bewirken insbesondere die Wohnkosten weiterhin einen erhöhten Preisauftrieb, der die Kerninflation auf hohen 3,2 Prozent verharren lässt. Zweitens befindet sich die Konjunktur in den USA weiterhin in einer sehr robusten Situation. Das hohe Zinsniveau vermochte die Ausgabefreudigkeit der Amerikanerinnen und Amerikaner bislang nicht zu trüben, und die Konsumkredite erreichten sogar neue Höchststände. Da überrascht es wenig, dass der Echtzeitindikator des Atlanta-Fed für 2024 auf ein Wirtschaftswachstum von 3 Prozent hindeutet.
Die Abkühlungsanzeichen am Arbeitsmarkt beurteilen wir vor diesem Hintergrund weiterhin nicht als Vorboten eines eigentlichen Einbruchs, sondern im Gegenteil als Beginn einer gesunden Normalisierung nach einer alarmierend starken Überhitzung. Kommt hinzu, dass das jährliche Lohnwachstum nach wie vor bei hohen 4,6 Prozent liegt.
Ein kontraproduktiver Schritt?
In diesem Umfeld einen äussert unüblichen 50er-Senkungsschritt vorzunehmen, beurteilen wir als unangebracht und sendet zudem das Signal aus, dass es um die US-Wirtschaft schlechter bestellt ist, als die Konjunkturdaten dies anzeigen. Es ist daher nicht auszuschliessen, dass mit dieser grossen Lockerung das allgemeine Vertrauen Schaden nimmt und dadurch den Wachstumspfad empfindlich unterminiert.
Insofern halten wir die Zinssenkung um 50 Basispunkte für ein zu forsches Vorgehen, das zum konjunkturellen Bumerang werden kann. Richtig erscheint uns hingegen der von Vorsicht geprägte Absenkungspfad, wie ihn der sogenannte Dot Plot andeutet: Insgesamt erwarten die stimmberechtigen Mitglieder des Fed-Offenmarktauschusses, dass der Leitzins bis Ende 2025 zwischen 3,25 und 3,5 Prozent liegen wird, was immer noch deutlich höher als die Markterwartung ist. Dies bekräftigt uns – trotz des heutigen Paukenschlags – in unserer Prognose, wonach die Fed insgesamt eine behutsame Gangart anschlägt.
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