Fachkräftemangel: Eine entscheidende Herausforderung für die Wohlfahrt der Schweiz

In der Schweiz verharrt die Arbeitslosigkeit auf einem sehr tiefen Niveau. Gleichzeitig häufen sich die Meldungen über den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Die Beschäftigten können jedoch nicht vom Fachkräftemangel profitieren und müssen im dritten Jahr in Folge Reallohnverluste hinnehmen.

Der Schweizer Arbeitsmarkt ist aktuell in einer guten Verfassung. Die Arbeitslosenquote ist im historischen Vergleich tief, und die bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) angemeldeten Arbeitslosen finden in der Regel schnell eine neue Beschäftigung. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen (d.h. Personen, die länger als 12 Monate beim RAV gemeldet sind) befindet sich auf dem niedrigsten Stand der letzten 20 Jahre. Diese Aussage gilt ebenfalls für die Jungendarbeitslosigkeit, also die Arbeitslosigkeit von Personen zwischen 15 und 24 Jahren. Deshalb kann man behaupten, dass in der Schweiz Vollbeschäftigung herrscht.

Es ist nicht alles Gold, was glänzt

Allerdings gibt es auch eine Kehrseite der Medaille: Der Schweizer Wirtschaft fehlen Arbeitskräfte. Und dies aus mehreren Gründen. Die Alterung der Gesellschaft stellt für die Schweiz eine grosse Herausforderung dar, da die Zahl der Berufseinsteiger nicht ausreicht, die Zahl der aus Altersgründen ausscheidenden Personen zu ersetzen. Zudem gibt es Wirtschaftszweige, die sich schneller entwickelt haben, als das Schweizer Bildungssystem qualifiziertes Personal auszubilden vermag. Schliesslich existieren unattraktive Berufe aufgrund der Arbeitsbedingungen (Arbeitszeiten, körperliche bzw. psychische Anstrengung) oder aufgrund der Entlöhnung.

Der vom Personaldienstleister Adecco in Zusammenarbeit mit der Universität Zürich herausgegebene Fachkraftmängel-Index setzt die ausgeschriebenen Stellen ins Verhältnis zu den Stellensuchenden. Im laufenden Jahr hat er eine deutliche Zunahme verzeichnet. Mit anderen Worten: Der Fachkräftemangel ist gestiegen. Dringend gesucht werden Spezialistinnen und Spezialisten in Gesundheitsberufen sowie Fachkräfte in IT, technischen Berufen und im Baugewerbe. Demgegenüber gibt es einige Sektoren, bei denen ein Überangebot besteht: Es gibt mehr Stellensuchende als freie Plätze im sozialwissenschaftlichen und kulturellen Bereich. Diese Ergebnisse verdeutlichen die existierende Diskrepanz zwischen den Ausbildungsentscheidungen der jungen Generationen und den Bedürfnissen der Wirtschaft.

Es gibt kein einfaches Rezept gegen für den Fachkräftemangel. Kurzfristig können Arbeitskräfte – auch dank der Personenfreizügigkeit – unkompliziert im Ausland rekrutiert werden. Die eingewanderten Arbeitnehmenden haben aber auch ihre eigenen Bedürfnisse, was Infrastruktur, Bildung und Gesundheit angehen. Es entsteht eine zusätzliche Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen aus Bereichen, die ihrerseits bereits Rekrutierungsschwierigkeiten haben. Eine nachhaltigere Lösung ist eine bessere Nutzung des inländischen Potenzials. Dazu dienen Massnahmen zur Förderung einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie zur Steigerung der Attraktivität gewisser Berufsbilder und Arbeitgeber.

Trotz Fachkräftemangel: Auch dieses Jahr kein Reallohnwachstum

Die Beschäftigten scheinen nicht von ihrer gestärkten Position auf dem Arbeitsmarkt zu profitieren. Im Gegensatz zum Ausland sind die hiesigen Arbeitgeber deutlich zurückhaltender und die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften schwächer. Dies führt dazu, dass eine Reallohnsenkung für das dritte Jahr in Folge zu erwarten ist. Basierend auf den Daten der ersten drei Quartale 2023 weist der vom Bundesamt für Statistik veröffentlichte Nominallohnindex ein Wachstum von 1,8 Prozent gegenüber der gleichen Vorjahresperiode auf. In den ersten neun Monaten des laufenden Jahres betrug die durchschnittliche Inflationsrate 2,3 Prozent. Dies ergibt einen Reallohnrückgang von 0,5 Prozent.

Für das vierte Quartal 2023 gehen wir von einem stabilen Verlauf der Nominallöhne aus, während die Inflation im November und Dezember zulegen wird. Aufgrund der Zunahme im letzten Juni des hypothekarischen Referenzzinssatzes dürfen die Vermieter den Mietzins auf den nächstmöglichen Kündigungstermin — üblicherweise Ende September — erhöhen. Dies wird sich im November im Landesindex der Konsumentenpreise spiegeln und zu einem Anstieg der Inflation führen.

Deshalb rechnen wir damit, dass der Rückgang der Reallöhne für das gesamte Jahr 2023 einige Zehntel-Prozentpunkte höher ausfallen wird als der aktuelle Wert. Darüber hinaus werden die stark angestiegenen Krankenkassenprämien das Budget der Schweizer Haushalte belasten. Zumindest wird die Abnahme der Reallöhne nicht ganz so dramatisch wie im Jahr 2022 ausfallen, als die Schweizer Arbeitnehmenden den stärksten Rückgang der Reallöhne seit dem Zweiten Weltkrieg hinnehmen mussten (-1,9 Prozent).

Disclaimer
Die in dieser Publikation der Migros Bank AG enthaltenen Informationen dienen zu Werbe- und Informationszwecken gemäss Art. 68 des Finanzdienstleistungsgesetzes. Sie sind nicht das Ergebnis einer (unabhängigen) Finanzanalyse. Die darin enthaltenen Informationen begründen weder eine Aufforderung, ein Angebot noch eine Empfehlung zum Kauf und Verkauf von Anlageinstrumenten oder zur Durchführung bestimmter Transaktionen oder zum Abschluss eines anderen Rechtsgeschäftes, sondern haben ausschliesslich beschreibenden, informativen Charakter. Die Informationen stellen weder ein Kotierungsinserat, ein Basisinformationsblatt noch einen Prospekt dar. Insbesondere stellen sie keine persönliche Empfehlung oder Anlageberatung dar. Sie berücksichtigen weder Anlageziele, das bestehende Portfolio noch die Risikobereitschaft oder Risikofähigkeit oder finanzielle Situation oder andere besondere Bedürfnisse des Empfängers. Der Empfänger ist ausdrücklich aufgerufen, seine allfälligen Anlageentscheide auf Grund eigener Abklärungen inklusive Studium der rechtsverbindlichen Basisinformationsblätter und Prospekte oder auf der Informationsbasis einer Anlageberatung zu treffen. Die rechtsverbindlichen Produktdokumentationen sind, sofern diese vorgeschrieben und vom Emittenten bereitgestellt wurden, über migrosbank.ch/bib erhältlich. Die Migros Bank übernimmt keine Garantie für die Richtigkeit bzw. die Vollständigkeit der vorliegenden Informationen und lehnt jegliche Haftung für allfällige Verluste oder Schäden irgendwelcher Art ab, welche durch den Gebrauch dieser Information entstehen könnten. Die vorliegenden Informationen stellen lediglich eine Momentaufnahme im aufgedruckten Zeitpunkt dar; es erfolgen keine automatischen, regelmässigen Anpassungen.

Ähnliche Beiträge