Investoren achten zusehends darauf, dass Unternehmen soziale, wirtschaftliche und umweltschonende Standards einhalten. Im zweiten Teil unseres Dreiteilers zur Nachhaltigkeitsanalyse vertiefen wir die sozialen Mindeststandards für Unternehmen und Staaten. Sie leiten sich aus den UN-Menschenrechten ab.
Nachhaltigkeit basiert auf den drei Standbeinen Umwelt, Soziales und gute Führung. Der Begriff Soziales ist allerdings breit gefasst – viel breiter als der Aspekt Umwelt, den wir im ersten Teil unserer Nachhaltigkeitsserie behandelt haben. Hier mischen sich nationales und internationales Recht, gesellschaftliche Normen sowie individuelle Vorstellungen von Gerechtigkeit und Freiheit.
Wie die Moral zum Recht wird
Mit dem kategorischen Imperativ formulierte der deutsche Philosoph Immanuel Kant (1724-1804) ein moralisches Grundprinzip: «Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die Du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.» Dies bedeutet, wenn jeder Mensch dieselbe Handlung ohne Ausnahme vornehmen kann, ist die Handlung für die Gesellschaft erstrebenswert. Das gewährleistet, dass nicht nur zugunsten des eigenen Vorteils entschieden wird, sondern alle betroffenen Menschen berücksichtigt werden.
Zu diesem Zweck wurde eine Reihe von internationalen Abkommen entwickelt. Das Wichtigste ist die «Allgemeine Erklärung der Menschrechte» der Vereinten Nationen. Die Menschenrechte unterscheiden sich von anderen Rechten. Sie stehen jedem Menschen aufgrund seines Menschseins zu und haben universelle Geltung. Selbst wenn die Menschenrechte nicht in der Verfassung oder in Einzelgesetzen des jeweiligen Landes verankert sind, sind Staaten völkerrechtlich an die Menschenrechte gebunden. In der Regel jedoch geschieht diese Bindung durch die Ratifizierung eines Menschenrechtsabkommens. Bestimmte menschenrechtliche Normen wie das absolute Folterverbot gelten selbst ohne Ratifizierung für alle Staaten .
Weniger bekannt, aber ebenfalls essentiell für die Gestaltung von Sozialstandards ist die «Internationale Arbeitsorganisation», kurz ILO (Englisch: International Labour Organization). 1919 in Versailles gegründet, ist die ILO eine UNO-Sonderorganisation zur Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der Menschen- und Arbeitsrechte. Sie entwickelt die internationalen Arbeitsstandards in rechtsverbindlichen Konventionen und spricht unverbindliche Empfehlungen an die 187 Mitgliedsstaaten aus.
Die genannten Abkommen werden von den meisten Ländern ratifiziert (die USA sind allerdings 2018 aus dem UN-Menschenrechtsrat ausgetreten). Im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses können die Abkommen in nationales Recht überführt werden. Somit gelten grundsätzlich weltweit übereinstimmende Vorstellungen zu sozialen Mindestrechten.
Vom Staat zu den Unternehmen
Die genannten Abkommen betreffen ausschliesslich Staaten. In der Schweiz hat der Bundesrat deshalb im Rahmen der «UNO Leitprinzipien für Menschenrechte» die Erwartungen an Unternehmen formuliert, wie sie ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten in Übereinstimmung mit den Menschenrechten umsetzen sollen. So werden die Abkommen, welche teilweise in Gesetze einfliessen, auch für Unternehmen zugänglich. Bestes Beispiel hierfür ist der «UN Global Compact», eine freiwillige Initiative zwischen der UNO und den unterzeichnenden Unternehmen, welche sich zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichten (siehe Infobox). Zum heutigen Zeitpunkt haben 9‘933 Unternehmen aus 160 Ländern das Abkommen unterzeichnet und erstatten jährlich Bericht. Der Migros Konzern und damit auch die Migros Bank traten bereits 2006 dieser UN-Initiative bei.
Da ein Verstoss gegen diese Prinzipien nicht direkt geahndet wird, ist die Überprüfung durch unabhängige Drittparteien wie Nichtregierungsorganisationen von zentraler Bedeutung. Mit der Analyse von öffentlichen Informationen wie Medienartikel oder Regierungsberichten lassen sich nicht nur Worte, sondern auch die Taten der Firmen beurteilen. Genau hier setzt der Anlageprozess der Migros Bank an.
Anlageprozess Soziales in der Migros Bank
Obwohl viele Unternehmen den «UN Global Compact» unterzeichnet haben und sich an die nationale Gesetzgebung halten sollten, kommt es immer wieder zu Verstössen gegen die zehn Grundsätze. Um diese auszuwerten, hat unser Partner MSCI ESG Research den sogenannten Kontroversenansatz entwickelt. Dabei werden unabhängige Quellen analysiert und bewertet. Wird ein Verstoss als schwerwiegend und strukturell eingestuft, wird das Unternehmen aus dem nachhaltigen Anlageuniversum der Migros Bank entfernt. Beispiele von nicht zugelassen Unternehmen sind VW aufgrund des Dieselskandals oder der Pharmakonzern Novartis, der in Griechenland mehrmals ranghohe Politiker, darunter einen ehemaligen Premierminister, bestochen haben soll. So wird sichergestellt, dass das Portfolio die universell geltenden sozialen Mindeststandards erfüllt.
Abbildung 1: Nachhaltiger Anlageprozess der Migros Bank
Alleine die Einhaltung von Mindeststandards garantiert Unternehmen noch keinen Wettbewerbsvorteil. Erfolgreiche Firmen gehen über die Standards hinaus und beteiligen sich aktiv an der gesellschaftlichen Entwicklung und beziehen alle Anspruchsgruppen in die Produktion und Entwicklung ihrer Produkte mit ein. Aus diesem Grund wurden zusätzlich zum Ausschluss der kontroversen Unternehmen ökonomisch relevante Faktoren definiert. Dabei wird dasselbe Konzept wie im Teil eins unserer Serie verwendet. Kurz zusammengefasst werden bei jeder Branche zwei bis vier Schlüsselthemen aus der nachfolgenden Tabelle ausgewählt und bewertet. Zusammen mit der Bewertung der Umwelt und der Unternehmensführung ergibt sich das sogenannte ESG-Rating. Nur die besten Unternehmen jeder Branche finden Eingang in die Migros Bank Fonds.
Abbildung 2: Soziale Chancen und Risiken
4 Kategorien | 15 Schlüsselthemen | |
---|---|---|
Humankapital | Personalmanagement Gesundheit und Sicherheit | Personalentwicklung Arbeitsstandards Lieferkette |
Produktverantwortung | Produktsicherheit & -qualität Chemische Sicherheit Sicherheit Finanzprodukte | Privatsphäre & Datensicherheit Nachhaltige Anlagen Gesundheits- & Demographierisiken |
Opposition Anspruchsgruppen | Umstrittene Beschaffungsmethoden | |
Chancen Soziales | Zugang Kommunikation Zugang Finanzdienstleistungen | Zugang Gesundheitssystem Chancen Ernährung & Gesundheit |
Quelle: MSCI ESG Research |
Weiterführende Informationen
- Ableitung und Charakteristika der Menschenrechte (Deutsch)
- UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte
- Homepage des UN Global Compact
- ABC der Menschenrechte
Ist die Migros-Bank beim nachhaltiger Anlageprozess so transparent, dass sie eine Liste der Unternehmen veröffentlicht, welche in die Fonds der Migros-Bank Eingang finden, sowie eine Liste, welche Unternehmen da ausgeschlossen sind?
Sehr geehrter Herr Schwilch
Ich kann Ihre Frage nach Transparenz gut nachvollziehen. Ich möchte Ihnen eine kurze und eine lange Antwort geben.
Kurz: Wir veröffentlichen im Moment monatlich ein Factsheet mit den 10 grössten Positionen in unseren Fonds. Auf eine Veröffentlichung von Ausschlusslisten wird verzichtet.
Lang: Die Fonds der Migros Bank tätigen Anlagen in allen Anlageklassen und Währungen. Sie sind für einen Anleger gedacht, der eine breite Diversifikation und professionelle Verwaltung für seine Anlagen sucht. Eine Liste der verschiedenen Anlagen wäre dementsprechend lang. Aus diesem Grund stellen wir nur die grössten Positionen in unseren Fonds dar. Bei konkreten Kundenanfragen zu Positionen geben wir im Einzelfall aber gerne Auskunft.
Bei Ausschlusslisten stellt sich zudem die Frage weshalb nicht in diese Unternehmen investiert wird. Dies kann vielfältige Gründe haben. Zum Beispiel kann das Unternehmen an der Herstellung von kontroversen Waffen beteiligt sein oder aber im Vergleich zu seinen Mitbewerbern als nicht nachhaltig genug eingestuft werden (siehe Nachhaltiger Anlageprozess der Migros Bank). Es kann dies aber auch aus finanziellen Gründen sein oder weil unser Anbieter von Nachhaltigkeitsdaten das Unternehmen gar nicht analysiert. Daher erachten wir die Publikation von Listen ohne Kontextinformationen als wenig zielführend und verzichten im Moment darauf.
Freundliche Grüsse
Benjamin Gränicher
Sehr geehrter Herr Gränicher
Wenn Sie beim Factsheet die 10 grössten Unternehmen deklarieren, so umfassen diese beispielsweise beim Migros Bank (CH) Fonds Sustainable 45 B lediglich 12% des Fondsvolumen. Die ganz grosse Mehrheit von 88% wird nicht deklariert, so etwas ist für mich keine Transparenz….
Mit freundlichen Grüssen
Peter Schwilch
Menschenrechte und MÜNCHNER Sicherheitskonferenz 2019. (nur z. B. Deutschland und Frankreich was tun diese Staaten)?
Wassser predigen UND Wein trinken.
Aber sind wir in CH besser ????
Und man liefert WAFFEN an: Saudiarabien und, und ,und…………
Sehr geehrter Herr Müller
Genau aus diesem Grund ist es wichtig, dass dem Investor Fonds zur Verfügung stehen, die sich mit den Themen Menschenrechten und Waffen auseinandersetzen (z.B. Thema Waffen ). Dies eröffnet die Möglichkeit seine privaten Investitionen auf die persönlichen Überzeugungen abzustimmen.
Freundliche Grüsse
Benjamin Gränicher