Wer eine Anlagestrategie verfolgt, sollte die Portfoliozusammensetzung periodisch wieder an diese Strategie anpassen. Bei diesem so genannten Rebalancing gibt es verschiedene Techniken – und Missverständnisse.
Rund 1000 Milliarden Franken verwaltet dieser Grossinvestor. Und er wendet dieselben Methoden an, die auch Privatanlegern offenstehen. Die Rede ist vom norwegischen Staatsfonds GPFG, der seine langfristige Anlagestrategie (60 Prozent Aktien, 40 Prozent Obligationen) mit systematischem Rebalancing umsetzt. Die Norweger erhoffen sich davon ein automatisches antizyklisches Verhalten: Wertpapiere werden verkauft, wenn die Kurse hoch sind, und gekauft, wenn sie tief sind. Genauso, wie man es idealerweise tun sollte.
Aber der Reihe nach. Um wie die Norweger anzulegen, ermitteln Sie in einem ersten Schritt Ihr persönliches Risikoprofil – Ihr Kundenbetreuer unterstützt Sie dabei. In einem zweiten Schritt wählen Sie die passende Anlagestrategie. Damit verbunden ist eine spezifische Aufteilung Ihres Portfolios auf verschiedene Anlageklassen wie Liquidität, Aktien, Obligationen usw. Die einzelnen Strategien unterscheiden sich primär hinsichtlich des Aktienanteils: Je höher er ist, desto höher sind auch die Rendite- und Risikoerwartungen. Ob Sie dabei so «sportlich» wie der norwegische Staatsfonds unterwegs sein wollen, hängt von Ihrer objektiven Risikofähigkeit ab. So oder so: Die gewählte Vermögensaufteilung, die so genannte Asset Allocation, bleibt über die Zeit hinweg nicht konstant. Da sich die einzelnen Anlageklassen unterschiedlich entwickeln, kommt es unweigerlich zu Verschiebungen in der Portfoliostruktur. Mit dem Rebalancing führen Sie diese wieder auf die ursprünglich gewählte Anlagestrategie zurück.
Missverständnis Nr. 1: «Es gibt eine einzige Rebalancing-Technik»
Vereinfacht gesagt, gibt es drei Arten von Rebalancing:
- «Kalender-Rebalancing»: Die Anpassung der Asset Allocation wird fix nach bestimmten Zeitperioden durchgeführt, z.B. monatlich, quartalsweise, einmal jährlich. Der Nachteil: Es erfolgt konsequent ein Rebalancing unabhängig davon, wie gross die Abweichung von der Zielstrategie ist.
- «Bandbreiten-Rebalancing»: Ein Rebalancing erfolgt, wenn die Abweichung von den anfänglich definierten Zielquoten bestimmte Schwellenwerte erreicht, z.B. plus/minus 1, 5 oder 10 Prozent. Der Nachteil: Diese Methode benötigt ein enges Monitoring, ob die Toleranzkorridore verletzt sind. Ein weiterer Nachteil: Allenfalls braucht es je nach Anlageklasse unterschiedliche Schwellen – breitere Korridore bei illiquiden Anlagen mit hohen Transaktionskosten (z.B. Direktengagements in Immobilien), engere bei sehr volatilen Vermögenswerten (z.B. bei Kryptowährungen und Rohstoffen).
- «Kombiniertes Kalender- und Bandbreiten-Rebalancing»: Das Monitoring geschieht in fixen zeitlichen Abständen, ein Rebalancing erfolgt aber nur, wenn zu diesem Zeitpunkt die Bandbreiten verletzt sind.
Missverständnis Nr. 2: «Rebalancing ist aufwändig»
Der US-Fondsanbieter Vanguard verglich die verschiedenen Rebalancing-Methoden für ein Portfolio aus 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Obligationen, also mit derselben Vermögensaufteilung wie der norwegische Staatsfonds, über einen Zeitraum von 1926 bis 2009. Die Ergebnisse sind überraschend: Egal, ob z.B. das Kalender-Rebalancing monatlich, quartalsweise oder jährlich durchgeführt wurde – ohne Berücksichtigung der Transaktionskosten fielen die langfristigen jährlichen Durchschnittsrenditen mit 8,5 bis 8,6 Prozent praktisch identisch aus. Umso grösser waren die Unterschiede hinsichtlich der erforderlichen Transaktionen: Ihre Zahl war beim monatlichen Rebalancing um den Faktor 12 höher als beim jährlichen. Noch extremer waren die Unterschiede bei den anderen beiden Methoden: Die Anzahl Transaktionen differierte beim Bandbreiten-Rebalancing bzw. bei der kombinierten Methode je nach gewählten Parametern ungefähr um die Faktoren 1000 bzw. 50, während die Renditen stets eng beieinanderlagen.
Wird hingegen gänzlich auf das Rebalancing verzichtet, erhöht sich der Aktienanteil im Lauf der Zeit kontinuierlich. Das Portfolio weicht dadurch zunehmend vom gewählten Risikoprofil des Anlegers ab. In der erwähnten Vanguard-Studie nahm der Aktienanteil des Portfolios ohne Rebalancing zwischen 1926 und 2009 von 60 Prozent auf 84 Prozent zu.
Fazit: Rebalancing ist wichtig, um das Risikoprofil einzuhalten. Die Strategiefonds und Vermögensverwaltungsmandate der Migros Bank setzen daher auf regelmässiges Rebalancing; dank der grossen Volumen fallen dabei die Transaktionskosten kaum ins Gewicht. Für die meisten Privatanleger dagegen ist es unter Kosten-Nutzen-Überlegungen sinnvoll, lediglich halbjährlich oder einmal jährlich ein Rebalancing in ihrem selber gemanagten Portfolio vorzunehmen, wenn zu diesem Zeitpunkt die Bandbreiten von plus/minus 5 Prozent überschritten werden. Noch weiter verringern können Private die Rebalancing-Transaktionen, wenn sie Zinsen und Dividenden konsequent zum Aufstocken der untergewichteten Anlageklassen verwenden.
Missverständnis Nr. 3: «Je mehr Rebalancing, desto besser»
Allzu häufiges Rebalancing verursacht nicht nur unnötige Kosten, es schmälert auch direkt die Performance. Das zumindest postuliert eine Analyse der US-Investmentfirma AQR: Monatliches Rebalancing liefere schlechtere Renditen als quartalsweises oder jährliches, stellte sie im Betrachtungszeitraum 1972 bis 2015 fest. Ihren Befund erklärt AQR damit, dass viele Finanzmärkte drei- bis zwölfmonatige Kurstrends aufweisen, die man einfach «laufen lassen» sollte. (Die Ergebnisse von AQR stehen in einem gewissen Widerspruch zur oben erwähnten Vanguard-Studie, die keine signifikanten Renditeunterschiede feststellte. Die Erklärung könnte darin liegen, dass AQR einen kürzeren Beobachtungszeitraum wählte und weitere Anlageklassen als nur Aktien und Obligationen berücksichtigte.)
Missverständnis Nr. 4: «Rebalancing bringt mehr Rendite»
Und wenn man nun im Sinne von AQR allzu kurzfristiges Rebalancing vermeidet? Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis, dass Rebalancing per se zu mehr Performance führt. Das ist nur der Fall, wenn die Renditen der einzelnen Anlagen im Portfolio die Tendenz haben, immer wieder zu ihren langfristigen Mittelwerten zurückzukehren. In der Finanzökonomie spricht man vom Mean-Reversion-Effekt (siehe Textbox).
In einzelnen Langzeituntersuchungen werden Zweifel laut, ob Anleihen bzw. die langfristigen Zinsen eine «Mean Reversion» aufweisen. In diesem Fall verspricht das Rebalancing der Obligationenquote keine Mehrrendite. Tatsächlich zeigt die oben erwähnte Vanguard-Untersuchung eines Portfolios von 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Obligationen, dass über eine Zeitspanne von mehr als 80 Jahren ein simples «Buy and Hold» die bessere Rendite liefert als verschiedene Rebalancing-Methoden.
Rebalancing ist vorrangig als Instrument für mehr Risikokontrolle zu betrachten, nicht für mehr Rendite.
Dieses Ergebnis drängt sich auch intuitiv auf: Würde auf jegliches Rebalancing verzichtet, würde über die Zeit hinweg der Aktienanteil immer grösser – und damit auch die langfristig zu erwartende Performance. Das ist allerdings mit erhöhten Wertschwankungen zu erkaufen. Mit anderen Worten: Rebalancing ist vorrangig als Instrument für mehr Risikokontrolle zu betrachten, nicht für mehr Rendite.
Missverständnis Nr. 5: «Rebalancing lässt mich ruhiger schlafen»
Trotzdem: Selbst wenn Sie Rebalancing zur konsequenten Risikokontrolle einsetzen, kann es Ihnen schlaflose Nächte bescheren. Nehmen Sie die fünfjährige Börsenhausse von 1995 bis 1999: Sie mussten damals laufend Aktien verkaufen, obwohl deren Kurse jährlich um zweistellige Raten zulegten. Das brauchte eisernen Durchhaltewillen. Nicht weniger nervenaufreibend war die Baisse von 2000 bis 2002: Kaltblütigkeit war gefragt, um trotz immer weiter fallender Kurse Aktien nachzukaufen.
Dieses antizyklischer Verhalten wurde in den folgenden Jahren von hohen Kursgewinnen auf den günstig erworbenen Aktien belohnt. Aber was, wenn die erhoffte Gegenbewegung jahrzehntelang auf sich warten lässt, wie z.B. nach Japans Börsencrash 1990? Verschlimmert wird die Problematik bei einem kurzen Anlagehorizont: Je kürzer dieser ist, desto weniger wird man das Risiko einer Abweichung von der Asset Allocation eingehen, und umso mehr Rebalancing-Transaktionen sind nötig. Da hat es ein Langfristinvestor wie der norwegische Staatsfonds einfacher: Seine Investments sind auf mehrere Jahrzehnte hinaus ausgelegt.
Guten Tag
Ich fände es hilfeich, wenn Sie am Schluss die wichtigsten Punkte zusammenfassen würden. Das könnte man dann z.B. abspeichern und bei Erhalt des Jahresabschlusses nochmals lesen. Und dann je nachdem handeln oder nicht.