Viele Jungunternehmerinnen und -unternehmer scheitern. Das will die Startup Academy verhindern: Unentgeltlich arbeitende Coaches begleiten die Firmengründerinnen und -gründer bis zu zwei Jahre lang. Das einzigartige Angebot wurde in den vergangenen Jahren schweizweit ausgebaut – ermöglicht durch den Migros-Pionierfonds, der u.a. von der Migros Bank mitfinanziert wird.
Die Leere täuschte, die letztes Jahr in den Coworking-Räumlichkeiten am Basler Picassoplatz herrschte. Die dort domizilierte Startup Academy erlebte 2020 ein Rekordjahr – trotz Corona. Die Zahl der Jungfirmen, die ein Begleitprogramm der Startup Academy absolvierten, erreichte mit 150 einen neuen Höchstwert. Dieses Jahr werden es noch mehr sein.
Auch die eidgenössischen Statistiken zeigen das Bild einer boomenden Schweizer Jungunternehmerszene: 2020 gab es eine Rekordzahl von 46’842 Neugründungen. Doch für viele Startups war und ist der Geschäftsalltag sehr hart. «Für Jungunternehmen im Begleitprogramm der Startup Academy ist es deutlich einfacher», erklärt Geschäftsführer Markus Fischer. Den Grund erläutert Prof. Dr. Florian Blumer, Vizepräsident der Startup Academy und Dozent an der Hochschule für Wirtschaft Basel FHNW: «Die von der Startup Academy begleiteten Jungunternehmen haben eine Mentorin oder einen Mentor, sind in ein Netzwerk eingebunden und durchlaufen ein Ausbildungsprogramm, das sie auf verschiedene Herausforderungen vorbereitet.»
Gesamtschweizer Ausbau mithilfe des Migros-Pionierfonds
Das Begleitprogramm wird mittlerweile an mehreren Standorten durchgeführt, nachdem die Startup Academy 2010 an der Hochschule für Wirtschaft Basel FHNW gegründet worden ist. Das Ausrollen des Angebots in der gesamten Schweiz wurde in den vergangenen Jahren durch den Migros-Pionierfonds ermöglicht (siehe Interview), der u.a. von der Migros Bank mitfinanziert wird.
Es gibt noch einen anderen, persönlichen Bezug zur Migros Bank. Es war ihr CEO Manuel Kunzelmann, der während seines Studiums an der FHNW 1999 in einem studentischen Projektteam das Management Symposium Basel durchführte. «Der Gewinn des finanziell erfolgreichen Anlasses wurde später in eine Stiftung überführt. Diese wurde 2010 aufgelöst und mit dem Geld der gemeinnützige Verein Startup Academy gegründet», erklärt Blumer. Die zentrale Idee: Personen mit Geschäftsideen sollen mit Wirtschaft und Hochschulen vernetzt und während den ersten 18 bis 24 Monaten begleitet werden. Denn viele Startups überleben die ersten beiden Jahre nicht.
Ein einzigartiges Angebot…
Zwar gibt es in der Schweiz zahlreiche Angebote für Startups. «Aber der Grossteil der Förderung und das meiste Geld konzentrieren sich auf ganz wenige ‹Highflyer-Startups›», bedauert Fischer. Und jene Informationsplattformen, Wettbewerbe, Schulungsprogramme und anderen Angebote, die auf eine breite Unterstützung abzielen, hätten gemeinsam, dass sie die Hauptbedürfnisse der Startups ignorieren. «Diese brauchen nämlich eine längerfristige und individuelle Begleitung durch erfahrene Berufspersonen, einen Austausch mit anderen Startups sowie ein Netzwerk an Fachleuten, die sie weiterbringen.»
Bei der Startup Academy suchen die Jungunternehmerinnen und -unternehmer vielfach spezifisches Fachwissen, etwa in den Bereichen Geschäftsmodellentwicklung, Markenschutz, geistiges Eigentum, Finanzmanagement, Funding oder Marketing. Ein anderer wichtiger Aspekt ist die Vernetzung mit möglichen Kunden, Lieferanten und Geschäftspartnern. Zudem wird Unterstützung bei der generellen Bekanntmachung des Startups oder seines Angebots gesucht.
Diese breite Unterstützung leisten kann die Startup Academy nur, weil sie als «Mitmachorganisation» funktioniert und ihrerseits von zahlreichen Volunteers unterstützt wird. Dazu zählen rund 240 freiwillige Mentorinnen und Mentoren sowie Expertinnen und Experten aus allen Branchen und Funktionen. Hinzu kommen Studierende von Fachhochschulen und Universitäten, die mehrwöchige Praktika absolvieren können – insgesamt umfasst das Netzwerk in der ganzen Schweiz über 3000 Personen. «Dadurch kann die Startup Academy bezüglich Erfahrung und Wissen aus dem Vollen schöpfen. Das stellt ein ausgeprägtes Alleinstellungsmerkmal unserer Organisation dar», so Blumer.
… mit hoher Erfolgsquote
Seit 2020 verzeichnet Blumer eine starke Zunahme an Personen, die sich als Mentorinnen und Mentoren melden, machen sich doch aufgrund der Pandemie viele Menschen Gedanken über eine sinnstiftende berufliche Neuorientierung. Woran es dagegen derzeit mangle, ergänzt Fischer, seien Studierende, die während ihrer Ausbildung Startups begleiten wollen, dabei ein Netzwerk aufbauen, Berufserfahrungen sammeln und auch das Rüstzeug erhalten möchten, um später allenfalls selber ein Startup zu gründen. Denn immerhin ein Viertel der Startup-Gründerinnen und -Gründer legt den Grundstein fürs Unternehmen während oder unmittelbar nach dem Studium (siehe Textbox).
Dank des breiten Netzwerks von Volunteers ist die Startup Academy sehr schlank und kosteneffizient aufgestellt: Auf der Lohnliste stehen gesamtschweizerisch nur rund vier Stellen. Trotzdem ist es seit einigen Jahren nicht mehr möglich, das ganze Dienstleistungspaket zum Nulltarif anzubieten; Startups zahlen einen Kostenbeitrag von 80 Franken pro Monat. «Das ist immer noch ein bescheidener Betrag verglichen mit dem Umfang des Begleitprogramms, das mit Coaching, Workshops, Networking usw. einen geschätzten Wert von rund 15’000 Franken hat», meint Fischer.
Die Startup Academy ist nicht nur effizient. Sie ist auch sehr effektiv, gemessen an ihrer Erfolgsquote. Von den 300 Jungunternehmen, die seit 2010 ein Begleitprogramm absolviert haben, bestehen 90 Prozent auf dem Markt, wie eine wissenschaftliche Analyse gezeigt hat. Dadurch wurden über 700 Arbeitsplätze geschaffen. «Wir verfolgen keinen elitären Ansatz, sondern wollen für möglichst viele da sein», so Fischer. Nur rund ein Drittel der Anfragen wird abgelehnt – beispielsweise weil die Geschäftsidee zu wenig durchdacht ist, das Geschäftsmodell in den Grundzügen nicht nachvollziehbar ist oder seitens der Gründerin oder des Gründers die zeitlichen Ressourcen fehlen. Bei knappen finanziellen Ressourcen dagegen kann die Startup Academy helfen, indem sie Finanzierungen vermittelt, z.B. durch Mikrokredite, Crowd-Investments, Bürgschaften oder Business Angels.
Das nächste Level
Das Erfolgsmodell der Startup Academy wurde von Basel aus schweizweit ausgerollt, seit der Migros-Pionierfonds 2017 eine Förderpartnerschaft mit der Startup Academy einging. «Die mit diesem Engagement verbundene mediale Präsenz, Akzeptanz und Wertschätzung fungierten gleichzeitig auch als Qualitätslabel für uns», erklärt Blumer. «Der Ansatz des Migros-Pionierfonds, Pionierprojekte zu scouten und ihnen bei der Skalierung zu helfen, kam in unserem Fall zur richtigen Zeit und war ein optimaler Match.» Mit der gesamtschweizerischen Präsenz der Startup Academy ist das Ziel der Förderpartnerschaft erreicht, und das Engagement des Migros-Pionierfonds endet planmässig 2021.
Um ihre Initiative auf das nächste Level zu bringen, sucht die Startup Academy nun eine kleine Zahl strategischer Partner. Angepeilt werden u.a. eine Ausdehnung des Begleitprogramms über die zweijährige Startphase hinaus auf die Jahre drei bis fünf, eine Verdoppelung der begleiteten Startups sowie eine ausgebaute Präsenz in der Schweiz und allenfalls auch im Ausland. Momentan bestehen Standorte in Basel, Bern, La Côte, Liestal, Lörrach (Deutschland), Mittelland/Olten, Tessin, Zürich und neu in der Zentralschweiz. Zudem laufen Gespräche, um zusätzlich auch in Graubünden und damit in allen vier Sprachregionen vertreten zu sein.
Angestrebt wird nicht nur eine Verbreiterung des Angebots. Sondern auch eine Vertiefung der Vernetzung zwischen Startups und Wirtschaft, u.a. durch Bildung von Branchenclustern. Der Start erfolgt im August 2021 mit einer ersten Online-Veranstaltung des Clusters «Service Providers», zu dem insgesamt 47 Startups gehören. Später folgen «Information & Communications Technology» (46 Startups), danach «Health & Social Work» (41 Startups). Darüber hinaus bestehen Corporate-Volunteering-Programme für Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden die Unterstützung von Startups ermöglichen wollen. Umgekehrt können Unternehmen das Mentoring-System der Startup Academy nutzen, wenn ihnen Erfahrungen und Ressourcen fehlen, um Geschäftsideen ihrer Mitarbeitenden inhouse zu evaluieren und realisieren. Dieses Unterstützungsangebot für «Corporate Startups» richtet sich in erster Linie an KMUs in der Schweiz.
«Grundsätzlich», so Blumer, «ist unser Modell einfach und vielfältig skalierbar und eine Verdoppelung oder Verdreifachung möglich, wenn wir auf Ebene Schweiz die passenden Partner finden, die mit uns neue Perspektiven ins Auge fassen wollen.»
«Startup Academy schliesst eine Lücke in der Schweizer Startup-Szene»
Wie wurde der Migros-Pionierfonds auf die Startup Academy aufmerksam?
Zacharias Huwyler: Der Migros-Pionierfonds scoutet Projekte. Die Startup Academy hatten wir schon länger auf dem Schirm, als 2017 ein erster Austausch zustande kam. Dabei wurde uns schnell klar, dass mit dem innovativen Ansatz der Startup Academy eine Lücke in der Schweizer Startup-Szene geschlossen werden kann – und dies nicht nur in Basel.
2021 endet planmässig die Begleitung der Startup Academy durch den Migros-Pionierfonds, die 2017 startete. Als Ziel wurde das Ausrollen des Angebots in der gesamten Schweiz genannt. Ist dieses Ziel aus Sicht des Migros-Pionierfonds erreicht?
Die Startup Academy hat die Startup-Begleitung auf die gesamte Schweiz ausgedehnt, sogar in periphere Gebiete, und sich als relevanter Player im Bereich der Startup-Förderung etabliert. Die grosse Mehrheit der geförderten Startups gibt an, von der praxisnahen Begleitung und dem Mentoring der Startup Academy stark profitiert zu haben. Wir freuen uns über diesen Erfolg.
Hat der Migros-Pionierfonds im Projektportfolio ein Anschlussprojekt, um nahtlos weiterhin breitflächig Startups zu unterstützen?
Der Markt für Startup-Unterstützungen hat in den vergangenen Jahren erfreulicherweise ein Niveau erreicht, das kein direktes Anschlussprojekt erforderlich macht. Das erlaubt es uns beim Migros-Pionierfonds, uns auf neue Bereiche der Startup- und Innovationsförderung zu konzentrieren. Mit dem Projekt SCHUB fördern wir z.B. Startups, die sich sozial und nachhaltig als Genossenschaft etablieren möchten. Neu in unserem Portfolio ist das Projekt 1001kmu, das Lernenden ermöglicht, unternehmensübergreifende Innovationsprojekte umzusetzen – auch in Startups und Jungunternehmen. So fördern wir die kommende Generation von Startup-Gründerinnen und -Gründern sowie von Innovatorinnen und Innovatoren.