Rechtliche Probleme unter dem Sonnenschirm

Die italienische Tourismusbranche befindet sich in einer Situation der Unsicherheit: Die Konzessionen für die Strandbäder sind zwar abgelaufen, aber die Betreiber verlangen weiterhin überhöhte Preise für die Nutzung öffentlicher Flächen.

Die Sommerferienzeit neigt sich langsam dem Ende zu, und die Arbeitsstätten füllen sich wieder. Ein gemeinsames Thema für die Kaffeepausen unter Kolleginnen und Kollegen ist sicherlich die Berichterstattung über die gerade verbrachten Ferien. Sommerferien sind für viele Schweizer Familien gleichbedeutend mit Italien, denn unser südliche Nachbar gehört zu den Lieblingsdestinationen. Der Charme der Kunststädte, die spektakulären Dolomiten, ein hervorragendes gastronomisches Angebot und die Schönheit des Meeres: Das und noch viel mehr bietet Italien den Touristen, die in grosser Zahl ins Bel Paese strömen und dadurch eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung haben. Man schätzt, dass etwa 10 Prozent des italienischen Bruttoinlandsprodukts auf den Fremdenverkehr zurückzuführen sind.

Italien blieb von der Inflation der letzten Jahre nicht verschont, und das Leben ist deutlich teurer geworden: Im Vergleich zur Vorpandemiezeit sind die Preise im Hotel- und Gaststättengewerbe um mehr als 20 Prozent gestiegen. Aus Sicht der Schweizer Touristen wurde dieser starke Anstieg teilweise durch die Frankenaufwertung gegenüber dem Euro abgeschwächt.

Ein weiterer wichtiger Kostenposten für viele sind die Auslagen für Strandbäder, die Liegestühle und Sonnenschirme anbieten. Laut der Verbraucherpreis-Erhebung vom Juli kostet die Tagesmiete für einen Sonnenschirm und zwei Liegestühle 14 Prozent mehr als im letzten Jahr. Nicht selten sind die Kosten auf über 50 Euro pro Tag gestiegen, was das Vergnügen für einen Tag am Strand doch erheblich trüben. Ganz zu schweigen von den Preisen für Glace, Erfrischungsgetränke und Sandwiches, die in den letzten Jahren ebenfalls stark gestiegen sind. All dies vor dem Hintergrund einer anhaltenden Erosion der Kaufkraft der italienischen Haushalte: Die Reallöhne in Italien sind im Vergleich zu 2019 um 7 Prozent gesunken, was der schlechteste Wert in Europa ist.

Das Problem der abgelaufenen Konzessionen

Dennoch werden die verschiedenen Strände von Nord bis Süd von Urlaubern überrannt. Im Gegensatz zu anderen europäischen Mittelmeerländern sind die freien Strände in vielen italienischen Badeorten keine echte Alternative zum kostenpflichtigen Strand, da sie in ihrer Anzahl und Fläche deutlich kleiner sind. Dies ist ein Vermächtnis aus der fernen Vergangenheit, als die lokalen Behörden die Nutzung der Strände oft ohne öffentliche Unterstützung lokalen Unternehmern überlassen und sie stillschweigend um Jahrzehnte verlängert haben, als handle es sich um ein fiktives Eigentumsrecht der Betreiber von Badeanstalten, das sogar an nachfolgende Generationen weitergegeben werden könnte. So entstand der Glaube, dass die Betreiber Eigentümer des Strandabschnitts und des Zugangs zum Meer seien.

Aber das ist nicht der Fall. Die italienische Verfassung legt eindeutig fest, dass der Strand ein staatliches Gut ist, dessen Nutzung unter bestimmten Bedingungen im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung vergeben werden kann. Hier liegt der Streitpunkt: Als Mitglied der Europäischen Union unterliegt Italien dem Gemeinschaftsrecht, das durch die sogenannte Bolkestein-Richtlinie gemeinsame Verfahren für die Ausschreibung und Vergabe öffentlicher Aufträge für Dienstleistungen vorsieht.

Italien wendet jedoch ein anderes Verfahren an als die EU und wurde bereits 2009 von der Europäischen Kommission aufgefordert, seine Vorschriften anzupassen. Das Problem stand in den letzten 15 Jahren nie auf der Tagesordnung der verschiedenen Regierungen. Während das Thema auf politischer Ebene ignoriert wurde, blieb die Justiz am Thema dran. Das Oberste Verwaltungsgericht entschied schliesslich, dass die meisten Konzessionen am 31. Dezember 2023 erloschen, und zwang die jetzige Regierung, die EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Dies verursachte grosse Verwirrung in der Branche, und erst viele Gemeinden und dann die Meloni-Regierung erteilten Ausnahmeregelungen für diesen Sommer. Diese Ausnahmeregelungen wurden jedoch durch ein kürzlich ergangenes Urteil für nichtig erklärt, was die Branche aufgrund des bestehenden Regelungsvakuums in ein erneutes Chaos stürzte.

Wie wird sich die Situation entwickeln?

Wie so oft ist die italienische Politik schwer vorhersehbar. Aber es scheint offensichtlich, dass die amtierende Regierung wenig Interesse daran hat, die europäischen Standards zu übernehmen. Auf diese Weise kann die rechtsgerichtete Regierung die Rhetorik gegen eine Bevormundung aus Brüssel anheizen. Das zeugt von einer ordentlichen Portion Opportunismus: Denn auf der einen Seite sind EU-Gelder willkommen, wenn es um die Finanzierung öffentlicher Investitionen geht, und auf der anderen Seite wird bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts oft nach einem Schlupfloch oder einer Ausnahme gesucht.

Sicherlich haben die Badeanstalten auch in diesem Sommer beträchtliche Einnahmen erzielt, ohne jedoch die Konzession für die Nutzung öffentlicher Mittel erhalten zu haben. Das ist eine merkwürdige Situation für einen Rechtsstaat. Aber vielleicht ist es besser, gar nicht erst darüber nachzudenken und einfach das Rauschen der Wellen im Schatten eines Sonnenschirms zu geniessen.

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