Privatsektor und Klimaneutralität: Wie die Science Based Targets Initiative den Wandel vorantreibt

Der Privatsektor ist wichtig im Kampf gegen den Klimawandel. Die Science Based Targets Initiative (SBTi) hilft Unternehmen, klare CO2-Reduktionsziele auf Basis wissenschaftlicher Leitlinien zu setzen. Das unterstützt Unternehmen dabei, Verantwortung zu übernehmen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Es gibt jedoch auch differenzierte Ansichten zur SBTi.

Im Pariser Klimaabkommen von 2015 haben sich 196 Länder und die EU dazu verpflichtet, die Erderwärmung auf unter 2 °C, idealerweise auf 1,5 °C, im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die globalen Treibhausgasemissionen bis 2030 halbiert und bis 2050 auf Netto-Null reduziert werden. Dafür sind umfassende Massnahmen zur Emissionsreduktion in allen Wirtschaftssektoren notwendig.

Die SBTi spielt dabei eine wichtige Rolle. Sie wurde parallel zum Pariser Abkommen vom Carbon Disclosure Project, dem United Nations Global Compact, dem World Resources Institute und dem World Wide Fund for Nature gegründet. Ihr Ziel ist es, Unternehmen und Finanzinstitutionen dabei zu helfen, wissenschaftlich fundierte Klimaziele im Einklang mit dem Pariser Abkommen zu setzen.

Weltweit haben sich bereits mehr als 9700 Unternehmen, darunter grosse Namen wie Coca-Cola, Nestlé, Microsoft und BMW, verpflichtet, wissenschaftsbasierte Klimaziele zu setzen. Mitte 2024 hatten Unternehmen mit überprüften Klimazielen 39 Prozent der globalen Marktkapitalisierung erreicht. Dies zeigt, dass wissenschaftsbasierte Klimaziele zunehmend zum Standard in der Geschäftswelt werden.

Wie werden wissenschaftsbasierte Ziele umgesetzt?

Wissenschaftsbasierte Emissionsziele verpflichten Unternehmen, Emissionen in der gesamten Wertschöpfungskette zu reduzieren. Dies umfasst direkte Emissionen (Scope 1)*, indirekte Emissionen aus dem Energieverbrauch (Scope 2)* sowie vor- sowie nachgelagerte Emissionen in der Wertschöpfungskette (Scope 3)*. Letztere machen durchschnittlich mehr als 70 Prozent des gesamten CO2-Fussabdrucks eines Unternehmens aus.

Welche Schritte müssen Unternehmen befolgen, um diese Ziele zu erreichen?

Die SBTi bietet mit dem Corporate Net-Zero Standard das erste globale Rahmenwerk zur Festlegung von Netto-Null-Zielen. Es enthält folgende Kernpunkte:

  1. Definition von Emissions-Reduktionszielen: Unternehmen setzen kurzfristige Ziele, um die Emissionen bis 2030 zu halbieren, und langfristige Ziele, um bis spätestens 2050 klimaneutral zu werden.
  2. Neutralisierung der Restemissionen: Nachdem Unternehmen ihre CO2-Emissionen um mehr als 90 Prozent reduziert haben, müssen sie verbleibende Emissionen neutralisieren, um als Netto-Null zu gelten.
  3. Über die Wertschöpfungskette hinaus handeln: Unternehmen sollten über ihren eigenen Emissionssenkungen hinaus in den Klimaschutz investieren, beispielsweise durch die finanzielle Förderung erneuerbarer Energie- oder Aufforstungsprojekte.

Zwei Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität

192 Schweizer Unternehmen haben sich bereits der SBTi angeschlossen. Dazu gehört auch Swisscom, die seit über 20 Jahren eine führende Rolle in Sachen Nachhaltigkeit spielt und mehrfach als «nachhaltigstes Telekommunikationsunternehmen weltweit» ausgezeichnet wurde. Auch Coca-Cola HBC, der grösste Abfüller von Coca-Cola-Getränken mit Hauptsitz in der Schweiz, gehört zu den ersten zwölf Unternehmen weltweit, deren Emissionsreduktionsziele von der SBTi bestätigt wurden.

Nachhaltiges Surfen und Telefonieren mit Swisscom

Swisscom verfolgt das Ziel, bis 2035 Netto-Null-Emissionen zu erreichen und bis 2030 seine absoluten Emissionen um 60,7 Prozent im Vergleich zu 2018 zu reduzieren. Dafür saniert das Unternehmen seine Gebäude, steigert die Energieeffizienz und stellt die Fahrzeugflotte bis 2030 auf Elektroautos um. Auch nutzt es seit über zehn Jahren ausschliesslich Strom aus erneuerbaren Energien und arbeitet intensiv an der Reduktion von Scope-3-Emissionen, die 70 Prozent der CO2-Emissionen ausmachen. Mit einem Netzwerk aus über 3000 Lieferanten ist dies besonders herausfordernd – Swisscom implementiert daher gezielt Carbon-Reduction-Programme, und arbeitet daran, kreislauffähige Produkte zu entwickeln.

Coca-Cola-Flaschen auf dem Weg zur Klimaneutralität

Coca Cola HBC verpflichtet sich, bis 2030 absolute Scope-1- und Scope-2-Emissionen um 55 Prozent und Scope 3-Emissionen um 21 Prozent im Vergleich zu 2017 zu reduzieren. Handlungsbedarf besteht jedoch im Hinblick auf das Netto-Null-Ziel, welches auf 2040 angesetzt, aber bisher noch nicht von der SBTi validiert wurde. Hinsichtlich Scope 1 und 2 setzt Coca-Cola HBC verstärkt auf einen Übergang zu kohlenstoffarmen und erneuerbaren Energiequellen. Um die restlichen 90 Prozent der Emissionen zu minimieren, werden neue Sammelsysteme eingeführt, der Einsatz von Recyclingmaterial erhöht und energieeffizientere Kühlsysteme implementiert. Darüber hinaus arbeitet das Unternehmen eng mit seinen Lieferanten zusammen, um gemeinsam die Wertschöpfungskette zu dekarbonisieren.

Wissenschaftsbasierte Klimaziele unter Druck?

Die Mission der SBTi hat höchste Relevanz – insbesondere zu einer Zeit, in der immer mehr Unternehmen die Popularität grüner Lösungen ausnutzen, um das Vertrauen nachhaltigkeitsbewusster Menschen zu gewinnen.

Trotz ihrer Anerkennung ist die SBTi jedoch umstritten. Häufig wird bemängelt, dass ihre Methoden die komplexen Zusammenhänge innerhalb von Wertschöpfungsketten nicht ausreichend berücksichtigen würden.

Im Juli 2024 hagelte es Kritik, als die SBTi verkündete, die Verwendung von CO2-Zertifikaten zur Erreichung von Scope-3-Zielen zuzulassen. Die Befürchtung war gross, dass sich die Kompensationsmechanismen nicht zusätzlich, sondern anstelle einer Dekarbonisierung durchsetzten, was einen Rückschritt für den Klimaschutz bedeuten würde. Obwohl das Kuratorium diesen Beschluss mittlerweile zurückgezogen hat, bleibt die Diskussion aktuell, besonders in Anbetracht der jüngsten Greenwashing-Beschwerden der Stiftung für Konsumentenschutz gegen mehrere Unternehmen, darunter auch Swisscom und Valser, eine Wassermarke der Coca-Cola Schweiz. Beiden wird vorgeworfen, ihre Produkte mit irreführenden Werbeversprechen als «klimaneutral» zu bewerben – die Klimaneutralität könne jedoch meist nur durch CO2-Kompensation erreicht werden, deren Wirksamkeit zur Emissionsreduktion unerforscht ist.

Trotz dieser Kritikpunkte bietet die SBTi ein wertvolles Instrument für Unternehmen, sich konkrete Klimaziele zu setzen und Fortschritte transparent zu kommunizieren. Die SBTi hat dazu beigetragen, das Thema Klimaschutz in der Wirtschaft zu verankern – und bietet mit dem SBTi Corporate Net-Zero Standard nach wie vor den weltweit einzigen Referenzrahmen für Unternehmen, Netto-Null-Ziele mit den neuesten Erkenntnissen der Klimawissenschaft zu setzen.

* Die Scopes beim Thema CO2 helfen, die CO2-Emissionen von Unternehmen in die richtigen Kategorien einzuordnen. Scope 1 beschreibt Emissionen, die direkt von Unternehmen vor Ort produziert oder kontrolliert werden, beispielsweise Emissionen aus Energieträgern. Scope 2 umfasst CO2-Emissionen aus eingekaufter Energie, die ausserhalb von Unternehmen erzeugt, aber von ihnen verbraucht wird. Dazu zählen Strom, Wärme und Kühlung. In Scope 3 fallen Emissionen, die entlang der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette entstehen. Das können beispielsweise CO2-Emissionen sein, die bei der Zulieferung von Rohstoffen oder der Entsorgung produktionsbedingter Abfallprodukte anfallen.

Quellen

Einleitung:

Corporate Net-Zero Standard:

Swisscom:

Coca Cola HBC:

Kritik an der SBTi:

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