Handys, Skateboards, alte Plattenspieler – was wir nicht mehr brauchen, landet in der Mulde und wird ersetzt. Weil das Gerät ein paar Kratzer hat. Weil das Modell veraltet scheint. Weil der Gegenstand kaputt ist. Oder schlicht: weil neue Ware aus China billiger ist als eine Reparatur. Dass es anders geht, zeigt das vom Migros-Pionierfonds ermöglichte Start-up Pretty Good. Unter dem Motto «Spenden statt Entsorgen» sammelt, repariert und verkauft es Gebrauchtes.
Wem ist es nicht auch schon passiert: Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit, und schon schlägt das Handy scheppernd auf dem Steinboden auf. Das Display zersplittert. Der Handy-Lautsprecher nervt fortan beim Telefonieren mit lautem Geknistere. Und die neuesten Schnappschüsse sind plötzlich nicht mehr gestochen scharf, sondern von schwarzen Schatten durchzogen. Längst nicht jede Beule lässt sich selbst reparieren. Da stellt sich schnell die Frage: wegwerfen und ein neues kaufen? Das neueste Migros-Pionierfonds-Projekt Pretty Good hat eine bessere Idee: flicken! Das Langnauer Start-up repariert nicht nur Ihr kaputtes Handy, sondern z.B. auch den Toaster mit dem Wackelkontakt oder den Ledergürtel.
Ein Reparaturauftrag soll so rasch erledigt sein wie Onlineshopping
So simpel die Geschäftsidee von Pretty Good klingt, so klug ist das Vorhaben der zwei Gründer, Jonas Beer und Jonas Morgenthaler: Was kaputt ist, wollen sie für ihre Kundschaft flicken. Was verstaubt ist, wieder zum Glänzen bringen. Und für Dinge, die nicht mehr gebraucht werden, suchen Sie neue Besitzerinnen und Besitzer. «Wir haben als Gesellschaft verlernt, wie wertvoll die Materialien unserer Alltagsgegenstände sind», sagt Mitgründer Jonas Beer. Mit Pretty Good will er dies ändern: Secondhand soll entstaubt und wieder salonfähig werden. Um Ressourcen zu schonen, aber auch um den weltweiten CO2-Ausstoss zu verringern. «Der grösste Anteil an CO2 fällt meist bei der Produktion an. Es macht daher überhaupt keinen Sinn, noch funktionstüchtige Dinge wegzuwerfen.»
Die Gründer von Pretty Good besinnen sich dabei auf eine Tradition, die in ihrer Heimat, dem Emmental, vereinzelt bis heute Bestand hat: Statt Dinge wegzuwerfen, brachte man diese früher zum Schuhmacher, in die Dorfwerkstatt oder zum Tüftler im hintersten Chrachen des Tals. Wer suche, der finde diese kleinen Reparaturwerkstätten auch heute noch, sagt Beer. «Aber meistens ist es halt schon bequemer – und oft auch billiger –, mit wenigen Klicks im Internet neue Ware zu bestellen.» Und hier setzt Pretty Good an: Ein Reparaturauftrag soll künftig so rasch erledigt sein wie Onlineshopping. Mit dem Geschäftsmodell will Pretty Good auch Handwerksbetriebe unterstützen: «Wir bringen ihnen Kundschaft und übernehmen das Verhandeln wie auch die Administration – und sie können sich auf ihr Kernbusiness konzentrieren.» Dies bringe langfristig auch Wertschöpfung in abgelegene Regionen.
Spenden statt Entsorgen
Doch was ist mit all den Gegenständen, die man gar nicht mehr will? Diese fängt Pretty Good direkt im Entsorgungshof ab. Aktuell laufen Pilotprojekte in Bern, Thun und bald auch im Kanton Zug. Wer hier einen Gegenstand zum Entsorgen bringt, kann sich vor Ort entscheiden, diesen an Pretty Good zu spenden – und ihm ein neues Leben zu schenken. Sei dies ein Skateboard, eine Kaffeemaschine oder ein ausgestopfter Fuchs. Pretty Good stellt die gespendeten Waren instand und verkauft sie in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsintegrationsprojekt Restwert über Plattformen wie Ricardo oder in Pop-up-Stores wie aktuell im Loeb in Biel.
Das Potenzial für eine gesellschaftliche Veränderung sei insbesondere beim Spenden im Entsorgungshof gross, sagt Beer: «Es ist erstaunlich, wie viele Dinge weggeworfen werden, die noch einwandfrei funktionieren.» Laut einer Studie des Bundesamtes für Umwelt seien 50 Prozent der entsorgten elektronischen Produkte noch voll funktionstüchtig. «Mit Neukäufen werden unnötigerweise enorme Ressourcen verschwendet und viele CO2-Emissionen verursacht.» Um diese Wegwerfmentalität nachhaltig zu verändern, entwickelt Pretty Good eine schweizweit einheitliche, flächendeckende Lösung für die Entsorgungshöfe.
Pionierfonds unterstützt gesellschaftlichen Wandel
Pretty Good setzt auf einen ökosystemischen Wandel, mit dem Ziel, dass die Menschen ihr Verhalten ändern. Und genau dieser Ansatz hat den Migros-Pionierfonds, der durch die Migros Bank mitgetragen wird, überzeugt: «Wenn unsere Alltagsgegenstände ausgedient haben, landen sie auf dem Müll – das muss sich ändern», sagt Scout und Projektbegleiterin Johanna Muther. Noch aber fehle es im Alltag an zirkulär ausgerichteten Strukturen. Pretty Good biete hier einen überzeugenden Lösungsansatz.
Die Unterstützung sei ein Glücksfall, sagt Beer von Pretty Good: «Das Team vom Migros-Pionierfonds unterstützen uns auf Augenhöhe. Sie spiegeln und challengen uns.» Auch die Vernetzung mit anderen Pionieren sei wertvoll. So unterstützt der Pionierfonds noch andere Projekte, die eine innovative Kreislaufwirtschaft anstreben. Etwa das Start-up Kuori, das aus Nebenprodukten der Nahrungsmittelherstellung kreislauffähige Kunststoffe entwickelt – beispielsweise für Schuhsohlen. Oder Gaia Tech, das – ebenfalls aus Biomasse – natürliche Zusatzstoffe für Lebensmittel und Kosmetika produziert.
Migros Pionierfonds – Starthilfe für Pionierinnen und Pioniere
Der Migros-Pionierfonds sucht und unterstützt seit dem Jahr 2012 Start-ups, die nachhaltige Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen entwickeln. Der Fonds unterstützt mutige Ideen, die einen systemischen Wandel in Richtung einer zukunftsfähigen Gesellschaft anstreben. Aktuell unterstützt der Fonds rund 50 Start-ups, insgesamt haben seit seiner Gründung bereits über 130 Projekte profitiert. Der Migros-Pionierfonds verfügt jährlich über rund 18 Millionen Franken und wird von Unternehmen der Migros-Gruppe wie Denner, Migros Bank, Migrol, Migrolino und Exlibris getragen.