Goodbye Libor

Die Meldepflicht für den wichtigsten Referenzzinssatz der Schweiz, den Libor, wird per Anfang 2022 aufgehoben. Nun liegt es an den Finanzmarktteilnehmern, einen alternativen Referenzzinssatz zu etablieren. Die besten Chancen im Rennen um die Libor-Nachfolge in der Schweiz hat der Saron.

Die britische Finanzmarktaufsicht (Financial Conduct Authority, FCA) hat die Meldepflicht für Libor-Sätze per Anfang 2022 aufgehoben. Der Libor wird den Finanzmarktakteuren somit in absehbarer Zeit nicht mehr zur Verfügung stehen. In der Schweiz ist der Libor in Schweizer Franken (CHF-Libor) der wichtigste Referenzzins. Zahlreiche Finanzprodukte wie zum Beispiel Zinsabsicherungsinstrumente (Zinsswaps) und Hypotheken basieren darauf.

Der Libor ist der ungefähre Zins, den Banken für einen unbesicherten Kredit in Schweizer Franken bei anderen Banken zahlen müssten.

Das Akronym Libor steht für London Interbank Offered Rate. Der Libor ist der ungefähre Zins, den Banken für einen unbesicherten Kredit in Schweizer Franken bei anderen Banken zahlen müssten. Es handelt sich dabei um einen umfragebasierten Referenzzinssatz. Der Libor wird zurzeit für sieben Laufzeiten und fünf Währungen erhoben.

Als Berechnungsgrundlage für den CHF-Libor dienen die täglich gemeldeten Zinskonditionen von elf Banken. Die Zusammensetzung der Bankengruppe, die zur Meldung des Libor verpflichtet ist, kann sich jedes Jahr ändern. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem Banken-Panel. Zuständig für die Berechnung und Veröffentlichung des Libor ist die Intercontinental Exchange Benchmark Administration (IBA), einer in der Verwaltung von Finanzmarktstandards etablierten Institution. Die IBA sammelt die von den Banken gemeldeten Zinskonditionen, bildet den getrimmten Mittelwert und publiziert die Libor-Sätze täglich. Bei der Berechnung eines getrimmten Mittelwerts wird ein bestimmter Anteil der Datenpunkte mit den höchsten und niedrigsten Werten ausgeschlossen. Im Falle des CHF-Libor sind es an beiden Enden des Spektrums je drei Werte, welche die IBA jeweils ausschliesst, d.h. der CHF-Libor wird für jede Laufzeit als Mittelwert aus fünf Werten gebildet. Bei den zugrundeliegenden Krediten handelt es sich jeweils um unbesicherte Kredite, also Kredite ohne Pflicht zur Hinterlegung von Sicherheiten durch den Schuldner.

Hauptgrund für die Abschaffung des Libor ist die mangelnde Liquidität am Interbankenmarkt.

Im Jahr 2012 wurde bekannt, dass der Libor jahrelang von meldenden Banken manipuliert worden war. Mit Absprachen und Falschmeldungen haben sie die Libor-Sätze auf für gewisse Tagesgeschäfte vorteilhafte Niveaus gebracht. Damit liessen sich bei Finanzinstrumenten, die an den Libor gekoppelt sind, zusätzliche Gewinne einstreichen oder gar eine bessere Bonität vortäuschen. Der Hauptgrund für die Aufhebung des Libor ist aber nicht der Skandal von 2012, sondern die mangelnde Liquidität am Interbankenmarkt für Libor-Kredite. Dieser Liquiditätsmangel wurde im Zuge der Finanzkrise von 2008/09 zu einem akuten Problem, als sich Banken untereinander kaum Geld mehr liehen und somit kaum realistische Konditionen gemeldet werden konnten.

Die Liquidität im unbesicherten Geldmarkt ist auch Jahre nach der Krise noch sehr tief. Gemäss dem Quarterly Volume Report der IBA basierte im vergangenen Quartal nur ein sehr kleiner Teil der gemeldeten Konditionen für Libor-Kredite in Schweizer Franken auf Transaktionsdaten. Der weitaus grössere Anteil der Meldungen gründete auf hypothetischen Angaben. Das heisst, die Banken meldeten, wieviel sie für einen Kredit bezahlen müssten – ohne dass wirklich Transaktionen stattfanden. Die Aussagekraft des Libor ist deshalb zunehmend in Frage gestellt.

Die NAG empfiehlt den Saron als Libor-Alternative.

Die nationale Arbeitsgruppe für Referenzzinssätze in Franken (NAG) arbeitet seit Jahren an einer Alternative für die Schweiz. Grundsätzlich ist jedem Finanzinstitut selbst überlassen, für seine Hypotheken einen neuen Referenzzinssatz zu wählen. Wählen alle Finanzinstitute den gleichen Referenzzinssatz hat dies aber den Vorteil, dass die Konditionen der entsprechenden Finanzprodukte untereinander vergleichbar sind. Die NAG hat am 5. Oktober 2017 empfohlen, künftig den Saron (Swiss Average Rate Over Night) anstelle des Libor zu verwenden.

Der Saron wurde im Jahr 2009 von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und vom Schweizerischen Börsenbetreiber SIX Swiss Exchange gemeinsam lanciert. Libor und Saron unterscheiden sich in wichtigen Aspekten. Der Saron basiert auf besicherten Krediten. Diese haben im Vergleich zu den unbesicherten Krediten, die dem Libor zugrunde liegen, ein niedrigeres Gegenparteirisiko. Der Markt für besicherte Kredite ist sehr liquide und ermöglicht eine verlässlichere Erhebung von Durchschnittssätzen. Das tägliche Handelsvolumen beträgt rund drei Milliarden Franken. Bei der Berechnung des Saron muss folglich nicht auf hypothetische Einschätzungen von Panel-Banken zurückgegriffen werden. Stattdessen werden Transaktionspreise und verbindliche Offerten einer Vielzahl von Akteuren am Geldmarkt (Banken, Versicherungen und übrige Unternehmen) zur Erhebung beigezogen. Ein weiterer wichtiger Vorteil des Saron gegenüber dem Libor ist, dass die Datenerhebung, die Berechnung und die rechtliche Hoheit in der Schweiz liegen.

Der Finanzbranche wird folglich auch künftig ein Referenzzins für Hypotheken mit regelmässiger Anpassung der Konditionen zur Verfügung stehen. Es bleiben jedoch gewisse Unsicherheiten. Einerseits ist abzuwarten, ob der Saron die einzige Libor-Alternative bleibt. Andererseits wird jedes Finanzinstitut für sich entscheiden, wie es Verträge für Libor-Hypotheken anpasst, um dem absehbaren Wechsel des Referenzzinses Rechnung zu tragen. Es ist noch nicht klar, wie eine breit akzeptierte Nachfolgelösung im Detail aussieht. Die Migros Bank bemüht sich um eine kundenfreundliche Lösung und führt daher bei neu abgeschlossenen Libor-Hypotheken ein Kündigungsrecht ein. So profitieren Kundinnen und Kunden weiterhin von den attraktiven Zinskonditionen der Libor-Hypothek; gleichzeitig haben sie die Möglichkeit, bei Änderungen im Basiszinssatz ohne Zusatzkosten in ein Alternativprodukt zu wechseln.

Libor vs Saron
CHF-LiborSaron
Stand per 06.12.2017-0.74 (3-Monats-Libor)-0.76
DatengrundlageUmfrageTransaktionen und verbindliche Offerten (Quotes)
BerechnungGetrimmter MittelwertVolumengewichteter Durchschnitt
Zugrundeliegende Krediteunbesichertbesichert
AussagekraftGering (11 Panel-Banken)Hoch (alle Teilnehmer am Geldmarkt)
Berechnende InstanzIBASIX Swiss Exchange
Erhebungsbeginn19892009
Rechtliche HoheitIm AuslandIn der Schweiz
Quellen: IBA, SIX Swiss Exchange

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