EZB-Zinsentscheid: Der weitere Kurs bleibt nebulös

Unter ihrer Präsidentin Christine Lagarde senkt die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Leitzinsen ein weiteres Mal um einen Viertelprozentpunkt. In einem durch Unsicherheit geprägten Umfeld sorgt sie damit wenigstens für ein wenig Berechenbarkeit. Angesichts der mannigfaltigen Unwägbarkeiten wird sie zukünftig aber vorsichtiger agieren. Dies mindert auch den Handlungsdruck für die Schweizerische Nationalbank – und verringert die Wahrscheinlichkeit von Negativzinsen.

Geldpolitik ist nie einfach. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass geldpolitische Entscheide aufgrund unsicherer Annahmen gefällt werden müssen. Sind doch die Leitzinsen so festzulegen, dass sie der projizierten Zukunftserwartung hinsichtlich Konjunktur, Inflation, Zinsen und Währungen möglichst gerecht werden.

Eine unübersichtliche Ausgangslage

Was generell Gültigkeit aufweist, nämlich dass geldpolitische Entscheide vor dem Hintergrund von unabwägbaren Entwicklungen gefällt werden, galt im Vorfeld des heutigen EZB-Zinsentscheids vom 6. März 2025 in einem so ausgeprägten Masse wie selten zuvor. Zollkrieg, die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit, Haushaltssorgen bei gewichtigen Euro-Staaten, konjunktureller Gegenwind oder massive Neuverschuldungspläne – der EZB-Rat sah und sieht sich mit Unwägbarkeiten konfrontiert, die sich jeweils buchstäblich über Nacht grundsätzlich ändern.

In diesem volatilen Umfeld waren die Währungshüter in Frankfurt erst einmal darauf bedacht, nicht noch zusätzlich für Verwirrung und Unsicherheit zu sorgen. So senkten sie wie erwartet die Leitzinsen zum sechsten Mal. Der massgebende Einlagesatz für die Banken kommt damit auf nunmehr 2,5 statt 2,75 Prozent zu liegen.

Klarheit sieht definitiv anders aus

Doch damit scheint sich die Sache mit der Klarheit schon erschöpft zu haben. Das zeigt sich bereits am Eiertanz angesichts der Frage, ob das Leitzinsniveau in der Eurozone weiterhin als restriktiv zu beurteilen ist oder mittlerweile als neutral qualifiziert werden muss. Die EZB-Spitze drückt sich vorerst um eine eindeutige Beantwortung dieser Frage und behält «restriktiv» in ihrem Communiqué in abgeschwächter Form bei.

Dieses Vorgehen ist indessen nicht dazu angetan, die verstärkte Ratlosigkeit an den Finanzmärkten zu mindern. Dass die Formulierung nicht gänzlich gestrichen wurde, deutet zwar auf eine weitere Zinslockerung hin. Aber wann und in welchem Umfang diese erfolgt, ist schwierig abzuschätzen.

Fokus auf Konjunktur oder doch auf Inflation?

Für eine weitere Senkung bereits zur April-Sitzung spricht die noch immer harzende Konjunktur in der Europäischen Währungsunion. Selbst wenn das Schwergewicht Deutschland mit dem angekündigten 1,5-Billionen-Euro-Paket schneller als erwartet wieder Fahrt aufnehmen sollte, verleiht dies der Eurozone noch nicht so bald ausreichend Schub, um den anhaltenden Kriechgang zu beenden.

Ein Zuwarten mit der weiteren Zinssenkung ist hingegen vor dem Hintergrund des Zollstreits angezeigt. Denn von der EU verhängte Gegenzölle auf amerikanische Produkte führen zu einer entsprechenden Verteuerung der Importe, was über Zweitrunden-Effekte inflationstreibend wirkt. Die jüngste Erstarkung des Euro schwächt diesen Effekt ab. Diese erwünschte Nebenwirkung mit vorschnellen Zinssenkungen zu unterminieren, liegt im aktuellen Umfeld kaum im Interesse der EZB, zumal die Euroraum-Inflation auch ohne Zollkrieg über dem Ziel von 2 Prozent klebt.

SNB unter deutlich geringerem Zugzwang – Negativzinsen noch unwahrscheinlicher

Wir gehen davon aus, dass für die Frankfurter Währungshüter diese Überlegung überwiegt und sie daher vorsichtig agieren. Eine nächste Zinssenkung erwarten wir frühstens für Juni, der im restlichen Jahresverlauf noch eine weitere folgen dürfte. Für die Schweiz heisst das, dass der Aufwärtsdruck des Frankens zum Euro abgeschwächt bleiben wird. Das Wechselkursverhältnis EUR/CHF dürfte beim aktuellen Niveau zumindest vorerst gut verankert sein.

Damit nimmt der Handlungsdruck für die Schweizerische Nationalbank (SNB) weiter ab. Sie wird anlässlich ihrer nächsten geldpolitischen Lagebeurteilung vom 20. März den Leitzins um 25 Basispunkte auf 0,25 Prozent senken. Bereits die unerwartet kräftige konjunkturelle Aufhellung zum Jahresschluss wird eine erneute «Jumbo»-Senkung um gleich einen halben Prozentpunkt mit grosser Wahrscheinlichkeit vom Tisch wischen. Unsere Einschätzung, dass die Schweizer Wirtschaft kein erneutes Negativzinsregime zu gewärtigen hat, halten wir mit noch grösserer Überzeugung aufrecht. Zwar wird das Zinsumfeld hierzulande für längere Zeit auf einem äusserst tiefen Niveau verharren. Aber wenigstens dürfte der Schweiz neuerliche und schwerwiegende Verwerfungen aufgrund eines neuerlichen Negativzinsregimes erspart bleiben.

(Foto: Keystone / DPA / Boris Roessler)

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