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Eigenmietwert berechnen: Die Praxis der Kantone

Die Abschaffung des Eigenmietwertes wird seit Jahren gefordert – lässt aber auf sich warten. Der Ständerat befürwortet einen Systemwechsel. Doch politisch ist noch nichts entschieden. Unterdessen steigen die kantonal festgelegten Eigenmietwerte tendenziell an. Eine Auslegeordnung der kantonal unterschiedlichen Methoden.

Für Eigentümer*innen eines Hauses, einer Stockwerkeinheit oder einer Ferienwohnung stellt der Eigenmietwert ein Ärgernis dar. Der Grund ist rasch erklärt: Der sogenannte «Mietwert für selbst genutzte Liegenschaften» ist eine Steuer auf rein fiktiven Einkünften. Er entspricht den hypothetischen Miet- und Pachteinnahmen, die Eigentümer*innen bei der Vermietung ihrer Liegenschaft erzielen könnten. Doch da es sich ja um selbst genutztes Wohneigentum handelt, versteuern die Eigentümer*innen de facto Einkünfte, von denen sie nie einen Franken oder Rappen gesehen haben. Nach der gängigen Praxis betragen die Eigenmietwerte in den Kantonen mindestens 70 Prozent der entsprechenden Vergleichsmieten. Gemäss einem Bundesgerichtsentscheid sind 60 Prozent die in jedem Einzelfall einzuhaltende Mindesthöhe. Davon abgesehen sind die Kantone frei, nach welchen Methoden sie die Eigenmietwerte ermitteln und periodisch anpassen. 

In der Herbstsession 2021 hat der Ständerat eine Vorlage verabschiedet, wonach die unbeliebte Steuer abgeschafft werden soll. Bundesrat und Ständerat haben jedoch andere Vorstellungen und die politische Auseinandersetzung wird sich noch lange hinziehen.

Eigenmietwerte: Tendenziell höher

Solange der Systemwechsel auf sich warten lässt, kommen die Kantone unter Druck.  Denn die Verkehrswerte sind in den letzten 10 Jahren vielerorts gestiegen sind und die Kantone sehen sich gezwungen, die vergleichsweise tiefen Eigenmietwerte anzuheben: 

  • Der Grosse Rat des Kantons Aargau hat bereits 2015 beschlossen, die Eigenmietwerte zu erhöhen. Das führte für viele Hauseigentümer*innen zu Mehrkosten und löste Unmut aus. Inzwischen liegt sogar ein neues Gerichtsurteil vor, dass eine weitere Erhöhung fordert.
  • Der Kanton Bern hat 2020 eine grundsätzliche Neubewertung aller Liegenschaften vorgenommen, was sowohl die Vermögenssteuerwerte als auch die Eigenmietwerte betraf. Die besteuerten Werte sind tendenziell erhöht worden; an sehr guten Lagen ist sogar von einer Verdoppelung der Eigenmietwerte die Rede.
  • In einem Urteil von 2017 forderte das Bundesgericht den Kanton Basel-Land auf, das System anzupassen. Denn nach dem Status quo kann offenbar nicht garantiert werden, dass die verfassungsrechtliche Schwelle von 60 Prozent eingehalten wird. So ist nun im Kanton Basel-Land ein neues Steuergesetz in Diskussion. Künftig müssten die Wohneigentümer*innen selbst wesentliche Angaben zur Wohnfläche und zu den Zimmern angeben. Die Vorlage ist auch hier umstritten. Die Hauseigentümerseite fordert, die Vorlage zu sistieren.

Kanton Zürich: Werte zu tief?

Ähnlich präsentiert sich die Ausgangslage im Kanton Zürich: Hier war es das Steuerrekursgericht, das die Eigenmietwerte in der Stadt Zürich für «erheblich zu tief» und als nicht «bundeskonform» hält. Zudem  wurden die Berechnungsmethoden im Kanton Zürich letztmals 2009 angepasst und seither sind die Immobilienpreise für Liegenschaften an guten Lagen gestiegen.

Nun hat der Regierungsrat im Februar 2021 die Einwände aufgenommen und Fachgutachten in Auftrag gegeben, welche u.a. prüfen, ob die Steuerwerte verfassungskonform sind. Ein Sprecher der Zürcher Finanzdirektion erläutert, dass die entsprechenden Abklärungen Zeit in Anspruch nehmen und noch keine Resultate vorliegen.

Eigenmietwert in anderen Kantonen

Die meisten Kantone wenden ähnliche Verfahren an wie der Kanton Zürich; die meisten streben eine Bandbreite von etwa 70 bis 90 Prozent der Marktwerte an. Ausgangslage sind immer kantonale Methoden und Liegenschaftsschätzungen. Jeder Kanton kennt eigene Begriffe dafür (z.B. Steuerwert, Katasterschätzwert, Güterschätzwert, Zeitbauwert, amtlicher Wert). Die Schwierigkeit besteht immer darin, dass für viele Eigentumsobjekte eben nicht objektive Vergleichsmieten vorliegen. 

Im Wesentlichen sind höchst unterschiedliche Berechnungsmethoden auszumachen:

  • Ein Teil der Kantone wendet ein standardisiertes Verfahren wie der Kanton Zürich an.
  • Manche Kantone ziehen statistische Vergleichsdaten bei und wenden hedonische Computermodelle an (BE, AG, FR).
  • Andere Kantone verfügen über eigene Schätzungsabteilungen, die Vergleichsdaten sammeln und die Liegenschaften im Kanton einschätzen (AI, GL, GR, LU, SG, SZ). In Appenzell-Innerrhoden legt z.B. das kantonale Schatzungsamt die Eigenmietwerte fest.
  • Zahlreiche Kantone haben ihre ganz eigene Methode, etwa auf Grundlage von Kaufpreis und Verkehrswert (ZG) oder auf Basis des Gebäudeversicherungswerts (multipliziert mit einem Korrekturfaktor).
  • In Genf füllen die Steuerpflichtigen einen Fragebogen aus und machen Angaben zum Objekt (Fläche, Alter, Ausstattung usw.).

Noch komplizierter wird es, weil der Bund für die Bundessteuer die kantonalen Eigenmietwerte nur teilweise übernimmt; oft nimmt der Bund noch diverse Zuschläge vor oder gewährt nur geringere Abschläge auf die Marktwerte.

Jürg Zulliger

Jürg Zulliger ist freier Journalist mit den Spezialgebieten Immobilienbranche, Bauwirtschaft, Wohneigentum und Wohnungsbau. Er schreibt für verschiedene Zeitungen und Fachpublikationen.

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