Die Wahlen in Frankreich überschatten Europas Aufschwung

Im Zuge der globalen Konjunkturerholung hat sich die Wirtschaftslage auch in der Eurozone aufgehellt. Der zyklische Aufschwung bietet neue Investitionschancen an den europäischen Aktienmärkten. Wir raten jedoch, die Präsidentschaftswahl in Frankreich abzuwarten.

Höhere Bestelleingänge, verbesserte Umsatz- und Gewinnaussichten und sinkende Arbeitslosigkeit: Europas Unternehmen schauen so zuversichtlich in die Zukunft wie seit sechs Jahren nicht mehr. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den meisten übrigen Mitgliedstaaten ist ein Aufschwung im Gang. Damit dürften sich auch die Gewinnaussichten der Unternehmen verbessern, auch wenn sich die Ausgangslage in den verschiedenen Ländern stark unterscheidet.

Verbesserung der Konjunkturlage in der Eurozone
Indexiert, 2010 = 100, Quelle: EU-Kommission

Die Börse und der Aussenwert des Euro tragen dieser Entwicklung allerdings noch nicht vollumfänglich Rechnung. Hauptgrund ist die bevorstehende Präsidentschaftswahl in Frankreich. Die rechtspopulistische Kandidatin Marine Le Pen will im Fall eines Wahlsiegs sofort mit Brüssel Verhandlungen aufnehmen, um «vier Souveränitätsrechte» wiederzuerlangen: Frankreich soll gemäss Le Pen in den Bereichen Gesetzgebung, Wirtschaftspolitik, Grenzschutz und Geldpolitik wieder autonom handeln können. Bei der Geldpolitik strebt sie die Wiedereinführung des Franc an. Das Verhandlungsergebnis möchte sie noch vor Jahresende dem Volk vorlegen. Dieses soll in einem Referendum über den EU-Austritt Frankreichs abstimmen. Le Pen würde nur für einen Verbleib in der EU werben, wenn Brüssel vorgängig weitgehende Zugeständnisse zusicherte, ansonsten will sie den Stimmbürgern den EU-Austritt empfehlen.

Wenn Le Pen Staatspräsidentin würde, wäre
die Währungsunion stark gefährdet.

Bei einem Wahlsieg Le Pens ist mit erheblichen Turbulenzen an den Finanzmärkten zu rechnen. Le Pens protektionistische Pläne wären ein schlechtes Signal für Europas Wirtschaft. Der drohende Austritt aus der Eurozone würde das Vertrauen in den Euro erschüttern. Zum Franken würde die Einheitswährung in einer ersten Reaktion zwischenzeitlich wohl unter 1.00 fallen und bis zum EU-Referendum weiter zur Schwäche neigen. Unter diesen Umständen wäre es für die Schweizerische Nationalbank (SNB) kaum möglich, den EURCHF-Kurs dauerhaft über 1.05 zu halten, weil der Franken fortan nicht nur von Schweizer Investoren, sondern auch von ausländischen Anlegern vermehrt als sicherer Hafen genutzt würde. Um die Attraktivität des Frankes gegenüber anderen Fluchtwährungen zu senken, wäre die SNB wohl gezwungen, die Zinsen noch weiter in den negativen Bereich zu senken.

Emmanuel Macron wird das Rennen voraussichtlich machen. Die Finanzmärkte dürften dies positiv honorieren.

Soweit wird es aber voraussichtlich nicht kommen. Unseres Erachtens ist der Verbleib Frankreichs in der EU und der Währungsunion deutlich plausibler. Einerseits dürfte es für Le Pen schwer werden, die Präsidentschaftswahl zu gewinnen. Andererseits bestehen auch im Falle eines Wahlsiegs erhebliche verfassungsrechtliche Hindernisse für einen EU-Austritt.

Umfragen zufolge kann Marine Le Pen im ersten Wahlgang vom 23. April zwar mit ähnlich vielen Stimmen rechnen wie der gegenwärtige Favorit Emmanuel Macron (je ca. 24 %). In den Prognosen für die Stichwahl liegt sie jedoch deutlich hinter ihm (37 % zu 63 %, siehe Grafik), weil die Wähler der ausscheidenden Kandidaten hauptsächlich Macron unterstützen würden. Le Pens Chancen wären nicht viel besser, wenn sie im zweiten Wahlgang auf den François Fillon, den Kandidaten der Konservativen, träfe.

Umfrage zum zweiten Wahlgang: Wähleranteil von Le Pen und Macron
Quelle: Opinionway

Selbst wenn Le Pen zur Staatspräsidentin gewählt würde, erscheint es fraglich, ob Frankreich aus der EU und/oder der Eurozone austreten würde. Frankreichs EU-Mitgliedschaft ist in der Verfassung verankert. Diese müsste vor dem Referendum wohl geändert werden. Dazu bedarf es jedoch der Zustimmung der Nationalversammlung. Um diese sicherzustellen, müsste der Front National in den Parlamentswahlen im Juni einen Erdrutschsieg erringen.

Die Notwendigkeit einer Verfassungsänderung ist unter Experten allerdings umstritten. Würde das Verfassungsgericht eine Volksabstimmung ohne vorgängige Anpassung der Verfassung zulassen, wären die Hürden deutlich geringer. In einem solchen Fall kann die angestrebte Volksabstimmung vom Premierminister oder von einer Minderheit der Parlamentsabgeordneten, die mindestens ein Fünftel aller Sitze umfassen muss, beantragt werden. Danach hätte das Stimmvolk das letzte Wort.

Das EU-Referendum Grossbritanniens und die Präsidentschaftswahlen in den USA mahnen uns jedoch zur Vorsicht.

Auch wenn die Umfragewerte und die Rechtslage klar gegen Le Pen sprechen, basiert unsere Argumentation stark auf dem Konjunktiv. Aus diesem Grund raten wir trotz der vielversprechenden konjunkturellen Ausgangslage und der vermeintlich klaren politischen Machtverhältnisse momentan von weiteren Zukäufen in europäischen Aktien ab. Das EU-Referendum in Grossbritannien und die Präsidentschaftswahlen in den USA haben gezeigt, dass Prognosen von politischen Entscheiden sehr unzuverlässig sind. Zudem ist es denkbar, dass die übrigen Parteien einer Präsidentin Le Pen den Volksentscheid ermöglichen würden, auch wenn sie ihn blockieren könnten, weil der politische Druck zu gross würde.

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3 Kommentare zu Die Wahlen in Frankreich überschatten Europas Aufschwung

  1. Frankreich ist seit Hollande der sozialistischen Misswirtschaft verpflichtet und diese hat zu entsprechenden schlechten Resultaten geführt. Dass eine Abkehr von dieser Politik Richtung ehrlicher Marktwirtschaft auch ein Segen für Europa sein könnte, ist interessanterweise in keinen Medien zu lesen. Dass zudem die durch die BRD inszenierte unbegrenzte Zuwanderung auch stabile Länder an die Grenze der Belastbarkeit gebracht hat, scheint auch kein Thema zu sein. Auch in der Schweiz spricht man immer nur von der Gefahr des «Rechts-Populismus». Dass im Grund eine grössere Gefahr vom heute vorhandenen Links-Populismus ausgeht, wäre dringend erwähnenswert. Die aktuelle Situation der EU ist dafür klares Beispiel.

  2. Alles Schwarzmalerei.
    Wie beim EWR 1992 oder bei der Präsidentenwahlen der USA, ebenfalls beim BREXIT
    und nach der Aufhebung des Frankens an den Euro, stiegen die Börsen nach anfänglichen Turbulenzen, die zum Teil nur wenige Tage dauerten, in hohe Bereiche. Die Börse ist und war immer ein guter Indikator für solche Ereignisse.
    Auch bei einer Wahl von Le Pen wäre es bestimmt nicht anders. Eher sehe ich das Gegenteil von dem was Sie prognostizieren.

    1. Sehr geehrter Herr Nobs
      Betreffend der Aktienmärkte bin ich langfristig auch nicht allzu pessimistisch. Im Fall einer Wahl Le Pens wäre mit einem Rücksetzer der Aktienmärkte zu rechnen. Aber der unter Le Pen drohende (und möglicherweise dennoch nicht stattfindende) Austritt Frankreichs aus der Währungsunion würde die Weltwirtschaft langfristig kaum grundlegend beeinträchtigen. Eine starke Kurskorrektur der Aktienmärkte im Umfeld der Wahlen könnte für einen risikobereiten langfristigen Anleger somit eine Kaufgelegenheit darstellen. Währungsseitig sähe ich bei einer Wahl Le Pens zumindest bis zum geplanten EU-Referendum Ende dieses Jahres grundlegendere Probleme, weil das Anlegervertrauen in den Euro leiden würde und der Franken als stabiler und sicherer Hafen vermehrt zur Stärke neigen dürfte. Le Pens Wahl würde die fundamentale Schwächetendenz des Euro verstärken, weil erstmals eine bekennende Gegnerin der Einheitswährung in einem EWU-Mitgliedstaat an die Macht käme.
      Herzliche Grüsse
      Christoph Sax

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