Willst du die Telefonnummer von Angelina Jolie? Die Geschichte einer leeren Firma

Trotz zunehmender Regulierungsdichte finden auch im 21. Jahrhundert immer wieder Fälle von mutmasslichem Anlagebetrug statt. Zum Beispiel der Fall einer Briefkastenfirma, die durch Spekulation zu einem Milliardenunternehmen wurde.

Der aufsehenerregende Fall von mutmasslichem Anlagebetrug sorgte 2014 in den USA für Schlagzeilen. Der Wert der Aktie der unbekannten Techfirma Cynk stieg 2014 in kurzer Zeit von sechs Cent pro Aktie auf über 21 Dollar. Dies war eine Steigerung um 36’000 Prozent und die Börsenkapitalisierung des Unternehmens lag plötzlich kurzzeitig bei sechs Milliarden Dollar. Dies obwohl die Firma keine Umsätze zu verzeichnen hatte. Sie hatte auch nur einen Mitarbeiter angestellt, der in Personalunion alle Funktionen innerhalb des Unternehmens wahrnahm.

Die als neues soziales Netzwerk angepriesene Firma versprach Anlegern, dass ihre User dafür bezahlen würden, um mit Prominenten und namhaften und einflussreichen Geschäftsleuten vernetzt zu werden. So sollte zum Beispiel die Telefonnummer der Hollywood-Schauspielerin Angelina Jolie für 50 Dollar zu kaufen sein. Damit – so die Argumentation von Cynk – könne man als Investor sehr viel Geld verdienen. Offensichtlich liessen sich genügend Anleger von dieser Argumentation überzeugen. Die schlechtgemachte Webseite hatte über Nacht plötzlich einen Wert von mehreren Milliarden.

Nachdem der plötzlich steil ansteigende Aktienkurs auch in den Medien zum Thema wurde, stellten Journalisten Nachforschungen über die Firma an. Domiziliert war die Firma im mittelamerikanischen Belize. Allerdings fanden die Journalisten im Bürogebäude, das Cynk als Firmenhauptsitz angegeben hatte, keine Spuren der Firma. Auch der Hauswart hatte noch nie von der Firma gehört. Denn Cynk war eine Pseudo-Firma. Eine Briefkastenfirma, bei der ausser einer Geschäftsidee nichts existierte. Auch darüber wurde in den Medien entsprechend geschrieben. Als Folge griff die amerikanische Börsenaufsicht SEC ein, der Handel wurde für zehn Tage ausgesetzt und Ermittlungen aufgenommen. Nachdem die SEC den Handel wieder freigab, brach der Kurs sofort ein. Die Firma war in kurzer Zeit nichts mehr wert.

CYNK in USD

Dow Jones angeglichen, logarithmische Skala
Quelle: Bloomberg

Was war passiert? Diese Art von Anlagebetrug nennt man branchenüblich «Pump and Dump» (auf gut Deutsch «aufpumpen und wegwerfen»). So funktioniert der Mechanismus: Eine wertlose Aktie eines meist kleinen und unbekannten Unternehmens wird von Promotoren durch gezielt gestreute Gerüchte im Mark hochgejubelt – zu neudeutsch «gehypt» – und an ahnungslose Anleger verkauft. Die Promotoren behaupten dann oft, sie hätten Insiderinformationen und versprechen hohe Kursgewinne. Durch die Gerüchte steigt die Nachfrage am Markt für die Aktie stark. Es kommt Goldgräberstimmung auf, und viele Anleger kaufen den ihrer Meinung nach attraktiven Titel. Ist der Kurs einmal durch manipulierte Nachfrage am Markt stark gestiegen – also künstlich aufgepumpt -, verkaufen die Betrüger schnell ihre eigenen Titel, bevor der Kurs dann einbricht und die Aktie wenig später nichts mehr wert ist. Kleinanleger bleiben nach dem Absturz oft auf grossen Verlusten sitzen. Wie ein «Pump and Dump» genau vor sich geht, kann man sehr gut im Kinofilm «The Wolf of Wall Street» mit Leonardo Di Caprio verfolgen. Denn dieser basiert auf einer wahren Geschichte eines verurteilten Anlagebetrügers.

Anlagebetrüger wählen für «Pump and Dump» vor allem das Segment jener Aktien, die «over the counter» gehandelt werden, also ausserhalb einer regulierten Börse. Ein Handel ausserhalb einer Börse ist in der Tendenz mit höheren Risiken befrachtet, denn die Börsen haben eine Aufsichts- und Kontrollfunktion für bei ihnen kotierten Unternehmen. Zu den Voraussetzungen gehört zum Beispiel auch eine gute Unternehmensführung, bei der es nicht möglich ist, dass eine Person gleichzeitig als Finanzchef, CEO und Chefbuchhalter tätig ist. In der Schweiz gibt es mehrere regulierte Börsenplätze, die bekannteste davon ist die SIX.

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