Spätestens bei der Pensionierung darf die Belehnung des Wohneigentums noch maximal zwei Drittel des Verkehrswerts betragen. Lohnen sich darüber hinaus zusätzliche, freiwillige Schuldenrückzahlungen?
Die 80-20-Regel kennen viele als Grundsatz für effizientes Arbeiten: 80 Prozent der Aufgaben lassen sich mit 20 Prozent des Gesamtaufwands erledigen. In anderer Form gibt es eine 80-20-Regel auch bei der Immobilienfinanzierung: Bei einem selbst genutzten Wohnobjekt gewährt die Bank eine Hypothek bis maximal 80 Prozent des Verkehrswerts, mindestens 20 Prozent muss man als Eigenmittel selber aufbringen. Wie beide 80-20-Regeln zusammenhängen, davon später mehr.
Zuerst ein Beispiel: Beträgt der Verkehrswert eine Million Franken, beläuft sich die Hypothek auf höchstens 800 000 Franken. Die Summe teilt sich auf in die so genannte 1. Hypothek (67 Prozent des Verkehrswerts, also 670 000 Franken) und 2. Hypothek (die restlichen 13 Prozent des Verkehrswerts bzw. 130 000 Franken). Diese Zweiteilung ist wichtig für die Amortisation, also die Schuldrückzahlung.
Obligatorische und freiwillige Amortisation
Die geltenden Mindeststandards der Schweizerischen Bankiervereinigung verlangen, dass die 2. Hypothek innert maximal 15 Jahren zu amortisieren ist. Viele Banken, darunter auch die Migros Bank, schreiben zusätzlich vor, dass zum Zeitpunkt der Pensionierung keine 2. Hypothek mehr besteht. Zusammengefasst lautet die Schweizer Branchenusanz also, dass die Belehnung innerhalb von 15 Jahren nach dem Kauf, spätestens aber bis zur Pensionierung von 80 Prozent auf zwei Drittel des Verkehrswertes reduziert werden muss. Für die verbleibenden zwei Drittel, die 1. Hypothek, besteht keine Amortisationspflicht.
Trotzdem erwägen viele Hypothekarschuldner zusätzliche, freiwillige Amortisationen. Dies erstens aus psychologischen Gründen: Eine tiefere Verschuldung mag weniger belastend wirken. Zweitens im Hinblick auf die Pensionierung: Dannzumal sind die Renteneinkünfte oft 30 bis 40 Prozent tiefer als das Erwerbseinkommen während der Berufstätigkeit, so dass zusätzliche Amortisationen mit Blick auf die finanzielle Tragbarkeit durchaus Sinn machen können.
Die Steuersituation spricht oft gegen die freiwillige Amortisation
Bei der optimalen Höhe der Hypothek spielt auch die Steuersituation eine wichtige Rolle. So müssen Besitzer von selbst genutztem Wohneigentum den Eigenmietwert als Einkommen versteuern – also einen hypothetischen Ertrag, der sich bei Fremdvermietung des Objekts ergäbe. Andererseits dürfen Wohneigentümer Nebenkosten, Gebäudeunterhalt, Reparaturen und Schuldzinsen von der Einkommenssteuer abzuziehen. Die Konsequenz: Wer sich in einer höheren Steuerprogression befindet, hat keinen allzu grossen Anreiz, Hypotheken weiter als unbedingt nötig zu amortisieren. Denn je tiefer die Belehnung, desto geringer fallen die Schuldzinsabzüge aus, und umso höher ist die Steuerrechnung.
Zu berücksichtigen ist ferner die Überlegung, dass wer seine Schulden reduziert, weniger Zinsen zahlt, gleichzeitig aber weniger Geld zum Investieren und damit weniger Anlageerträge hat. Als Faustregel gilt: Eine Amortisation ist dann sinnvoll, wenn die eingesparten Hypothekarzinsen höher sind als die mögliche Rendite mit Wertschriften oder anderen Geldanlagen – und dies nach Steuern gerechnet. Die Steuern spielen eine doppelte Rolle, denn je nachdem schmälert die Besteuerung zum einen die Rendite einer Geldanlage. Zum anderen wirken sich Steuern bei den Schulden positiv aus, weil Schuldzinsen wie erwähnt vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden können.
Die Schlussfolgerung: Eine höhere Hypothek kann sich dann lohnen, wenn ein Haushalt einen relativ hohen Teil der Einkünfte dem Fiskus abliefern muss. In diesem Zusammenhang spricht man auch vom so genannten Grenzsteuersatz. Dieser drückt aus, wie stark ein zusätzlicher Franken steuerbares Einkommen besteuert wird – respektive in welchem Mass umgekehrt die Steuerrechnung mit jedem Franken weniger Einkommen sinkt. Machen wir die Rechnung bei einem Grenzsteuersatz von z.B. 25 Prozent: Eine Festhypothek bei einem Zins von 1,6 Prozent kostet nach Steuern nur 1,2 Prozent – die Steuern «verbilligen» die Hypothek also um einen Viertel (siehe Fallbeispiele).
Restriktionen bei freiwilliger Amortisation
Entscheiden Sie sich nach dem Abwägen der Pro- und Contra-Argumente für freiwillige Amortisationen, ist als Erstes die grundsätzliche Frage zu klären, inwieweit der nötige finanzielle Spielraum für zusätzliche Schuldrückzahlungen besteht. Wenn Ihr Budget- und Ihr Finanzplan kaum Möglichkeiten zeigen, um gewisse Ersparnisse zu bilden, dürften weitergehende Amortisationen nicht zur Diskussion stehen. Existieren andererseits freie Mittel, sollten Sie verschiedene Szenarien durchspielen. Dazu gehört neben den beiden Alternativen Status quo und Amortisation auch das Szenario, dass Sie in einigen Jahren eine erneute Aufstockung der reduzierten Hypothek erwägen müssen. Relevant ist dieses Szenario C vor allem bei Personen im Alter 55+ oder 60+. Wer nämlich im Voraus die Schulden reduziert, wird nach der Pensionierung möglicherweise den gleichen Betrag nicht wieder aufstocken können. Und zwar aus dem einfachen Grund, dass bei den dannzumal zu erwartenden Altersrenten die finanzielle Tragbarkeit nicht mehr gegeben ist wie mit dem aktuell höheren Erwerbseinkommen.
Zweitens sollten Sie sich bewusst sein, dass Sie mit der Amortisation von Hypotheken einen wesentlichen Teil Ihres Vermögens in Form von Wohneigentum gebunden haben. Eine Verflüssigung dieser Mittel, etwa durch die Wiederaufstockung der Hypothek, braucht Zeit und ist mit Kosten verbunden.
Und eine dritte Restriktion bei freiwilligen Rückzahlungen stellt die Fälligkeit der Hypotheken dar. Meist besteht nämlich nur zu ganz bestimmten Zeitpunkten überhaupt die Möglichkeit, zusätzliche Rückzahlungen zu leisten. In erster Linie ist das der Fall, wenn eine Festhypothek ihr Laufzeitende erreicht oder wenn bei einer Libor-Hypothek die Rahmenlaufzeit von in der Regel drei Jahren ausläuft. Die grösstmögliche Flexibilität für zusätzliche Amortisationen bietet die variable Hypothek: Mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten (Kanton Bern drei Monate) lässt sie sich um einen beliebigen Betrag reduzieren.
Ich habe im Freundeskreis mehrmals empfohlen, die Hypothek zu reduzieren oder ganz zu amortisieren. Der Rat wurde selten befolgt, Geld wurde stattdessen in vermeintlich sichere Anlagen investiert. Immer mit der verbreiteten, aber nicht fundiert gerechneten Ansicht, die Steuerersparnis sei grösser als der Hypothekarzins. Und: sowieso Geld lieber der Bank als dem Staat geben. In einem Fall erwiesen sich die sicheren, von der Bank verwalteten Anlagen als schmerzhafte Vermögensminderung. In Ihrem Fall 2 gehen Sie von einem Nettoertrag von 2% aus. Wo gibt es – risikoarme – Bankanlagen mit 2% Nettoertrag? Im heutigen Umfeld bewegen sich Bankzinsen eher weiter in Richtung Negativzinsen. Ich bleibe dabei: Hypothek amortisieren ist nach wie vor die gute Wahl, auch bei höchsten Grenzsteuersätzen.
Freundliche Grüsse Franz Buholzer
Herr Buholzer, ich stimme Ihnen völlig zu. Alle Nationalbanken drucken ungehindert Geld. Das System wird früher oder später an die Wand gefahren.
Schulden bleiben immer…. Vermögen wird vernichtet! Die Thuner Sparkasse lässt grüssen!
Diese ganze Diskussion erübrigt sich, da nach der Pensionierung meistens die Bank bestimmt, wie hoch die Resthypothek noch sein darf. Die sehr hohen Eigenmietwerte führen zu abstrusen Situationen. So ist bei mir der Eigenmietwert höher als die volle AHV-Rente.
Guten Tag
Die Bank bestimmt lediglich, dass bei der Pensionierung die Belehnung maximal zwei Drittel des Verkehrswerts betragen darf. Der Beitrag behandelt die Frage, ob darüber hinaus je nach persönlicher Einkommens-, Risiko- und Steuersituation zusätzliche Amortisationen sinnvoll sind.
Stichwort Steuern: Hier dürfte sich die Situation in den nächsten Jahren mit der Abschaffung des Eigenmietwerts entspannen, für die sich ein breiter politischer Konsens abzeichnet.
Freundliche Grüsse, Urs Aeberli
Der Eigenmietwert ist und bleibt die grosse Ungerechtigkeit. Die Banken können dadurch Ihre Empfehlungen der Nicht-Amortisation begründen. Das zeigt ach die vorstehende «Renditeberechnung» deutlich. In ganz Europa steht die Schweiz an der Spitze der Immobilienverschuldung, die durch die Eigenmietwert-Versteuerung verursacht wird. Eine Eigenmietwert-Versteuerung kennt ausser der Schweiz kein einziges Land.